Mobilitätsmanagement

Mobilitätsmanagement

Mobilitätsmanagement ist ein Begriff aus der Verkehrspolitik, der versucht, Mobilität zu ermöglichen, aber zugleich die Belastungen durch den entstehenden Verkehr zu verringern.

Es hat sich in Forschung und Praxis sowohl in Deutschland als auch europaweit als eigenständiger Ansatz etabliert und setzt über verschiedene Dienstleistungen und Maßnahmen direkt an der Nachfrage nach Verkehr an. Dabei kann Mobilitätsmanagement sowohl verkehrspolitische Strategie als auch praktische Vorgehensweise sein.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Im Mobilitätsmanagement stehen seit den 1990er Jahren in Deutschland zwei Begriffsverständnisse nebeneinander.

a) Den Begriff Mobilitätsmanagement hat Prof. Fiedler in den 1980er Jahren in Deutschland eingeführt. Auf seine Initiative wurde in der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) der Arbeitskreis Mobilitätsmanagement gegründet, der 1995 das Arbeitspapier Mobilitätsmanagement herausgebracht hat (FGSV 1995). Das Papier wurde fortgeschrieben und vom Umweltbundesamt herausgegeben (UBA 2001). Nach Auffassung des FGSV-Ansatzes soll dem Verkehrsteilnehmer "ein breitgefächertes Angebotsspektrum alternativer Beförderungsgelegenheiten einschließlich der notwendigen Informationen darüber" bereitgestellt werden, das es ihm erleichtern soll, "sich von Fall zu Fall für oder wider die Benutzung des eigenen Autos zu entscheiden" [1]. Mobilitätsmanagement umfasst nach diesem Ansatz ein Management der Akteure im Bereich der Mobilität in einem "strukturierten, kontinuierlichen Abstimmungs- und Entscheidungsprozess pflichtgemäßer Kommunikation" [2]. "Als ressortübergreifendes angeleitetes Verfahren pflichtgemäßer Kommunikation erfordert die Anwendung des Mobilitätsmanagements [...] nicht per se die Schaffung neuer Ressorts oder Stellen." [3]. Dies soll dadurch möglich werden, dass das Spektrum der Maßnahmen originäre Mobilitätsmanagement-Aufgaben (Beratung, Dienstleistungen) und andere verkehrsplanerische Aufgaben (Verkehrssicherheit, Planung von Kreisverkehren) umfasst[4] .

b) In den EU-Projekten MOMENTUM und MOSAIC ist Ende der 1990er Jahre das „common concept of mobility management“ entwickelt worden. Es basiert auf dem amerikanischen „transportation demand management“. Der Ansatz wird unter dem Dach der European Platform of Mobility Management (EPOMM) auf der jährlich stattfindenden ECOMM weiterentwickelt. Im Zentrum steht dabei ein städtischer Mobilitätsmanager, wie ihn z. B. die Stadt München 2003 installiert hat (Schreiner 2007). Er soll zwischen politischer und operativer Ebene vermitteln. Die operative Ebene bilden Mobilitätsbeauftragte bzw. Mobilitätsberater, die Dienstleistungen für Nutzer auf der gesamtstädtischen Ebene oder für einzelne Standorte (Betriebe, Schulen, Krankenhäuser) koordinieren (ILS/ISB 2000).

Die deutsche Übersetzung der Definition des EU-Konzeptes zu Mobilitätsmanagement lautet: „Mobilitätsmanagement ist ein nachfrageorientierter Ansatz im Bereich des Personen- und Güterverkehrs, der neue Kooperationen initiiert und ein Maßnahmenpaket bereitstellt, um eine effiziente, umwelt- und sozialverträgliche (nachhaltige) Mobilität anzuregen und zu fördern. Die Maßnahmen basieren im Wesentlichen auf den Handlungsfeldern Information, Kommunikation, Organisation und Koordination und bedürfen eines Marketings.“[5] Diese Definition beinhaltet den Mangel, dass bei der Übersetzung aus dem Englischen „promotion“ mit Marketing übersetzt worden ist. Dies passt nicht zum erweiterten Marketingverständnis. Überdenkenswert ist auch die Integration des Güterverkehrs in das Mobilitätsmanagement, da dieses in der Praxis kaum stattfindet. Langweg (2007) hat folgenden Vorschlag für eine neue Definition eingebracht: „Mobilitätsmanagement ist ein eigenständiger Ansatz zur Förderung einer nachhaltigen Mobilität. Es bedarf spezifischer Akteure, die im Auftrag der politischen Ebene zu einer besseren Vernetzung der vorhandenen Verkehrssysteme beitragen sollen. Mobilitätsmanagement initiiert neue und verbessert vorhandene Mobilitätsdienstleistungen für bestimmte Zielgruppen und in enger Abstimmung mit diesen und verwendet hauptsächlich Informations- und Beratungsmaßnahmen.“ Im Aktionsprogramm Mobilitätsmanagement wird ein Masterplan Mobilitätsmanagement erstellt. In diesem sollte eine anerkannte Definition enthalten sein.

