Nikolaj Mjaskowski

Nikolaj Mjaskowski
Nikolai Mjaskowski (1912)

Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski (auch: Nikolaj J. Mjaskovskij; russisch Николай Яковлевич Мясковский; * 8.jul./ 20. April 1881greg. in Nowogeorgiewsk bei Warschau; † 8. August 1950 in Moskau) war ein russischer Komponist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Mjaskowski, der Sohn eines bei Warschau stationierten russischen Militäringenieurs, sollte zunächst trotz seines offenkundigen musikalischen Talentes nach dem Willen seines Vaters eine Militärlaufbahn einschlagen. Von 1893 bis 1895 besuchte er die Kadettenschule in Nischni Nowgorod und anschließend bis 1899 die Kadettenschule in Sankt Petersburg. Gleichzeitig erhielt er von seiner Tante, einer Sängerin, ersten Musikunterricht. Von 1899 bis 1902 besuchte er die Sankt Petersburger Akademie für militärisches Ingenieurwesen. Anschließend wurde er nach Moskau versetzt und war beim Militär als Offizier tätig.

Unterdessen hatte Mjaskowski erste Kompositionsversuche unternommen und nahm 1902/03 Privatstunden bei Reinhold Glière. Auch nachdem er wieder nach Sankt Petersburg zurückgekehrt war, setzte er seinen Unterricht fort und trat 1906 schließlich ins Konservatorium ein, wo er unter anderem bei Nikolaj Rimski-Korsakow und Anatoli Ljadow studierte. Hier machte er mit dem jungen Sergei Prokofjew Bekanntschaft, woraus sich eine lebenslange Freundschaft entwickelte. 1907 reichte er seinen Abschied aus der Armee ein und wurde im folgenden Jahr Reservist. Nach Abschluss der Studien im Jahre 1911 schrieb Mjaskowski Artikel für eine Musikzeitschrift und gab Privatstunden.

1914 wurde er als Pionieroffizier in den Ersten Weltkrieg einberufen und gab seine Tätigkeiten als Musikrezensent und -lehrer auf. Im Kriegsverlauf wurde Mjaskowski schwer verwundet, daraufhin 1917 zunächst nach Reval (Tallinn) versetzt und später wegen einer Kriegsneurose nach Sankt Petersburg zurückgeschickt. Nach der Oktoberrevolution trat er in die Rote Armee ein und reichte erst 1921 seinen Abschied ein.

1918 zog Mjaskowski nach Moskau und beteiligte sich aktiv an der Neugestaltung des Musiklebens. Im Jahre 1921 wurde er Professor für Komposition am Moskauer Konservatorium (bis 1950). Außerdem war er 1923 an der Gründung der Assoziation für zeitgenössische Musik beteiligt, aus der er allerdings trat er Anfang der 1930er Jahre wieder austrat. Mjaskowski trat dem sowjetischen Komponistenverband bei und war er seit 1922 im Staatsverlag für Musik tätig. Zudem wirkte er als stellvertretender Leiter des Volksbildungskommissariats und seit 1940 als Redakteur der Zeitschrift "Sowjetskaja Musyka". Aus seiner Kompositionsklasse gingen namhafte Komponisten wie Aram Chatschaturjan, Dmitri Kabalewski und Andrei Eschpai hervor.

Mjaskowski gehörte 1948 zu den im Beschluss des ZK der KPdSU als "Formalisten" kritisierten Komponisten, wurde allerdings bald darauf wieder rehabilitiert. Er war sechsfacher Stalinpreisträger und Doktor der Kulturwissenschaften.

