Ngô Đình Diệm

Ngô Đình Diệm
Ngô Đình Diệm

Ngô Đình Diệm (Hán Nôm: 吳廷琰, eigentlich Jean-Baptiste Ngô Đình Diệm,[1] * 3. Januar 1901 in Huế; † 2. November 1963 in Saigon-Cholon) war der erste Präsident der Republik Vietnam 1955 bis 1963.

Anmerkung: Bei diesem vietnamesischen Namen lautet der Familienname Ngô, in westlichen Texten ist die Schreibweise oft vereinfacht Ngo. Gemäß dem lokalen Brauch sollte die Person mit ihrem Rufnamen Diệm bezeichnet werden.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Diệm wurde in der Stadt Huế, der alten Hauptstadt der Nguyễn-Dynastie, geboren. Die Familie Ngô gehört zum katholischen Adel Vietnams. Einer seiner Brüder, Pierre Martin Ngô Đình Thục, war Erzbischof von Huế, ein anderer Bruder, Ngô Đình Nhu, der zu seinen engsten Beratern zählte, galt als Anhänger des Personalismus.[2]

Diệm war fanatischer Katholik, glühender Nationalist und Anti-Kommunist. Er war Beamter in der französischen Kolonialverwaltung. 1933 wurde er Innenminister unter Kaiser Bảo Đại, trat jedoch nach einem Kompetenzstreit mit den Franzosen bereits wenige Wochen später wieder ab.[3]

Im Jahre 1945 kam es zu Konflikten mit den antifranzösischen kommunistischen Truppen, die mehr und mehr die Macht in Vietnam übernahmen. Nach der Augustrevolution lehnte er es ab, sich der Regierung von Ho Chi Minh anzuschließen und ging ins Exil in die USA. Dort lernte er einflussreiche Politiker kennen, bei denen er sich als anti-kommunistischer und anti-kolonialer vietnamesischer Nationalist profilierte.[4] Diese überzeugten den US-Außenminister Dulles 1954, nach dem Ende des Indochinakriegs und dem Rückzug der Franzosen, dass Diệm der geeignete Premierminister von Südvietnam sei.

Sein Regierungsstil war autoritär. Zunächst wandte er sich mit Brutalität gegen die Flusspiraten des Gangsterbosses Binh Xuyen, die unter den Franzosen in Saigon Polizeigewalt ausübten und sich mit Opiumschmuggel, Prostitution und Erpressung finanzieren durften.[5] Dann ging er auch gegen die Sekten der Hoa Hao und der Cao-Daisten vor. Die Amerikaner honorierten seine Erfolge mit großzügigen finanziellen Zuwendungen, durch die Diệm etwa 80% des Staatshaushaltes abdecken konnte.

1955 ließ sich Diệm in einer manipulierten Wahl zum Präsidenten wählen und schaffte gleichzeitig die Monarchie unter dem im Volk ungeliebten Kaiser Bảo Đại ab. Durch die Vernichtung der kaiserlichen Garde und kaisertreuer buddhistischer Truppen bzw. Milizen wurden die antikommunistischen Kräfte Vietnams wesentlich geschwächt.

Nach den Bestimmungen der Genfer Konferenz von 1954 hätten bis 1956 freie Wahlen in ganz Vietnam und danach eine Wiedervereinigung durchgeführt werden sollen. Diệm war sich jedoch mit den USA einig, dies verhindern zu wollen, da freie Wahlen zu einem Sieg der Kommunisten geführt hätten. Außenminister Dulles forderte Diệm zwar öffentlich dazu auf, für freie Wahlen einzutreten, doch das waren Lippenbekenntnisse. Hinter den Kulissen versicherte man ihm, dass die amerikanische Regierung gesamtvietnamesische Wahlen als eine große Gefahr betrachte.[6]

Diệm festigte seine Herrschaft, indem er einflussreiche Positionen mit Vorliebe an Verwandte vergab und zwei sich gegenseitig bespitzelnde Geheimdienste aufbaute. Er begann eine brutale Kampagne nicht nur gegen Kommunisten, sondern auch gegen andere tatsächliche oder vermeintliche politische Gegner. Nach unabhängigen Schätzungern wurden 150.000 Personen inhaftiert und allein zwischen 1955 und 1957 12.000 Menschen getötet.[7]

Trotz allem galt er in der US-amerikanischen Öffentlichkeit immer noch als bessere Alternative zu Ho Chi Minh. Man hoffte er könne sich zum charismatischen Gegenpol zu Ho Chi Minh entwickeln. Man glaubte sogar, dass seine anti-kommunistische Haltung seine Grausamkeiten und anderen Unzulänglichkeiten aufwog. Südvietnam blieb von den USA vollständig abhängig und war ohne deren Hilfe nicht überlebensfähig.

Seine Ablehnung einer auch von den USA für notwendig gehaltenen Bodenreform trug dazu bei, dass Diệm in der Bevölkerung zunehmend unpopulär wurde. Durch Zwangsumsiedlungen der Landbevölkerung sollte der kommunistischen Guerilla die Machtbasis entzogen werden. Erreicht wurde dadurch eher das Gegenteil – Diệm trieb auch diejenigen Vietnamesen, die bisher dem Kommunismus ablehnend gegenübergestanden hatten, in die Arme der Viet Minh. Als der überzeugte Katholik Diệm gestützt auf knapp zwei Millionen Katholiken eine christliche Bekehrungskampagne durchführte, riefen auch noch die Buddhisten Vietnams zum Umsturz auf. Diệm, der inzwischen fast alle relevanten Gruppierungen gegen sich aufgebracht hatte, reagierte auch hier mit Verhaftungen und Hinrichtungen.