Ziele

In den Zielen des Mobilitätsmanagements besteht weitgehende Einigkeit: „Das Hauptanliegen ist eine deutliche Reduzierung motorisierter Fahrzeugbewegungen, ohne die Funktion unseres Gemeinwesens zu gefährden“ [6]. Mobilitätsmanagement soll dazu beitragen, „eine effiziente, umwelt- und sozialverträgliche (nachhaltige) Mobilität anzuregen und zu fördern“[7]. Mobilitätsmanagement richtet sich dabei „an den einzelnen Verkehrsteilnehmer und will ihn zu einem Überdenken seiner Mobilitätsansprüche sowie einer ‚intelligenten Verkehrsmittelwahl’ veranlassen“[8].

Ziel des Mobilitätsmanagements ist es, Emissionen und andere negative Effekte der Mobilität zu verringern und damit eine nachhaltige, also effiziente, sozial- und umweltverträgliche Mobilität zu ermöglichen. Untergeordnetes Ziel ist dabei die Veränderung der Verkehrsmittelwahl (modal split) in Richtung umweltfreundlicher, nachhaltiger Verkehrsmittel (zu Fuß, Fahrrad, Car-Sharing, Öffentlicher Verkehr).

Es kann vom Ansatz her als Erweiterung des Ansatzes der Verkehrsplanung verstanden werden:

Mit diesem Ansatz wird eingeräumt, dass Verkehr nicht nur eine planbare, sondern auch eine steuerbare Größe ist – und damit auch einem Management unterliegen kann. Das Mobilitätsmanagement setzt daher über verschiedene Dienstleistungen und Maßnahmen direkt an der Nachfrage nach Verkehr an.

Praktische Umsetzung

Mobilitätsmanagement kann sowohl verkehrspolitische Strategie als auch praktische Vorgehensweise sein. Es bedient sich insbesondere "weicher" Maßnahmen, die keine infrastrukturellen Auswirkungen haben, hierzu zählen z. B. kommunikative Maßnahmen aber auch ökonomische Anreizstrukturen. Einfach umzusetzende Maßnahmen sind z. B. Informationen an Anwohner über eine neue Bushaltestelle, eine komplexere Maßnahmen ist z. B. das Einführen eines Parkraummanagements. Die Übergänge zur Verkehrsplanung und zum Marketing einzelner Verkehrsunternehmen und -verbünde sind fließend und praktisch nicht abgrenzbar. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist die Ganzheitlichkeit der Betrachtungsweise, die über alle Verkehrsträger und alle planerischen Ansätze integriert. Im Unterschied zur Verkehrsplanung, die häufig einen Streckenabschnitt oder ein Netz eines einzelnen Verkehrsträgers optimiert, wird im Mobilitätsmanagement zumeist von einem Standort (z. B. einem großer Firmensitz) aus geplant, dessen zu- und abfließende Verkehre optimiert werden sollen. Mobilitätsmanagement kann von jeder Institution planerisch durchgeführt werden. Dies können sowohl Kommunen sein, die das Verkehrsaufkommen innerhalb ihrer Kommune reduzieren wollen, als auch Firmen, die das Verkehrsaufkommen ihrer Firma reduzieren möchten. Treiber können folglich ökologische wie auch ökonomische Faktoren sein, die sich in der Planungsrealität zumeist vermischen.

Maßnahmen des Mobilitätsmanagements

Die folgende Liste von Mitteln und Maßnahmen des Mobilitätsmanagements erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Informationsbroschüren / Websites
  • Mitfahrzentralen für Pendler
  • Neubürgerpakete
  • Fahrradförderung
  • Änderungen in Reiserichtlinien, z. B. häufigere Nutzung der Bahn statt Pkw oder Flugzeug
  • Änderungen im Fuhrparkmanagement, z. B. zugunsten verbrauchsärmerer Fahrzeuge oder Einrichtung eines internen Fahrzeugpools

Internationale Situation

Der Ansatz hat sich in der Forschung weltweit als eigenständiger Ansatz etabliert. In der praktischen Planung ist nur ein langsamer Durchsetzungprozess zu erkennen, wobei aber in den letzten zehn Jahren eine zunehmende Akzeptanz in der Verkehrspolitik zu erkennen ist. In den USA, vielleicht auch Ursprung des gesamtes Ansatzes, betrachtet das "Transportation Demand Management" vor allem Arbeitswege. Der europäische Ansatz wird breiter sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr eingesetzt. Die European Platform on Mobility Management EPOMM organisiert den europäischen Wissensaustausch über eine Website und ein jährliches Treffen, die European Conference on Mobility Management ECOMM.

