Paul Krugman

Paul Krugman
Paul Krugman (2008)

Paul Robin Krugman [ˈkɹuːɡmən] (* 28. Februar 1953 in Albany, New York) ist ein US-amerikanischer Professor für Volkswirtschaftslehre an der Princeton University, Centenary Professor an der London School of Economics, Sachbuchautor und Träger des Wirtschaftsnobelpreises 2008. Er ist Begründer der Neuen Ökonomischen Geographie. In den Vereinigten Staaten ist er besonders durch seine wöchentlichen Kolumnen in der New York Times über Fachkreise hinaus bekannt geworden.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Krugman wuchs auf Long Island in einer amerikanischen Mittelschichtfamilie auf. Sein Vater war Versicherungsmanager, sein Großvater ein jüdischer Einwanderer aus Weißrussland. Nach der High School studierte er Volkswirtschaftslehre und erwarb 1974 einen Bachelor of Arts an der Yale University. Im Jahre 1977 schloss er seine Doktorarbeit am Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit einer Arbeit über flexible Wechselkurse ab. Im September 1977 wurde er Assistenzprofessor an der renommierten Yale University. Ab 1979 arbeitete er dann zusätzlich als Gast-Assistenzprofessor auch am MIT. 1980 wechselte er als Associate Professor ans MIT. Gleichzeitig gehörte er von September 1982 bis August 1983 zusätzlich als Berater für volkswirtschaftliche Fragen dem Rat der Wirtschaftsberater der Regierung unter Präsident Ronald Reagan an. Rückblickend betonte er, dass seine kritischen Argumente gegenüber den politischen Entscheidungen während dieser Zeit nur wenig Gehör fanden. 1984 stieg er am MIT zum ordentlichen Professor auf. 1994 wechselte er vorübergehend an die Stanford University, kehrte jedoch 1996 ans MIT zurück. Seit Juli 2000 ist er Professor in Princeton[1], außerdem lehrt er als Centenary Professor regelmäßig an der London School of Economics.[2]

Krugman ist mit der Princeton-Professorin Robin Wells verheiratet. Zusammen mit seiner Frau veröffentlichte Krugman 2005 Economics, ein Lehrbuch über Mikro- und Makroökonomie.

Wirtschaftspolitische Standpunkte

Krugman bezeichnet sich selbst als "free-market Keynesian" (Keynesianer und Befürworter Freier Märkte). Er möge freie Märkte, befürworte aber gleichzeitig Staatseingriffe, um Marktversagen zu korrigieren und Stabilität zu bieten. Einzelne seiner marktfreundlichen Kommentare hätten die Politische Linke erzürnt und seien Milton Friedman und Margaret Thatcher gegenüber freundlich gewesen.[3]

Mit dem Essay „Who Was Milton Friedman?[4], das sich kritisch mit dem wissenschaftlichen Erbe Friedmans auseinandersetzt, stieß Krugman Anfang 2007 eine lebhafte Debatte an.[5]

2007 veröffentlichte Krugman Conscience of a Liberal, das sich mit der Geschichte der Einkommensverteilung und Vermögensverteilung in den USA des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt, worüber Emmanuel Saez und Thomas Piketty intensiv geforscht haben. Krugman argumentiert dafür, dass anders als vielfach angenommen, die seit den 1980er entstandene Vermögens- und Einkommensungleichheit großteils aus politischen Entscheidungen (insbesondere Besteuerung ergebe (Reagan hatte 1981 den langjährig sehr hohen Spitzensteuersatz auf 28% reduziert.) Krugman unterscheidet hier 4 Phasen:

  1. The Long Gilded Age
  2. The Great Compression
  3. Middle class America
  4. The great Divergence

Die 1. Phase ist von einer großen Einkommens- und Vermögensungleichheit geprägt. Die 2. Phase, beginnend mit dem New Deal führt zur bisher größten Angleichung von Einkommen und Vermögen in den USA, die zur 3. Phase beiträgt. Die 4. Phase habe seit der 1980er Jahre bis zum heutigen Tag zu einer noch größeren Einkommens- und Vermögensungleichheit geführt als Anfang des 20. Jahrhundert.[6]

In der aktuellen Auseinandersetzung um die wirtschaftspolitische Bewältigung der Wirtschaftskrise wirft Krugman den vorherrschenden ökonomischen Modellen vor, keine adäquate Antwort auf die aktuellen Problem zu haben, da die Modelle zu starke Annahmen bezüglich der Rationalität der Akteure hätten.[7] Krugman befürwortet zwar grundsätzlich die Verwendung von volkswirtschaftlichen Modellen, da sie die Möglichkeiten der Einsichten deutlich vergrößern. Auch hat Krugman kein Verständnis für Menschen, die unrealistische Annahmen von Modellen kritisieren, und es ihrerseits vermeiden, ihre eigenen Annahmen präzise zu definieren. Laut Krugman sind Modelle Metaphern, aber nicht die Wahrheit.[8] Er warnt aber davor, Formalisierung und Mathematisierung zu einem Selbstzweck zu machen. Modelle müssten auf einer realistischen Beschreibung menschlichen Verhaltens basieren; so sollten Modelle z. B. berücksichtigen, dass Menschen nicht nur rational agieren. Paul A. Samuelsons 1948 veröffentlichtes Lehrbuch Economics passe besser auf die aktuelle Wirtschaftskrise als viele moderne Studien.[9]

In seiner 1998 erschienenen Essay-Sammlung The Accidental Theorist kritisierte Krugman Aspekte einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik und den Goldstandard, befürwortet jedoch auch Niedriglöhne in Entwicklungsländern und kritisierte bestimmte staatliche Eingriffe in den Arbeitsmarkt.[10]

