Neuendorf (Nowawes)

Neuendorf (Nowawes)
ehemaliges Stadtwappen

Nowawes war der Name einer Ortschaft östlich von Potsdam, die von Friedrich dem Großen als Kolonie für wegen ihres Glaubens verfolgte evangelische Spinner und Weber aus Böhmen direkt neben dem alten Rundlingsdorf Neuendorf angelegt wurde. Ziel des Königs war die Errichtung einer Seidenweberei. Auf einem dreieckigen Grundriss entstanden an mit Maulbeerbäumen (als Grundlage für die Seidenspinnerei) bepflanzten Straßen kleine Weberhäuser. Auf dem in der Mitte liegenden Platz wurde eine Kirche – die Friedrichskirche − errichtet. Auch auf dem Kirchplatz und in der Nähe der Kolonie wurden tausende von Maulbeerbäumen angepflanzt.

Verantwortlich für den Bau der Kolonie war zunächst der Oberst und spätere General Wolf Friedrich von Retzow, der sich schon bei der Trockenlegung des Oderbruchs bewährt hatte. Der Bau der Kolonie erfolgte 1751 bis 1754 in zwei Bauabschnitten. In den Jahren 1764-1767 wurde sie von General Heinrich Wilhelm von Anhalt erweitert, denn Retzow war im Siebenjährigen Krieg gefallen. Die Ausführung des Baus übernahm der Oberhofbaurat und Baumeister Heinrich Ludwig Manger. In der Anfangsphase führte die Kolonie den Namen „Etablissement bei Potsdam“, dann „Böhmisch Neuendorf“, und schließlich – auf böhmisch − „nowa wes“ (‚neues Dorf‘).

Nowawes umfasste nach dem Ende der Bautätigkeit auf etwa 72 ha Fläche 210 Häuser für 420 Familien. Dort lebten 1767 bereits 1.000 Kolonisten. Zunächst waren zwei Drittel aus Böhmen, nach dem zweiten Bauabschnitt aber nur noch zehn Prozent. In diesem zweiten Abschnitt siedelten sich vor allem Handwerker (Zimmerleute, Maurer, Bäcker, Schneider, Schuster und Gärtner) an.

Nowawes wird „Dorf“

1759 erhielt Nowawes den Status als „Dorf“. Es hatte damals 681 Einwohner. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein blieb Nowawes ein Weberdorf, in dem zeitweilig sehr ärmliche Verhältnisse herrschten. 1759 gab es dort 105 Hauswebstühle, 1797 schon 350. Nach einer Krise in den 1840er Jahren stieg ihre Anzahl bis 1885 auf 1.000. Die Einwohnerzahl betrug 1864 4.400, 1880 etwa 7.000, 1900 10.974 und 1905 bereits 12.148.

Die Industrie entwickelte sich rasch. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten Textilfabriken: 1852 die erste Nähseidenfabrik des Berliner Handelshauses Liebermann & Söhne, eine zweite folgte wenig später. Zwischen 1863 und 1898 siedelten sich neun weitere Industriebetriebe an: eine Jute- und Kammgarnspinnerei, eine Jaquardweberei, eine Tuchfabrik, zwei Teppichfabriken, eine Spinnstofffabrik, eine Sack-, Plan- und Zeltfabrik , eine Seidenweberei und eine Netzfabrik. Dann folgten 1900 die Lokomotivenfabrik von Orenstein & Koppel, eine Eisengießerei, eine Schuhfabrik und das Schallpattenunternehmen „Electrola“. 1917 entstanden schließlich in einer leeren Fabrikhalle die Filmstudios der Ufa (Universum Film AG.). Nowawes wurde Filmstadt und blieb es bis heute.

Seit 1879 wurde Nowawes durch Theodor Hoppe zur Heimat des Oberlinvereins und beherbergte dessen Mutterhaus mit Krankenhaus und vielfältigen Betreuungs- und Bildungsangeboten sowie Einrichtungen zur schulischen, beruflichen, medizinischen und sozialen Rehabilitation

1904 wurden die bis dahin selbständigen Dörfer Neuendorf und Nowawes zusammengeschlossen; 1924 wurde Nowawes Stadt und 1938 mit der Villenkolonie Neubabelsberg zur Stadt Babelsberg zusammengelegt. Der alte Name verschwand, heute erinnert lediglich die Straße „Alt Nowawes“ an den Namen.

1939 wurde Babelsberg nach Potsdam eingemeindet.

Persönlichkeiten

Folgende Personen wurden in Nowawes geboren:

Literatur

  • Karin Carmen Jung: Die böhmische Weberkolonie Nowawes 1751-1767 in Potsdam-Babelsberg - Bauliche und städtebauliche Entwicklung, Berlin 1997, Haude und Spener, ISBN 3-7759-0407-7
  • Herbert Knoblich, Almuth Püschel et al.: Neuendorf – Nowawes – Babelsberg. Stationen eines Stadtteils. Geiger-Verlag: Potsdam 2008 ISBN 9783895706530

52.39647222222213.0898888888897Koordinaten: 52° 24′ N, 13° 5′ O


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