Literatur

  • Groß, S. (2005): Mobilitätsmanagement im Tourismus. Dresden
  • Verkehrsclub Österreich (Hrsg.): Mobilitätsmanagement – Nutzen für alle. Wien 2004
  • Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.) (2004): Mobilitätsmanagement – Ziele, Konzepte und Umsetzungsstrategien, Band 58 der Reihe direkt.
  • Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr der RWTH Aachen (Hrsg.): Tagungsband zum 4. Aachener Kolloquium "Mobilität und Stadt": Mobilitätsmanagement und Verkehrsmanagement. Stadt Region Land, Band 75. Aachen 2003
  • Langweg, A., Witte, A., Finke, T., Beckmann, K.-J., Krug, St., Meinhard, D.: Mobilitätsmanagement in Deutschland und im Ausland - Stand von Theorie und Praxis. Schlussbericht des Projekts 70.657/01 im Forschungsprogramm Stadtverkehr des BMVBW (FOPS 2001). Aachen 2003
  • Langweg, A.: Mobilitätsmanagement, Mobilitätskultur, Marketing & Mobilitätsmarketing – Versuch einer Begriffsklärung. Stadt Region Land, Band 82. Aachen 2007
  • Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (DVWG) (Hrsg.): Soft Policies - Maßnahmen in der Verkehrspolitik. Instrumente, Anwendungsbereiche, Wirkungen. DVWG-Schriftenreihe B 251. Berlin 2002
  • Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). Öffentlicher Personennahverkehr – Mobilitätsmarketing. AP 66. FGSV-Verlag. Köln, 2006.
  • Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). Öffentlicher Personennahverkehr - Mobilitätsmanagement zur Bewältigung kommunaler Verkehrsprobleme.

FGSV-Arbeitskreis „Mobilitätsmanagement“, Hrsg. Umweltbundesamt, Berlin, 2001

  • Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) (Hrsg.): Mobilitätsmanagement - Checklisten-Sammlung, erarbeitet vom Arbeitskreis 1.6.11 Mobilitätsmanagement in der FGSV. 2001
  • Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). Öffentlicher Personennahverkehr – Mobilitätsmanagement – ein neuer Ansatz zur umweltschonenden Bewältigung für Verkehrsprobleme. AP 38 der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. FGSV-Verlag. Köln, 1995.
  • Müller, G.: Quality Assurance in Mobility Management: Regarding Structure, Processes and Results – Präsentation auf der European Conference on Mobility Management ECOMM 2001 in Rom. 2001
  • Thiesies, M.: Mobilitätsmanagement - Handlungsstrategie zur Verwirklichung umweltschonender Verkehrskonzepte Erich Schmidt Verlag, Schriftenreihe für Verkehr und Technik, Band 86, Bielefeld 1998
  • Umweltbundesamt (Hrsg.): Mobilitätsmanagement zur Bewältigung kommunaler Verkehrsprobleme. Berlin 2001
  • Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen (ILS), Institut für Stadtbauwesen der RWTH Aachen (ISB) (Hrsg.): Mobilitätsmanagement Handbuch - Einführung in Ziele, Instrumente und Umsetzung von Mobilitätsmanagement, Produkt der beiden EU-Projekte MOMENTUM und MOSAIC. 2000
  • Schreiner, M.:. München – Gscheid Mobil. In: PLANERIN. Heft 2_07. SRL e.V. (Hrsg.). Berlin. S. 12-14, 2007
  • Stadt Münster/Europäische Kommission (Hrsg.) (2000): Schnittstellen im Mobilitätsmanagement. Neue Kooperationen, Techniken, Lösungen. Dokumentation der ECOMM '99 in Münster. Dortmunder Vertrieb für Planungsliteratur, Verkehr spezial 6. Dortmund
  • Beutler, F., Brackmann, J.: Neue Mobilitätskonzepte in Deutschland - ökologische, soziale und wirtschaftliche Perspektiven – Querschnittgruppe Arbeit und Ökologie; Diskussionspapier P99-503. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Berlin 1999
  • MOMENTUM/MOSAIC Konsortien (Hrsg.): Mobilitätsmanagement - Abschlussbroschüre der EU-Projekte MOMENTUM und MOSAIC. 1999
  • S.T.E.R.N. Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung (Hrsg.): Leitfaden Kommunales Mobilitätsmanagement. Berlin 1998

Weblinks

Einzelnachweise

  1. (FGSV 1995, S. 6)
  2. (UBA 2001, S. 23)
  3. (UBA 2001, S. 25, vgl. Fiedler 2002)
  4. (UBA 2001)
  5. (ILS/ISB 2000, S. 15)
  6. (FGSV 1995, S. 11, vgl. UBA 2001, S. 16)
  7. (ILS/ISB 2000, S. 16)
  8. (FGSV 1995, S. 6)

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