Tonsprache

Mjaskowski ist einer der meistbeachteten Komponisten der ersten Jahrzehnte der Sowjetunion und eine wichtige Persönlichkeit der russischen Musikgeschichte. Sein Schaffen kann in drei Perioden unterteilt werden (abgesehen von seinem nicht mit Opuszahlen versehenen Frühwerk). Die erste Periode umfasst die Kompositionen vor dem ersten Weltkrieg. Charakteristisch ist hier der Einfluss Tschaikowskis und Rachmaninows wie auch eine ausgeprägte Chromatik. Alle größeren Werke dieser Periode weisen einen tragischen Tonfall auf und tragen nach Mjaskowskis eigenen Aussage den "Stempel des tiefen Pessimismus". In einigen Kompositionen ist der Einfluss des Symbolismus erkennbar.

Nach dem Krieg hellte sich seine Tonsprache zunächst deutlich auf. In dieser zweiten Periode zeigte sich Mjaskowski besonders an Experimenten interessiert und forcierte die chromatische und harmonische Komplexität seiner Musik. Anregungen fand er unter anderem durch moderne europäische Tendenzen (Kompositionen wie Ravels "La valse"); impressionistische und expressionistische Einflüsse sind deutlich erkennbar. Daneben griff Mjaskowski aber auch auf russische Folklore zurück, welche er aber Verfremdungseffekten unterzog. Viele Passagen weisen bitonale Wendungen auf; mitunter wird die Grenze zur Atonalität gestreift.

Etwa ab 1932 änderte sich Mjaskowskis Stil grundlegend. In dieser Periode ging er deutlich auf die Forderungen des "Sozialistischen Realismus" ein und orientierte sich bis zu einem gewissen Grade an der russischen Nationalromantik des 19. Jahrhunderts. Die Melodik ist zum Teil ausgesprochen volkstümlich (etwa in der 18. Sinfonie) bis hin zu einfacher Diatonik. In einigen Werken greift Mjaskowski politische Ereignisse (wie die Kollektivierung der Landwirtschaft in der 12. Sinfonie) auf. In den 1940er Jahren wurde seine Tonsprache wieder dunkler und melancholischer.. Insgesamt ist sein Spätstil recht traditionell; die Harmonik ist nicht entfernt so scharf wie in der mittleren Periode, die Tonalität wird bekräftigt.

Mjaskowskis Musik geht von einer akademischen Grundhaltung aus, die vor allem die Bedeutung des kompositorischen Handwerks betont und der Tradition großes Gewicht einräumt. In manchen Werken wird ihm in diesem Zusammenhang ein Mangel an Inspiration zum Vorwurf gemacht. Seine Musik ist oft eher introviertiert gehalten, von Nachdenklichkeit und Melancholie geprägt und verzichtet auf publikumswirksame Effekte. Seine bevorzugten Formen waren Sinfonie und Streichquartett. Sein heute bekanntestes Werk ist die Sechste Sinfonie, ein groß angelegtes, episches Werk, das eine Reaktion auf die Oktoberrevolution und den russischen Bürgerkrieg darstellt.

