- Nikolaus Berwanger
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Nikolaus Berwanger (* 5. Juli 1935 in Freidorf, Rumänien; † 1. April 1989 in Ludwigsburg) war ein deutscher Schriftsteller und Journalist.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Berwanger wurde als zweites von drei Kindern einer sozialdemokratischen deutschen Arbeiterfamilie geboren. Er besuchte die Volksschule in Freidorf, einem heute der Stadt Timișoara eingemeindeten Vorort, und die Textilfachschule in Temeswar. Mit 15 Jahren war er jüngstes Mitglied des „Deutschen Antifaschistischen Komitees“ in Rumänien. Über diese Organisation kam er 1952 als Journalist zur deutschen Tageszeitung Neuer Weg, Bukarest. Ab 1958 war er in Temeswar „Neuer Weg“-Korrespondent für die Region Banat. Er machte einen Abschluss an der philologischen Fakultät der Universität des Westens Timișoara, Fachgebiet deutsche und rumänische Sprache und Literatur. Ab 1969 bis zum Spätherbst 1984 war er Chefredakteur der Neuen Banater Zeitung, Temeswar, in der regelmäßig die Literatur-Beilage Pipatsch in Banater Mundart erschien. In Temeswar versammelte Berwanger auch eine Gruppe junger Literaten um sich, aus der die spätere Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller hervorging. [1]
1957 trat er der Rumänischen Kommunistischen Partei bei. Er war stellvertretender Vorsitzender des rumänischen Journalistenrates, Mitglied im Leitungsrat des Schriftstellerverbandes Rumäniens und der Temeswarer Schriftstellervereinigung, Mitbegründer und Leiter des Literaturkreises „Adam Müller-Guttenbrunn“.
Berwanger lebte seit seiner Übersiedlung nach Deutschland im Herbst 1984 in Ludwigsburg. 1987 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar tätig. 1986 und 1987 folgten Aufenthalte als Gastdozent an den Universitäten von Portland und Albuquerque in den Vereinigten Staaten. 1988 hielt er Lesungen und Vorträge in der Deutschen Botschaft, der Deutschen Schule Washington, der Maryland-Universität und der George Mason University.
Er war in zweiter Ehe mit Sigrid Eckert-Berwanger verheiratet. Er hat zwei Kinder Karin Astrid Berwanger und Harald Berwanger aus erster Ehe mit Katharina Berwanger, geb. Wagner.
Werk
Lyrik
- Ich hänge mein Gesicht nicht an den Nagel, Dialektgedichte (Bukarest, 1976)
- Spätes Bekenntnis, Gedichte (Bukarest, 1979)
- Schneewittchen öffne deine Augen, Gedichte (Temeswar, 1980)
- Letzte Polka, Dialektgedichte, (Bukarest, 1982)
- An meine ungeborenen Enkel, Gedichte (Temeswar, 1983)
- Steingeflüster, Gedichte, (Hildesheim, 1983)
- Die schönsten Gedichte, (Bukarest, 1984)
- Offene Milieuschilderung, Gedichte, (Hildesheim, 1985)
- Ich möcht mich verabschieden, Dialektgedichte mit Tuschzeichnungen von Gert Fabritius (Stuttgart, 1987)
- In Liebe und in Haß - der große Schwabenausverkauf und andere Texte, (Hildesheim,1987)
- Du hast nicht Dein Leben Du hast Deine Zeit gelebt, Gedichte aus dem Nachlass, (Hildesheim,1992)
Prosa
- Schwäbisches, Dialektprosa (Bukarest, 1971)
- Satirische Briefe, Dialektprosa (Temeswar, 1974)
- Adam Müller-Guttenbrunn, Bildmonographie (Bukarest, 1977)
- Geschichten über Seppi und Peppi, Prosa für Kinder, (Temeswar, 1979)
- Hallo, mein Knecht, Theater, (Bukarest, 1981)
- Meine Oma und andere Erzählungen, (Sersheim, 1987)
Fernsehdokumentationen
- Der Dichter Nikolaus Lenau und das Banat
- Ein Banater Maler (Franz Ferch)
