Nicola Antonio Porpora

Nicola Antonio Porpora
Nicola Porpora

Nicola Antonio Porpora (* 17. August 1686 in Neapel; † 3. März 1768 ebd.) war italienischer Komponist und Gesangslehrer. Er war bekannt für sein Virtuosentum in der italienischen Arie.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Anfänge in Italien

Vom 8. September 1696 bis 1706 besuchte Porpora das Conservatorio dei Poveri di Gesù Cristo in Neapel als Schüler von Gaetano Greco und Ottavio Campanile und trat anschließend als Kapellmeister in die Dienste des Prinzen Philipp von Hessen-Darmstadt, des Kommandanten der kaiserlichen Truppen in Neapel. Als Opernkomponist debütierte er mit Agrippina, die am 4. November 1708 im königlichen Palast in Neapel aufgeführt und am 9. November im Teatro San Bartolomeo wiederholt wurde.

Im Juli 1715 begann Porpora am Conservatorio San Onofrio (Neapel) seine Tätigkeit als Gesangslehrer, aus der so berühmte Schüler wie die Kastraten Antonio Uberti (der sich zu Ehren seines Lehrers Porporino nannte), Farinelli (Carlo Broschi) und Caffarelli (Gaetano Majorano) hervorgingen. Am 28. August 1720 präsentierte er Farinelli erstmals in einer privaten Aufführung der Serenade Angelica e Medoro (Text von Pietro Metastasio, der damit als Librettist debütierte) im Haus des Principe della Toretta. Sein öffentliches Debüt gab Farinelli im Karneval 1721 am römischen Teatro Alibert in der Oper Eumene von Porpora. Der sensationelle Erfolg seines Meisterschülers gab auch Porporas Karriere starken Auftrieb. 1722 legte er sein Amt am Conservatorio San Onofrio nieder, um sich in den nächsten drei Jahren ganz der Förderung von Farinellis Sängerlaufbahn widmen zu können. Erst 1725 trat er als Leiter des Ospedale degli Incurabili in Venedig wieder eine offizielle Stellung an. Sein bis daher eher sporadisches Opernschaffen mündete nun in eine lange Reihe in rascher Folge entstandener Werke mit vielen Arien speziell für Kastratenstimmen, die an allen wichtigen Bühnen Italiens aufgeführt wurden. In diesen Jahren wetteiferte Porpora mit Leonardo Vinci um den Rang als populärster Opernkomponist Italiens. Vinci hatte Pietro Metastasio auf seiner Seite, der schnell zum gefragtesten Operndichter aufgestiegen war und seine begehrten Libretti meistens ihm, den er als Musiker besonders schätzte, zur Erstvertonung anvertraute. Porpora dagegen standen meist die berühmteren Sänger zur Verfügung, von denen ihm viele als ehemalige Schüler verbunden waren. Die Rivalität zwischen beiden Komponisten fand erst mit Vincis plötzlichem Tod (es hieß, er sei infolge einer Liebesaffäre mit einer Tasse vergifteter heißer Schokolade ermordet worden) im Mai 1730 ein Ende.

London und die "Opera of the Nobility"

1733 folgte Porpora einer Einladung nach London, um die künstlerische Leitung der neu gegründeten und vom Prince of Wales protegierten "Opera of the Nobility" zu übernehmen, die mit dem von König Georg II. unterstützten Opernunternehmen Georg Friedrich Händels konkurrierte. Gleich mit seinem ersten Werk für dieses Unternehmen gelang Porpora ein geschickter Schachzug. Nachdem bekannt geworden war, dass Händels für die kommende Spielzeit geplante Oper Arianna in Creta auf der Bearbeitung eines Librettos von Pietro Pariati (Arianna e Teseo) basierte, das Porpora früher selbst bereits vertont hatte, dichtete Paolo Antonio Rolli sogleich eine Fortsetzung. Die neue Oper Arianna in Nasso eröffnete am 29. Dezember 1733 die Saison am Lincoln's Inn Fields Theatre, vier Wochen bevor Händel am 26. Januar 1734 am Haymarket Theatre seine Ariadne präsentieren konnte.