In der Euro-Krise kritisiert Krugman eine an deutsche Austeritätspolitik gebundene Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und spricht sich dagegen für eine anti-zyklische Finanzpolitik aus.[11]

Rezeption

Manchmal wird Krugman offene Parteilichkeit vorgeworfen[12], andere Kommentatoren hingegen sehen Krugman als "ideologisch farbenblind" an.[13] Irwin L. Collier schreibt über Krugman in einem Nachwort zu einem seiner Bücher, dass er durch die Kolumnen, die er seit 2000 für die New York Times verfasst, zum bekanntesten Intellektuellen der USA wurde und für George W. Bush zum "bedrohlichsten politischen Bösewicht". Auch wenn viele seinen Stil als zu schrill ansehen würden und die Attacken auf Bush an der Grenze zur "Majestätsbeleidigung" seien, habe Krugman sich aufgrund seiner Fähigkeit, auch Laien wirtschaftliche Zusammenhänge begreiflich zu machen, viele treue Leser gewinnen können.[14]

Auszeichnungen und Preise

Für seine Forschungen und Arbeiten wurde er 1991 mit der John-Bates-Clarke-Medaille als bester Nachwuchswissenschaftler ausgezeichnet. Ein Jahr später ließ sich Bill Clinton in seiner Zeit als Präsidentschaftskandidat von Krugman beraten, verschaffte ihm jedoch nach der Wahl keinen Posten im Weißen Haus. So baute Krugman seine Nebentätigkeit als Sachbuchautor und Kolumnist von Publikums- und Spartenzeitschriften aus. Neben regelmäßigen Artikeln für Nachrichtenmagazine wie Fortune, Foreign Affairs und Slate schrieb er einige Bücher für ein breiteres Publikum, in denen er besonders die Arbeit der Wirtschaftsexperten im Clinton-Kabinett kritisierte.

Das Münchner Center for Economic Studies ehrte Krugman 1997 als „Distinguished CES Fellow“. Im Jahre 1998 verlieh ihm die Freie Universität Berlin die Ehrendoktorwürde. Zwei Jahre später wurde ihm in Nürnberg der Horst-Recktenwald-Preis für Nationalökonomie zuerkannt.

Für seine Leistungen als Wirtschaftswissenschaftler erhielt er 2004 den Prinz-von-Asturien-Preis.[15]

Den Wirtschaftsnobelpreis 2008 erhielt er insbesondere für seine „Analyse von Handelsstrukturen und Standorten ökonomischer Aktivität“.[16] Das Gebiet wird der New Trade Theory und der Neuen Ökonomischen Geographie zugeordnet. Die Annahmen der „alten“ Außenhandelstheorie (Ricardos komparativer Kostenvorteil; Heckscher-Ohlin-Theorem) werden hierbei durch solche ersetzt, die der historischen Realität besser angepasst sind; dadurch werden Erklärungen möglich, wieso entgegen den Voraussagen der älteren Theorie der freie Handel nicht zu einem weltwirtschaftlichen Gleichgewicht geführt hat, sondern dass regionale Disparitäten und Agglomerationseffekte (Zentrum/Peripherie) entstehen können, wenn etwa Bedingungen berücksichtigt werden wie geänderte Produktionsfunktionen, die Transportkosten, die Marktstrukturen und bestimmte außenhandelspolitische Strategien.[17]

2010 erhielt Paul Krugman vom Kieler Institut für Weltwirtschaft den Weltwirtschaftlichen Preis.

Werke (auf Deutsch)

Weblinks

 Commons: Paul Krugman – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikiquote: Paul Krugman – Zitate (Englisch)

Einzelnachweise

  1. Lebenslauf (englisch) auf der Unofficial Paul Krugman Web Page.
  2. Biografie (englisch) auf Krugman-Website des Norton-Verlages.
  3. MY CONNECTION WITH ENRON, ONE MORE TIME.
  4. Paul Krugman: Who Was Milton Friedman?, The New York Times Book Review, Vol. 54, No. 2, 15. Februar 2007
  5. Vgl. auch Bericht im Handelsblatt vom 26. November 2007
  6. Vgl. auch http://krugman.blogs.nytimes.com/2007/09/18/introducing-this-blog/
  7. Paul Krugman: How Did Economists Get It So Wrong? The New York Times, 2. September 2009.
  8. Homepage Paul Krugman: How I work.
  9. Nobelpreisträger Krugman will alte VWL-Weisheiten „beerdigen“. Handelsblatt, 11. Januar 2010.
  10. Krugman, Paul (1999): The Accidental Theorist. W. W. Norton & Company.
  11. „Axel Weber wäre ein Risiko für den Euro“ Handelsblatt, Interview durch Thomas Hanke und Torsten Riecke, 21. Juni 2010.
  12. Klein, D. & Barlett, H. (2008): Left Out: A Critique of Paul Krugman Based on a Comprehensive Account of His New York Times Columns, 1997 through 2006. Econ Journal Watch, Vol. 5, Nr. 1, S. 109-133
  13. Hirsch, M. (1996): Paul Krugman. The Great Debunker. Newsweek.
  14. I. Collier "Nachwort", in: P. Krugman: Die neue Weltwirtschaftskrise, 2009.
  15. Fundacion Principe de Asturias: Laudatio
  16. http://nobelprize.org/nobel_prizes/economics/laureates/2008/, 13. Oktober 2008
  17. Aditya Bhattacharjea: Krugman’s Economics: An Introduction dec. 6, 2008 EPW Economic and Political Weekly

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