Niall Ferguson

Niall Ferguson
Niall Ferguson

Niall Ferguson (* 18. April 1964 in Glasgow) ist ein britischer Historiker und derzeit Laurence-A.-Tisch-Professor of History an der Harvard University. Er unterrichtete unter anderem auch am Jesus College der Universität Oxford und an der Universität Stanford. Ab Herbst 2010 unterrichtet er außerdem an der London School of Economics and Political Science als Philippe Roman Professor of International History.[1] Sein Hauptarbeitsgebiet ist der Imperialismus. Er gilt außerdem als ein Spezialist für Finanz- und Wirtschaftsgeschichte und für die Familiengeschichte der Rothschilds.

1998 sorgte er mit seinem Buch The Pity of war (dt. 2001: Der falsche Krieg) für Furore, in dem er die Ursachen für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs untersuchte. Dabei kam er zu dem Schluss, dass nicht, wie auch von vielen deutschen Historikern (etwa Wolfgang J. Mommsen) vermutet, Deutschland, sondern das Britische Empire für die Eskalation im Sommer 1914 hauptverantwortlich sei. Nach Ferguson forcierte der britische Außenminister Edward Grey die Spannungen. Hätte sich England aus dem Krieg herausgehalten, so wäre das Ergebnis nach Ferguson ein deutscher Sieg gewesen, aber auch ein prosperierendes Nachkriegs-Europa, in dem es zu Demokratisierung gekommen wäre, also faktisch zu einer Art „Europäischen Gemeinschaft“ unter deutscher Hegemonie, während England weiterhin ein intaktes Empire gewesen wäre. Nach Ferguson, der sich dabei der Methodik der Virtuellen Geschichte bedient (Ferguson gilt als einer ihrer Hauptbefürworter), hätte auch der Nationalsozialismus keinen Nährboden mehr gefunden, da er laut Ferguson nur eine direkte Folge des „Großen Krieges“ gewesen sei. Stattdessen sei durch den Kriegseintritt Großbritanniens der Krieg eskaliert – und doch sei das Ergebnis heute so, dass Deutschland die wirtschaftliche Vormacht in Europa ist. Ebenso bestreitet er, dass es einen deutschen Sonderweg gegeben habe.

In The Pity of War (dt. Der falsche Krieg) vertritt Ferguson, insbesondere in einem Unterkapitel „Im Felde unbesiegt?“, die These, dass bis zuletzt Deutschland den Krieg nicht hätte verlieren müssen. Es sei nicht die taktische Überlegenheit der Alliierten gewesen, die den Krieg beendet hätte, sondern die Krise der deutschen Moral, was nur teilweise der exogenen Kraft der alliierten Infanterie und Artillerie zugeschrieben werden könne.[2] Vielmehr wäre den Soldaten, schon im September 1918, nicht verborgen geblieben, dass der Chef der Obersten Heeresleitung Erich Ludendorff auf einen Waffenstillstand drängte - nach Ferguson eine „Überreaktion“ eines „müden und kranken“ Ludendorff auf das Scheitern seiner Offensiven. Der „Nervenzusammenbruch“ ihres Oberkommandierenden führte zum Zusammenbruch der Kampfmoral. Viele Thesen Fergusons sind allerdings umstritten.

Ferguson, der als politisch konservativ gilt, unterstützte in der Vergangenheit oft die Außenpolitik des US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush, wie etwa die Irakinvasion 2003; dazu vgl. auch Fergusons Colossus. The Rise and Fall of the American Empire (dt. 2004: Das verleugnete Imperium. Chancen und Risiken amerikanischer Macht), wo Ferguson für die Notwendigkeit eines globalen „Hegemons“ eintritt. Er trat ebenso für eine stärkere Kürzung der sozialen Mittel in den USA ein, da es ansonsten seiner Meinung nach zu ernsten finanzpolitischen Problemen kommen würde. Nachdem die Regierung Bush dies nicht in dem von Ferguson als notwendig erachteten Maße umsetzte, sprach er sich im Jahr 2004 gegen die Wiederwahl Bushs aus.

Seine letzte Buchveröffentlichung ist eine populärwissenschaftlich ausgerichtete Weltgeschichte der Finanzwirtschaft, die Bestsellerstatus erreichte. In seiner Kolumne in der Financial Times liefert sich der Historiker seit dem 30. April 2009 eine öffentliche Fehde mit Ökonomie-Nobelpreisträger Paul Krugman.[3] Ausgangspunkt war eine Kontroverse über die Wege aus der US-Haushaltskrise.

Werke (Auswahl)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. LSE Press Statement
  2. The Pity of War (1999), S. 313
  3. Süddeutsche Zeitung vom 26. August 2009: Schlammschlacht der Professoren

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Niall Ferguson — Born 18 April 1964 (1964 04 18) (age 47) …   Wikipedia

  • Niall Ferguson — Nacimiento 18 de abril de 1964 (47 años) Glasgow, Escocia,  Reino Unido N …   Wikipedia Español

  • Niall Ferguson — Niall Ferguson, né le 18 avril 1964 à Glasgow, est un historien britannique. Ses travaux portent sur l’histoire de l’économie et de la finance ainsi que sur l’histoire de l’Empire britannique. Il est réputé pour ses prises de position sur… …   Wikipédia en Français

  • Niall Ferguson — ➡ Ferguson (I) * * * …   Universalium

  • Niall — Pronunciation /ˈnaɪl/, sometimes /ˈniː.əl/ Gender Male Origin Word/Name Gaelic language Meaning …   Wikipedia

  • Niall — (Aussprache: ˈnaɪəl, niːl) ist ein im irisch gälischen und schottisch gälischen Sprachraum verbreiteter männlicher Vorname. Inhaltsverzeichnis 1 Bedeutung 2 Bekannte Namensträger …   Deutsch Wikipedia

  • Ferguson (Familienname) — Ferguson ist ein Familienname. Bekannte Namensträger Inhaltsverzeichnis A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z …   Deutsch Wikipedia

  • Ferguson (name) — Family name name = Ferguson imagesize= caption= pronunciation = meaning = son of Fergus region = Scotland origin = related names = footnotes = Ferguson is a Scottish origin patronymic surname, meaning son of Fergus . The prefix, Fergus means man… …   Wikipedia

  • Neil Ferguson — may refer to: Neil Ferguson, musician with British band Chumbawamba Neil Ferguson (footballer) (born 1945), former Australian rules footballer See also Niall Ferguson, British historian This disambiguation page lists articles associated with the… …   Wikipedia

  • Global Foreclosure — Niall Ferguson’s term for the potential boom in distressed assets and bankrupt companies. In a detailed and downbeat interview with Canada’s Globe and Mail, the economic historian gave a gloomy prediction for the world economy: This is going to… …   Dictionary of unconsidered lexicographical trifles

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”