Für die nächste Saison pachtete die "Opera of the Nobility" das Haymarket Theatre; Händel und sein Personal mussten nach Covent Garden übersiedeln. Als zusätzlichen Publikumsmagneten holte man Farinelli nach London, der im Karneval 1734 noch in Italien engagiert gewesen war. Die neue Spielzeit wurde am 29. Oktober 1734 mit Artaserse von Johann Adolf Hasse eröffnet (dass Hasse selbst zur Einstudierung in London anwesend war, wird oft behauptet, ist aber nicht erwiesen). Die Uraufführung dieser Oper hatte bereits im Karneval 1730 in Venedig stattgefunden, ebenfalls mit Farinelli in der Rolle des Arbace. Die mit einer Reihe von Einlagearien aus der Feder von Porpora, Attilio Ariosti und Farinellis Bruder Riccardo Broschi zum Pasticcio erweiterte Fassung war ein spektakulärer Erfolg und verschaffte der Adelsoper solchen Zulauf, dass Händels Personal in der Folge mehrmals vor fast leerem Haus spielen musste. Immerhin gelang es Händel, sich für die nächste Saison die Mitwirkung der berühmten Balletttruppe von Marie Sallé zu sichern, die in London gastierte. Mit Ariodante (8. Januar 1735) und Alcina (16. April 1735) schuf er zwei seiner Meisterwerke, die sich wegen ihrer aufwendigen Chor- und Ballettauftritte auch an szenischer Attraktivität mit den Kassenschlagern der Konkurrenz messen konnten. Porpora setzte dagegen mit Polifemo, pünktlich zum Jahresbeginn am 1. Januar 1735, weiterhin ganz auf die Virtuosität seiner Gesangsstars.

Rückkehr nach Italien

Das gegenseitige Wettrüsten der Londoner Opernhäuser führte trotz guter Einnahmen (die größtenteils in die Gagen der Sänger investiert werden mussten) bald zur Erschöpfung der finanziellen Ressourcen. Als die beiden rivalisierenden Unternehmen sich nach vier Spielzeiten gegenseitig in den Ruin getrieben hatten, verließ Porpora London und versuchte sich mit seinem Oratorium Gedeone am kaiserlichen Hof in Wien zu empfehlen. Das Werk scheint jedoch keinen besonderen Anklang gefunden zu haben, und die erhoffte Anstellung blieb aus. Porpora kehrte nach Neapel zurück, wo er sogleich wieder Anschluss an das öffentliche Musikleben fand und die Reihe seiner Opern fortsetzen konnte. Besonders die Uraufführung der revidierten Fassung von Semiramide riconosciuta am 20. Januar 1739 im Teatro San Carlo wurde, auch dank der Mitwirkung von Caffarelli, zum Triumph. Im selben Jahr wurde Porpora Erster Lehrer am Conservatorio di Santa Maria di Loreto. 1742 begab er sich zur Aufführung seiner Oper Statira nach Venedig und wurde dort Chorleiter am Ospedale della Pietà und am Conservatorio dell'Ospedaletto.

Zwischenspiel in Dresden

Nachdem Porpora sich nach dem Tod von Leonardo Leo 1744 erfolglos um dessen Nachfolge als Königlicher Kapellmeister in Neapel beworben hatte, verließ er im Jahr darauf Italien und reiste im Gefolge des venezianischen Botschafters Correr über Wien nach Dresden. Zwischen ihm und dem seit 1731 als Königlich Polnischer und kurfürstlich Sächsischer Kapellmeister dienstlich mit Dresden verbundenen Johann Adolf Hasse entwickelte sich bald eine ernste Rivalität. Mit der Ernennung zum Gesangslehrer der Prinzessin Maria Antonia Walpurgis von Bayern (Dekret vom 1. Februar 1748) und der Ernennung zum Kapellmeister (13. April 1748) war Porpora praktisch Hasse gleichgestellt. Zu den Kompetenzstreitigkeiten kam noch hinzu, dass Porporas Schülerin Regina Mingotti für die amtierende Primadonna Faustina Bordoni (Hasses Gemahlin) zu einer ernsthaften Konkurrentin in der Gunst des Publikums avancierte. Hasses zunehmend schwankende Position wurde wieder gefestigt, als er am 7. Januar 1749 den offiziellen Titel eines Oberkapellmeisters erhielt, was Porpora anscheinend als persönliche Zurücksetzung empfand.

