- Neue irakische Verfassung
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Über die neue irakische Verfassung wurde am 15. Oktober 2005 per Volksentscheid abgestimmt; nach einigen Verzögerungen durch notwendig gewordene Neuauszählungen in der sunnitischen Provinz Ninawa wurde sie offiziell mit 78 % angenommen. Sie ersetzt damit die Verfassung des Staates Iraks für die Übergangszeit.
Die Kommission, die die Verfassung erarbeitete, stand oft vor scheinbar unlösbaren Entscheidungen. Denn in der Kommission standen die Vertreter der Sunniten einige Male davor sich zurückzuziehen. Das hätte zu Folge gehabt, dass die sunnitischen Iraker mit Nein gestimmt hätten, und so die Verfassung nicht angenommen worden wäre. Schließlich nahmen am Ende auch nur drei der achtzehn sunnitischen Vertreter an der Unterschriftenzeremonie teil; keiner unterschrieb den Verfassungsentwurf. Am 28. August 2005 wurde der Entwurf dem Parlament dennoch vorgelegt und angenommen.
Verfassungsreferendum
Nicht nur für Iraker verwirrend erscheint der Streit um die Auszählung in der sunnitischen Provinz Ninawa. Der Gouverneur der Provinz hatte das amtliche Ergebnis der Auszählung in seiner Provinz nach Bagdad gemeldet: es hieß dort, "dass der Entwurf für eine neue Verfassung dort von einer großen Mehrheit der Wähler abgelehnt worden sei und damit auch insgesamt gescheitert sei".[1] Die Wahlkommission in Bagdad dementierte indessen. Ihr Sprecher, Farid Ajar, sagte den wartenden Journalisten: "Uns liegt noch kein Ergebnis vor und niemand außer der unabhängigen Wahlkommission hat das Recht, Resultate zu veröffentlichen." Die Veröffentlichung wurde verschoben, da es "Probleme bei der Auszählung" gegeben habe. Condoleezza Rice erklärte später, die Verfassung sei "wahrscheinlich angenommen" worden; ein Alleingang, der bei offiziellen Stellen für Unmut sorgte. Das Thema verschwand kurzzeitig völlig aus den Medienberichten.
Nachdem zwischenzeitlich Zweifel herrschte, ob die Verfassung nicht doch durch drei Provinzen abgelehnt worden sei,[2] meldeten am 25. Oktober 2005 die Nachrichtenagenturen, dass der Verfassungsentwurf gebilligt worden sei; in der Provinz Ninawa hätten 55 % der Wähler die Verfassung abgelehnt, damit aber die Zwei-Drittel-Mehrheit verfehlt, die ihre Provinz zum ausschlaggebenden Faktor einer endgültigen Ablehnung gemacht hätte. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb: "Die Neuauszählung in Ninive bestätigte dennoch die Zweifel am ursprünglich für diese Provinz verkündeten Ergebnis, wonach die Verfassung dort von 78 Prozent der Wähler angenommen worden war".[3]
Die Art der Berichterstattung und die Umstände der Nachauszählung lassen eine Wahlfälschung möglich erscheinen. Saleh al-Mutlaq, einer der sunnitischen Verhandlungsführer, sprach der BBC gegenüber von einer "Farce".[4]. George W. Bush dagegen lobte das Resultat und wertete es als neuen Beweis, dass "die Iraker eine Demokratie bauen werden, vereinigt gegen Extremismus und Gewalt". [5]
Inhalt
Präambel
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- We the sons of Mesopotamia, land of the prophets, resting place of the holy imams, the leaders of civilization and the creators of the alphabet, the cradle of arithmetic: on our land, the first law put in place by mankind was written; in our nation, the most noble era of justice in the politics of nations was laid down; on our soil, the followers of the prophet and the saints prayed, the philosophers and the scientists theorized and the writers and poets created.
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- Recognizing God's right upon us; obeying the call of our nation and our citizens; responding to the call of our religious and national leaders and the insistence of our great religious authorities and our leaders and our reformers, we went by the millions for the first time in our history to the ballot box, men and women, young and old, on January 30, 2005, remembering the pains of the despotic band's sectarian oppression of the majority; inspired by the suffering of Iraq's martyrs — Sunni and Shiite, Arab, Kurd and Turkomen, and the remaining brethren in all communities — inspired by the injustice against the holy cities in the popular uprising and against the marshes and other places; recalling the agonies of the national oppression in the massacres of Halabja, Barzan, Anfal and against the Faili Kurds; inspired by the tragedies of the Turkomen in Bashir and the suffering of the people of the western region, whom the terrorists and their allies sought to take hostage and prevent from participating in the elections and the establishment of a society of peace and brotherhood and cooperation so we can create a new Iraq, Iraq of the future, without sectarianism, racial strife, regionalism, discrimination or isolation.
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- Terrorism and takfir (declaring someone an infidel) did not divert us from moving forward to build a nation of law. Sectarianism and racism did not stop us from marching together to strengthen our national unity, set ways to peacefully transfer power, adopt a manner to fairly distribute wealth and give equal opportunity to all.