Werke

  • Orchesterwerke
    • Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 3 (1908, rev. 1921)
    • Sinfonie Nr. 2 cis-Moll op. 11 (1910/11)
    • Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 15 (1914)
    • Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 17 (1917/18)
    • Sinfonie Nr. 5 D-Dur op. 18 (1918)
    • Sinfonie Nr. 6 es-Moll op. 23 mit Schlusschor ad libitum (1921-23, rev. 1947)
    • Sinfonie Nr. 7 h-Moll op. 24 (1922)
    • Sinfonie Nr. 8 A-Dur op. 26 (1924/25)
    • Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 28 (1926/27)
    • Sinfonie Nr. 10 f-Moll op. 30 (1926/27)
    • Sinfonie Nr. 11 b-Moll op. 34 (1931/32)
    • Sinfonie Nr. 12 g-Moll op. 35 (1931/32)
    • Sinfonie Nr. 13 b-Moll op. 36 (1933)
    • Sinfonie Nr. 14 C-Dur op. 37 (1933)
    • Sinfonie Nr. 15 d-Moll op. 38 (1933/34)
    • Sinfonie Nr. 16 F-Dur op. 39 (1933/34)
    • Sinfonie Nr. 17 gis-Moll op. 41 (1936/37)
    • Sinfonie Nr. 18 C-Dur op. 42 (1937)
    • Sinfonie Nr. 19 Es-Dur op. 46 für Blasorchester (1939)
    • Sinfonie Nr. 20 E-Dur op. 50 (1940)
    • Sinfonie Nr. 21 fis-Moll op. 51 (1940)
    • Sinfonie Nr. 22 h-Moll op. 54 (1941)
    • Sinfonie Nr. 23 a-Moll op. 56 "Sinfonische Suite" (1941)
    • Sinfonie Nr. 24 f-Moll op. 63 (1943)
    • Sinfonie Nr. 25 Des-Dur op. 69 (1946, rev. 1949)
    • Sinfonie Nr. 26 C-Dur op. 79 (1948)
    • Sinfonie Nr. 27 c-Moll op. 85 (1949)
    • Sinfonietta A-Dur op. 10 (1910/11, rev. 1943)
    • Sinfonietta h-Moll op. 32/2 für Streichorchester (1929)
    • Sinfonietta a-Moll op. 68 für Streichorchester (1945/46)
    • Serenade Es-Dur op. 32/1 (1929)
    • "Das Schweigen" op. 9, sinfonische Dichtung (1909/10)
    • "Alastor" op. 14, sinfonische Dichtung (1912/13)
    • Ouvertüren
    • Märsche für Blasorchester
    • "Lyrisches Concertino" für Flöte, Klarinette, Horn, Fagott, Harfe und Streichorchester G-Dur op. 32/3 (1929)
    • Violinkonzert d-Moll op. 44 (1938, rev. 1939)
    • Violoncellokonzert c-Moll op. 66 (1944)
  • Vokalwerke
    • "Kirow lebt!", Kantate op. 61 (1942/43)
    • "Der Kreml bei Nacht", Kantate op. 75 (1947)
    • Lieder und Liedzyklen für Singstimme und Klavier
    • Massenlieder
  • Kammermusik
    • Streichquartett Nr. 1 a-Moll op. 33/1 (1930)
    • Streichquartett Nr. 2 c-Moll op. 33/2 (1930)
    • Streichquartett Nr. 3 d-Moll op. 33/3 (1910, rev. 1930)
    • Streichquartett Nr. 4 f-Moll op. 33/4 (1909/10, rev. 1937)
    • Streichquartett Nr. 5 e-Moll op. 47 (1938/39)
    • Streichquartett Nr. 6 g-Moll op. 49 (1939/40)
    • Streichquartett Nr. 7 F-Dur op. 55 (1941)
    • Streichquartett Nr. 8 fis-Moll op. 59 (1942)
    • Streichquartett Nr. 9 d-Moll op. 62 (1943)
    • Streichquartett Nr. 10 F-Dur op. 67/1 "Nach alten Skizzen" (1907, rev. 1945)
    • Streichquartett Nr. 11 Es-Dur op. 67/2 "Erinnerungen" (1945)
    • Streichquartett Nr. 12 G-Dur op. 77 (1947)
    • Streichquartett Nr. 13 a-Moll op. 86 (1949)
    • Violinsonate F-Dur op. 70 (1946/47)
    • Violoncellosonate Nr. 1 D-Dur op. 12 (1922, rev. 1930)
    • Violoncellosonate Nr. 2 a-Moll op. 81 (1948)
  • Klaviermusik
    • Sonate Nr. 1 d-Moll op. 6 (1907-09)
    • Sonate Nr. 2 fis-Moll op. 13 (1912, rev. 1948)
    • Sonate Nr. 3 c-Moll op. 19 (1920, rev. 1939)
    • Sonate Nr. 4 c-Moll op. 27 (1924/25, rev. 1946)
    • Sonate Nr. 5 H-Dur op. 64/1 "Nach alten Skizzen" (1907/08, rev. 1917, rev. 1944)
    • Sonate Nr. 6 As-Dur op. 64/2 "Nach alten Skizzen" (1907, rev. 1944)
    • Sonate Nr. 7 C-Dur op. 82 (1949)
    • Sonate Nr. 8 d-Moll op. 83 (1949)
    • Sonate Nr. 9 F-Dur op. 84 (1949)
    • Sonatine e-Moll op. 57 (1942)
    • kleinere Stücke