Letzte Jahre

Zu Anfang des Jahres 1752 verließ Porpora das für ihn immer unerfreulicher gewordene Dresden und ließ sich als Gesangslehrer in Wien nieder, wo er im Michaelerhaus neben der Michaelerkirche wohnte, in dem auch Metastasio eine Wohnung besaß. Um die Mitte der 1750er Jahre beschäftigte er den jungen Joseph Haydn als seinen Kammerdiener. Gegen Unterricht, freie Kost und Logis hatte Haydn unter anderem Porporas Gesangsschüler am Klavier zu begleiten. Da er in Wien keine Opernaufträge erhielt, suchte Porpora sich mit der Druckveröffentlichung von 12 Sonaten für Violine und Bass (1754) als Komponist in Erinnerung zu bringen. Die gemessen am damaligen Stand der Instrumentalkomposition bereits altmodischen Werke fanden jedoch nur geringe Resonanz.

1760 kehrte Porpora nach Neapel zurück, wo er am 10. April dieses Jahres die Stelle als Maestro di cappella am Conservatorio di Santa Maria di Loreto antrat. Zugleich erhielt er den Auftrag, das beliebte Libretto Il trionfo di Camilla von Silvio Stampiglia für das Teatro San Carlo neu zu vertonen, einen Text, den er zwanzig Jahre früher für dieselbe Bühne schon einmal komponiert hatte. Die Premiere dieser Neuauflage am 30. Mai 1760 war ein einhelliger Misserfolg, der ihn veranlasste, sich als Opernkomponist endgültig zurückzuziehen. Am 1. Mai 1761 trat er aus unbekannten Gründen von seinem Amt am Konservatorium zurück. Über seine restlichen Lebensjahre gibt es kaum zuverlässige Nachrichten; Metastasio berichtet in einem Brief an Farinelli, Porpora sei arm und vereinsamt in Neapel gestorben.

Bedeutung

Nicola Porpora galt zu Lebzeiten als bester Gesangslehrer Italiens (und damit Europas) und als unvergleichlicher Kenner der menschlichen Stimme. Seine Unterrichtsmethoden zielten in damals neuartiger Weise auf die Entwicklung der individuellen Fähigkeiten jedes Schülers bis zur perfekten Beherrschung des Stimminstrumentes. Die Bildung eines makellos reinen Tones und die Fähigkeit, jede theoretisch mögliche technische Schwierigkeit mühelos zu meistern, galten als Voraussetzung für die musikalische Interpretation. Auch spätere Musikgeschichtsschreiber führten die Blütezeit der italienischen Gesangskultur im 18. Jahrhundert in erster Linie auf Porporas Wirken zurück.