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- We the people of Iraq, newly arisen from our disasters and looking with confidence to the future through a democratic, federal, republican system, are determined — men and women, old and young — to respect the rule of law, reject the policy of aggression, pay attention to women and their rights, the elderly and their cares, the children and their affairs, spread the culture of diversity and defuse terrorism.
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- We are the people of Iraq, who in all our forms and groupings undertake to establish our union freely and by choice, to learn yesterday's lessons for tomorrow, and to write down this permanent constitution from the high values and ideals of the heavenly messages and the developments of science and human civilization, and to adhere to this constitution, which shall preserve for Iraq its free union of people, land and sovereignty.
Kapitel Eins:Grundlegende Prinzipien
Die wichtigsten Punkte sind:
- Der Irak ist eine unabhängige Nation und seine Staatsform ist demokratisch, föderal und repräsentativ.
- Der Islam ist die nationale Religion und eine Grundlage für Gesetze; Religionsfreiheit wird es trotzdem geben.
- Der Staat ist eine multiethnische Nation und hat als Staatssprache Arabisch und Kurdisch. Daneben können die anderen Sprachen wie Turkmenisch, Assyrisch als offizielle Sprache in den einzelnen Regionen gelehrt werden.
- Verboten sind Terrorismus, ethnische Säuberung und die Baath-Partei
- Der Irak ist Teil der arabisch islamischen Welt.
- Der Staat hat eine Armee, die unter zivilem Kommando steht.
Kapitel Zwei:Rechte und Freiheiten
Jeder Iraker hat das Recht auf Religionsfreiheit, Erziehung, Gesundheitsversorgung, persönliche Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Freizügigkeit.
Kapitel Drei:Die föderalen Autoritäten
Dieses Kapitel gliedert sich in vier Teile, nämlich:
- Legislative
- Exekutive
- Judikative
- Unabhängige Einrichtungen
Kapitel Vier:Rechte der föderalen Autoritäten
Die föderale Bundesregierung hat exklusive Rechte in den Bereichen:
- Außenpolitik
- Verteidungspolitik
- Finanzen
- Postwesen,Radio,Standards
- Budget
- Wasser und Ölpolitik
- Wohlfahrtprogramme
Daneben werden die anderen Rechte mit den Regionalregierungen zusammen bestimmt, wie Elektrizitätswesen, Umweltpolitik, Gesundheitswesen und Erziehung.
Kapitel fünf
Das Kapitel beschreibt die Pflichten und Rechte der autonomen Regionalregierungen. Entweder kann jede einzelne Provinz als autonom angesehen werden oder mehrere Provinzen schließen sich zu einer Region zusammen. Dazu reicht eine Zweidrittelmehrheit der Provinzregierung oder ein Zehntel der Bevölkerung in den betroffenen Provinzen. Zur Zeit gibt es nur die Kurdische Autonome Region. Geplant ist eine schiitische Region im Südirak, die aus drei Provinzen bestehen soll.
Kapitel sechs: Endgültige und vorübergehende Richtlinien
Sonstiges
In der öffentlichen Wahrnehmung kaum diskutiert wurden die neugeschaffenen Rechte ausländischer Kapitalinvestoren. Während das Baath-Regime 1972 z.B. den Ölreichtum des Landes nationalisiert und irakische Mehrheiten an Ölgesellschaften vorgeschrieben hatte, ermöglicht die neue irakische Verfassung nunmehr - ebenso wie die zuvor von USA erlassene Übergangsverfassung, ausländischen Investoren, 100% von Unternehmen dieser Schlüsselindustrie zu erwerben.
Ergebnis vom 15. Oktober 2005
Provinz Wählerzahl Ja Nein al-Anbar 259.919 3,04% 96,96% Arbil 830.570 99,36% 0,64% Babil 543.779 94,56% 5,44% Bagdad 2.120.615 77,70% 22,30% Basra 691.024 96,02% 3,98% Dahuk 389.198 99,13% 0,87% Dhi Qar 463.710 97,15% 2,85% Diyala 259.919 96,96% 3,04% Karbala 264.674 96,58% 3,42% Kirkuk 542.688 62,91% 37,09% Maisan 254.067 97,79% 2,21% al-Muthanna 185.710 98,65% 1,35% Nadschaf 299.420 95,82% 4,18% Ninawa 718.758 44,92% 55,08% al-Qadisiyya 297.176 96,74% 3,26% Salah ad-Din 510.152 18,25% 81,75% as-Sulaimaniyya 723.723 98,96% 1,04% al-Wasit 280.128 95,70% 4,30% Gesamt 9.852.291 78,59% 21,41% Referenzen
- A Look at the Final Changes in Iraq's Constitution". Kurdistan Regional Government (KRG), 16 Sep 2005.
- Iraq's parliament sends amended constitution to U.N. for printing, distribution to voters". Associated Press (via Signon San Diego, Union-Tribune Publishing), September 18, 2005
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