Literatur

  • Soja Gulinskaja: Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski. Moskau 1981, dtsch. Berlin 1985

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Nikolaj Jakowlewitsch Mjaskowski — Nikolai Mjaskowski (1912) Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski (auch: Nikolaj J. Mjaskovskij; russisch Николай Яковлевич Мясковский; * 8.jul./ 20. April 1881greg. in Nowogeorgiewsk bei Warschau; † 8. August …   Deutsch Wikipedia

  • Mjaskowski — Nikolai Mjaskowski (1912) Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski (auch: Nikolaj J. Mjaskovskij; russisch Николай Яковлевич Мясковский; * 8.jul./ 20. April 1881greg. in Nowogeorgiewsk bei Warschau; † 8. August …   Deutsch Wikipedia

  • Nikolaj Iwanowitsch Pejko — Nikolai Iwanowitsch Peiko (russisch Николай Иванович Пейко, wiss. Transliteration Nikolaj Ivanovič Pejko; * 12. Märzjul./ 25. März 1916greg. in Moskau; † 1. Juli 1995 ebenda) war ein russischer Komponist. Inhaltsverzeichnis 1 Leben …   Deutsch Wikipedia

  • Nikolaj Pejko — Nikolai Iwanowitsch Peiko (russisch Николай Иванович Пейко, wiss. Transliteration Nikolaj Ivanovič Pejko; * 12. Märzjul./ 25. März 1916greg. in Moskau; † 1. Juli 1995 ebenda) war ein russischer Komponist. Inhaltsverzeichnis 1 Leben …   Deutsch Wikipedia

  • Nikolaj — Dieser Artikel beschreibt den Namen Nikolai. Die gleichnamige Stadt in Oberschlesien siehe unter Mikołów. Nikolai (kyrillisch Николай) oder Nicolai ist ein aus dem Russischen stammender männlicher Vorname. Als Kurzformen sind Kolja, Nikita, Niko… …   Deutsch Wikipedia

  • Nikolai Mjaskowski — (1912) Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski (auch: Nikolaj J. Mjaskovskij; russisch Николай Яковлевич Мясковский; * 8.jul./ 20. April 1881greg. in Nowogeorgiewsk bei Warschau; † 8. August …   Deutsch Wikipedia

  • Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski — Nikolai Mjaskowski (1912) Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski (auch: Nikolaj J. Mjaskovskij; russisch Николай Яковлевич Мясковский; * 8.jul./ 20. April 1881greg. in Nowogeorgiewsk bei Warschau; † 8. August …   Deutsch Wikipedia

  • Klaviersonaten (Mjaskowski) — Nikolai Mjaskowski (1912) Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski veröffentlichte zwischen 1907 und 1949 neun Klaviersonaten, eine Sonatine, sowie mehrere kleine Stücke für Klavier. Die Klaviersonaten wurden nicht in der Reihenfolge veröffentlicht, in… …   Deutsch Wikipedia

  • Stalin-Preis — Stalinpreis Briefmarke Der Stalinpreis, die höchste zivile Auszeichnung der Sowjetunion, wurde 1941 geschaffen, um herausragende Leistungen auf wissenschaftlichem, literarischem, künstlerischem oder musikalischem Gebiet zu würdigen. Häufig wurde… …   Deutsch Wikipedia

  • Nikolai Miaskowsky — Nikolai Mjaskowski (1912) Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski (auch: Nikolaj J. Mjaskovskij; russisch Николай Яковлевич Мясковский; * 8.jul./ 20. April 1881greg. in Nowogeorgiewsk bei Warschau; † 8. August …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”