Als Komponist zählt Porpora zu den Hauptvertretern der Opera seria, der damals in ganz Europa (mit Ausnahme Frankreichs, das noch seine eigene von Jean-Baptiste Lully begründete Tradition bewahrte) vorherrschenden Opernform. Kennzeichnend für diesen Operntypus ist die Trennung von Rezitativen, in denen die Handlung voranschreitet, und geschlossenen Musiknummern, fast ausschließlich Arien, in denen die Figuren des Dramas ihre Gefühle mit den Mitteln des virtuosen Gesangs zum Ausdruck bringen. Das musikalische Erscheinungsbild wird damit vom solistischen Gesang dominiert. Die besungenen Gefühle ("Affekte") waren ähnlich standardisiert wie ihre musikalische Darstellung. Porporas Spezialität war dabei die Aria di bravura, die er auf den Höhepunkt ihrer Entwicklung führte. Der Gesangspart wird in den Stücken dieser Art zum virtuosen Parcours für die Stimme, die durch eine häufig auffallend reiche Orchesterbesetzung mit starker Bläserbeteiligung (Porpora verwendet mit Vorliebe Trompeten und Jagdhörner) noch hervorgehoben wird. In der zärtlichen Empfindungen vorbehaltenen Aria cantabile pflegte er dagegen eine graziöse Melodik mit volkstümlichen Anklängen, wie sie für das frühe italienische Rokoko typisch ist. Dass Porpora die musikalische Umsetzung der eigentlichen Handlung auf die Rezitative beschränkte, die er sehr sorgfältig mit genauer Beachtung der Wortakzente vertonte, und sich in den Arien oft auf rein musikalische Effekte konzentrierte, wurde ihm später häufig zum Vorwurf gemacht, entspricht aber weitgehend der Ästhetik der Opera seria.

Werke (Auswahl)

Vokalmusik

Opern

(in Klammern Librettist, Ort und Jahr der Uraufführung)

  • Agrippina (N. Giuvo; Neapel 1708)
  • Arianna e Teseo (Pietro Pariati; Wien 1714)
  • Eumene (Apostolo Zeno; Rom 1721)
  • Adelaide (Antonio Salvi; Rom 1723)
  • Siface (Pietro Metastasio; Mailand 1725)
  • Semiramide riconosciuta (Metastasio; Venedig 1729, Neufassung Neapel 1739)
  • Mitridate (Filippo Vanstryp; Rom 1730)
  • Germanico in Germania (N. Coluzzi; Rom 1732)
  • Arianna in Nasso (Paolo Antonio Rolli; London 1733)
  • Polifemo (Rolli; London 1735)
  • Carlo il Calvo (anonym; Rom 1738)
  • Il trionfo di Camilla (Silvio Stampiglia; Neapel 1740, Neufassung Neapel 1760)
  • Statira (Francesco Silvani; Venedig 1742)
  • Filandro (Vincenzo Cassani; Dresden 1747)

Serenaden

Oratorien

  • Davide e Bersabea (Rolli; London 1734)
  • Gedeone (anonym; Wien 1737)

Instrumentalmusik

  • 6 Sinfonie da camera op.2 (gedruckt London 1736)
  • 12 Sonaten für Violine und Bass op.12
  • 12 Triosonaten für 2 Violinen und Bass (gedruckt Wien 1754)
  • Sonaten für Cello und Bass
  • Konzert für Violoncello und Streicher

Literatur

  • Franz Haböck: Die Gesangskunst der Kastraten. Universal-edition a. g., Wien 1923
  • Franz Haböck: Die Kastraten und ihre Gesangskunst, eine gesangsphysiologische kultur- und musikhistorische Studie. 1. Ausg., Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1927
  • Richard Somerset-Ward: Angels & monsters: male and female sopranos in the story of opera, 1600 - 1900, Yale Univ. Press, 2004
  • Hubert Ortkemper: Engel wider Willen. Die Welt der Kastraten. Eine andere Operngeschichte, Berlin 1993
  • Cecilia Bartoli: Sacrificium, (Doppel CD und Buch), Decca Records 2009. (Die Mezzosopranistin Cecilia Bartoli erinnert mit ihrem Album an das Leid und an die Kunst der Kastratensänger des 18. Jahrhunderts).

Weblinks

Porpora-Projekt, Englischsprachige Webseite mit ausführlichem Lebenslauf und Werkeverzeichnis

Einspielungen (Auswahl)

  • Angelica e Medoro ist unter dem Titel "Orlando" von Juan Bautista Otero mit Robert Expert (Orlando), Betsabée Haas (Angelica) und Olga Pitarch (Medoro) und der Real Compania Opera da Camera eingespielt worden (Label: K 617 - K617177)
  • Sonaten für Violine und Bc op. 12, mit Anton Steck Violine und Christian Rieger Cembalo (Label: MDG - 3585344)



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