Allmählich begann auf der Seite der Amerikaner, die ihn weiterhin unterstützten, ein Meinungsumschwung, weil offensichtlich wurde, dass das Fehlen demokratischer Strukturen, das Nichtdurchführen der Landreform und die ausufernde Korruption in Diệms Regierung dem Fortkommen Südvietnams schadeten.

Im Jahr 1963 zeigten buddhistische Mönche anlässlich des Geburtstages von Buddha trotz Verbotes auch buddhistische Flaggen. Daraufhin ließ Diệm seine Elitetruppen in die unbewaffnete Menge schießen, neun Menschen starben. Es kam zu weiteren Demonstrationen, die auch blutig niedergeschlagen wurden. Der Mönch Thích Quảng Đức verbrannte sich aus Protest vor den Augen der internationalen Öffentlichkeit selbst. Studenten schlossen sich den Protesten an, und auch die Armee war unzufrieden.

Die Buddhistenkrise überzeugte jetzt auch die USA, dass Diệm an der Spitze Südvietnams nicht die geeignete Person war, um weiterhin für Stabilität im Sinne Washingtons zu sorgen. US-Präsident Kennedy berief Henry Cabot Lodge zum neuen Botschafter in Saigon mit dem Auftrag, Diệm zur Vernunft zu bringen oder nach einer Alternative zu ihm zu suchen. Einige Autoren behaupten, die USA hätten in diesem Rahmen die Absetzung Diệms aktiv herbeigeführt. Sicher ist, dass Lodge zumindest einigen unzufriedenen Militäroffizieren signalisierte, dass die USA nichts gegen einen Putsch einzuwenden hätten.

Die Leiche Diệms

Am 1. November 1963 kam es daraufhin zu einem Militärputsch von ARVN-Generälen um Dương Văn Minh. Erst als der Präsidentenpalast umstellt war und Diệms Eliteeinheiten entwaffnet waren, erklärte Diệm seine Bereitschaft zu Reformen und versuchte verzweifelt und vergeblich, die Unterstützung des US-Botschafters Lodge zu gewinnen. Der gab vor, sich nicht in innere Angelegenheiten Südvietnams einmischen zu können. Diệm und sein jüngerer Bruder Dinh Nhu konnten durch unterirdische Geheimgänge zunächst fliehen. Später wurden sie jedoch von Suchtrupps aufgegriffen und hingerichtet. Am nächsten Tag fand man die beiden von Kugeln durchsiebt und verstümmelt in einem Lieferwagen.[8]

Zur Entscheidung des Weißen Hauses, den Patrioten Diệm zu opfern, soll beigetragen haben, dass er zuletzt direkten Kontakt zu Ho Chi Minh aufnehmen wollte, um die USA aus dem vietnamesischen Bürgerkrieg herauszudrängen.[9] Die amerikanische Führung drückte ihre Empörung über die Tötung Diệms aus, aber mittlerweile ist durch die Einsicht von Dokumenten klar geworden, dass sie die Putschisten in keiner Weise von der Hinrichtung Diệms abhalten wollten.

Diverse Quellen behaupten, dass Kennedy wenigstens einen Versuch unternommen haben soll, um Diệm zu retten. Demnach soll Kennedy einen engen Vertrauten nach Südvietnam gesandt haben, der bei einem Treffen mit Diệm vor möglichen Rebellen warnte und ihm empfahl sich in die sichere US-Botschaft zu begeben. Diệm war allerdings blind für die Vorgänge im eigenen Land und ignorierte daher diese Warnung.

Entgegen den Hoffnungen der US-Regierung konnte allerdings kein besserer Nachfolger gefunden werden. Nach Diệms Tod gab es im Land keine stabile Regierung mehr, die sich auf längere Zeit etablieren konnte.

Der amerikanische Vizepräsident Lyndon B. Johnson bezeichnete Diệm 1961 als Winston Churchill Südostasiens.

Einzelnachweise

  1. Bernard B. Fall: The Two Vietnams: A Political and Military Analysis Greenwood Publishing Group, Second Revised Edition 1967, ISBN 978-0-9991417-9-3 S. 235
  2. Peter Scholl-Latour: Der Tod im Reisfeld. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1979, ISBN 3-421-01927-4, S. 86-90
  3. Marc Frey: Geschichte des Vietnamkrieges. Beck, München 2000, ISBN 3-406-45978-1, S. 47
  4. Marc Frey: Geschichte des Vietnamkrieges. Beck, München 2000, ISBN 3-406-45978-1, S. 48
  5. Peter Scholl-Latour: Der Tod im Reisfeld. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1979, ISBN 3-421-01927-4, S. 87 f.
  6. Marc Frey: Geschichte des Vietnamkrieges. Beck, München 2000, ISBN 3-406-45978-1, S. 51
  7. Marc Frey: Geschichte des Vietnamkrieges. Beck, München 2000, ISBN 3-406-45978-1, S. 60
  8. Marc Frey: Geschichte des Vietnamkrieges. Beck, München 2000, ISBN 3-406-45978-1, S. 97 f.
  9. Peter Scholl-Latour: Der Tod im Reisfeld. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1979, ISBN 3-421-01927-4, S. 106

Literatur

Weblinks

 Commons: Ngô Đình Diệm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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