- Molekulargastronomie
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Die Molekulargastronomie oder auch Molekularküche befasst sich mit den biochemischen und physikalisch-chemischen Prozessen bei der Zubereitung und beim Genuss von Speisen und Getränken. Die Molekularküche setzt Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Untersuchung biochemischer, physikalischer und chemischer Prozesse bei der Zubereitung von Speisen und Getränken um, die mit der Änderung von Texturen einzelner Produkte oder allgemein mit den Wechselwirkungen zwischen physikalisch-chemischen Prozessen und Veränderungen eines Produkts zu tun haben.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Der Begriff „Molekulargastronomie“ wurde um 1990 von Hervé This geprägt, bereits 1992 fand in Sizilien das erste internationale Arbeitstreffen über molekulare und physikalische Gastronomie statt. Als Ziel dieser angewandten Wissenschaft nennt This: althergebrachte Rezepte zu erklären, sie womöglich zu verbessern, und mit den dabei gewonnenen Erkenntnissen neue Rezepte zu kreieren.
Hervé This war allerdings nicht der erste, der sich der naturwissenschaftlichen Betrachtung von Kochvorgängen widmete. Bereits einige Jahre zuvor hatte Nicholas Kurti mit dem Aufsatz „The Physicist in the Kitchen“ die Grundlagen für die moderne Molekulargastronomie verfasst. Von Kurti stammt auch der von Hervé gern zitierte Satz: „Es ist absurd, dass wir über die Temperatur im Zentrum der Sonne mehr wissen als über jene im Inneren eines Soufflés.“
Das veränderte Verhalten von Eiweißstrukturen in Lebensmitteln durch mechanische Einwirkungen, durch Temperaturveränderungen oder durch Verwendung von Zusatzstoffen wie Alginate beschäftigen die mit dem Thema befassten Wissenschaftler und Köche. Sie interessiert weniger die Frage, wann die richtige Garzeit für Fleisch und Fisch erreicht ist oder wie lange ein Soufflé im Ofen bleiben muss. Für sie ist vielmehr wichtig, warum das alles passiert, um daraus auch Erkenntnisse für andere Zubereitungsprozesse ziehen zu können.
Aus diesem naturwissenschaftlichen Ansatz hat sich ein neuartiger Stil der Haute Cuisine entwickelt, der Molekularküche genannt wird. Sein bekanntester Vertreter ist der spanische Koch Ferran Adrià. Thomas A. Vilgis vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz zählt zu den bekanntesten deutschen Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Molekularküche. International haben vor allem Hervé This, Nicholas Kurti und Peter Barham große Entwicklungsarbeit geleistet.
Der spanischstämmige Drei-Sterne-Koch Juan Amador arbeitet in seinem Restaurant in Langen ebenfalls in diesem Bereich, lehnt jedoch für sich die Bezeichnung Molekularküche ab. International zählen neben Ferran Adrià die Köche Heston Blumenthal, Grant Achatz und Marc Veyrat zu den bedeutendsten Spitzenköchen auf dem Gebiet der Molekularküche. Weitere wichtige Vertreter sind die Spanier Martin Berasategui, Juan Arzak, Luiz Aduriz und Quique Dacosta sowie Homaru Cantu in Chicago.
Methoden
Die Molekularküche verwendet neben den üblichen Küchentechniken experimentell auch solche aus der Chemie und der Lebensmittelindustrie, um Gerichte mit völlig neuartigen Eigenschaften zu erzeugen, wie zum Beispiel Schäume und Gelees aus Gemüse, heißes „Eis“, das beim Abkühlen im Mund schmilzt, Bonbons aus Olivenöl oder „Kaviar“ aus Melonen. Durch die überraschenden Kombinationen von Aromen, süß und salzig, Temperaturen und Texturen sind diese Gerichte zugleich „Schule der Wahrnehmung“ und nähern sich den Methoden der modernen Kunst.
Verwendet werden in der Molekularküche nicht nur unten genannte Zutaten aus der Lebensmittelindustrie, sondern auch verschiedene Geräte, die hauptsächlich aus dem Laborbedarf stammen. Hierzu zählt in erster Linie das kontrollierte Wasserbad, das ein Niedrigtemperaturgaren unter Vakuum („sous vide“) über lange Zeit ermöglicht, wodurch das Gargut deutlich schonender und bei Verwendung von Gewürzen intensiver zubereitet wird, da im Vakuum die Gewürze besser in das Gargut einziehen und keine Verwässerung stattfindet. Weiterhin zu nennen wären ein spezieller Siphon zur Herstellung von Schäumen, der „Paco Jet“ zur Herstellung von Eis und allerlei Staub, Räucherpfeifen und die Küchenmaschine „Thermomix“ von Vorwerk.
Typische Gerichte
Zu den bekanntesten Gerichten der Molekularküche zählt das Gemüsegelee mit Holzkohleöl von Ferran Adrià. Die optische und texturelle Abstraktion des Gerichtes steht in einem starken Kontrast zum Geschmack, der an traditionelles mediterranes gegrilltes Gemüse erinnert.
Typische Zutaten
- Agar-Agar (E 406) eine vegetarische Alternative zu Gelatine, die aus Rotalgen gewonnen wird und nach dem Aufkochen geliert.
- Natriumalginat (E 401), ein natürliches Extrakt aus Braunalgen.
- Calciumlactat (E 327)
- Cellulosederivat (E 461), wird aus Pflanzenfasern gewonnen.
- Sojalecithin (E 322), ein Emulgator
- Guarkernmehl (E 412) (Gellan Gum), ein Geliermittel, das durch Fermentation gewonnen wird.
- Carrageen (E 407), wird aus Rotalgen gewonnen.
- Johannisbrotkernmehl (E 410), ein Verdickungsmittel
- Xanthan (E 415)
- flüssiger Stickstoff (N2) Protadur
- Pro Espuma
Literatur
- P.Barham: Die letzten Rätsel der Kochkunst. Springer, Berlin, Heidelberg 2003.
- Harold McGee: What’s Cooking in Chemistry? How Leading Chemists Succeed in the Kitchen. Wiley-VCH, Weinheim 2003, ISBN 3-527-30723-0.
- Harold McGee: On Food and Cooking. The Science and Lore of the Kitchen. Scribner, New York 2004, ISBN 0-684-80001-2.
- Hervé This-Benckhard: Rätsel der Kochkunst. Naturwissenschaftlich erklärt. Springer, Heidelberg 1996, ISBN 3-540-61113-4.
- Hervé This-Benckhard: Kulinarische Geheimnisse. 55 Rezepte – naturwissenschaftlich erklärt. Springer, Heidelberg 1998, ISBN 3-492-22774-0.
- Thomas A. Vilgis: Die Molekül-Küche. Physik und Chemie des feinen Geschmacks. Hirzel, Stuttgart 2006, ISBN 3-7776-1370-3.
- Thomas A. Vilgis: Molekularküche. Das Kochbuch. Tre Torri, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-937963-58-7.
- Gabriele Randel: Molekulare Cocktails. Umschau, Neustadt an der Weinstraße 2007, ISBN 978-3-86528-640-6.
Weblinks
- Buchkritik – „Kochen mit Physik“, Deutschlandradio, 15. November 2005, Rezension
- „molecular gastronomy and the science of cooking“ – Website und Kommentare von Martin Lersch (engl.)
- „Virtuelles Sushi“, Wirtschaftswoche, 28. Januar 2007, Nr. 5
- "Kochen bei Minus 196 Grad" - Online Beitrag von einem molekularen Kochkurs, Der Westen, 15. November 2008
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