- Die Geschichte eines Gemäldes (Stefan Jäger)
- Adam Müller Guttenbrunn heute
- Johann Szimits, der Begründer des schwäbischen Schrifttums im Banat
- Der Temeswarer Dichter und Kulturhistoriker Franz Liebhardt
- Die Seele der Erde (rumänisch)
- Ich habe Wasser aus der Bega getrunken (rumänisch)
- Temeswarer Denkmäler (rumänisch)
Sonstiges
Die Neue Banater Zeitung (NBZ), deren Chefredakteur Nikolaus Berwanger viele Jahre war, hat er nicht nur inhaltlich geprägt, sondern als leidenschaftlicher Vertreter der banatschwäbischen Mundartdichtung auch die Dialektbeilage Pipatsch gegründet und (bis 1984) herausgegeben. Die NBZ, die „Pipatsch“, die zahlreichen anderen Beilagen, Wochenblätter und Aktionen der Zeitung waren von Bedeutung für die Banater Schwaben in einer wirtschaftlich und politisch schwierigen Zeit im Rumänien der 1970er und 1980er Jahre und haben sicherlich wesentlich zur Stärkung des Selbstbewusstseins dieser deutschsprachigen Minderheit beigetragen. Er war Herausgeber des ersten Volkskalenders der NBZ (1978, ff).
Rezeption
Nikolaus Berwanger war in seiner alten Heimat, in Rumänien, eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, als Schriftsteller und Journalist tätig. Sein Name dürfte nur wenigen Banater Schwaben unbekannt sein. Im Mai 1987 schrieb er über jene Zeit:
„Ich habe bewusst Politik gemacht, unter nicht einfachen Bedingungen, mit dem Hauptziel, damals in Rumänien eine neue deutsche Kulturlandschaft zu gestalten. (...) Ich dachte, die tägliche Kleinarbeit wäre ein bescheidener Beitrag zu erhoffter Erneuerung im Land. Ich und meine Freunde dachten, man könne tatsächlich über Bildung, über Literatur, über Kultur als Ganzes auf den politischen Alltag wirklich Einfluss nehmen. Die kleine NBZ, mit einer täglichen Auflage von 20.000, konnte sich in der rumänischen Medienlandschaft zeigen, wurde allerdings zusehends „gefährlich“. Dabei hatten wir lediglich versucht, ein wenig Demokratie bzw. Pressefreiheit zu praktizieren, und keiner von uns war ein Held, wir haben nur viel später resigniert, als andere Personen oder Gruppen. (...) Ich fühlte mich für alle negativen Auswüchse des Sozialismus im damaligen Rumänien, für alle seine die Menschlichkeit verletzenden Erscheinungen mitverantwortlich; ich wollte verbessern, ich wartete auf die große Wende, ich wollte das für mich heilige Wort Demokratie vor das Wort Sozialismus setzen.“
In den wenigen Jahren, die ihm in der neuen Heimat gegeben waren, hat er weiterhin publiziert, und hat, in seinen Gedichten, seiner Prosa und in seinen Artikeln sowie bei Lesungen und Vorträgen wieder versucht: „die Situation seiner Heimat durch Dichtung einzukreisen, sie zu bewältigen, nicht nur für sich persönlich, sondern Worte zu finden, die Tragik, Zweifel und einen Rest von Hoffnung auszudrücken. Er ist (...) derselbe geblieben, ein Kämpfer (...), dessen Texte sich literarisch kaum einordnen lassen. Doch ist der Standpunkt, von dem aus er spricht, ein anderer geworden. Stand er bisher im Mittelpunkt des Geschehens, (...) so steht er jetzt außen, ein Außenstehender ist er geworden, mit großer Freiheit zum Sagen, der sich dennoch nicht lösen kann von dem, was er hinter sich lassen musste. (...)“ Zitat, Prof. Margit Pflagner, für Kennwort Literatur, ORF/Studio Burgenland 1986.
Zeitlebens war er eine umstrittene Persönlichkeit, ein aufrechter Charakter, ein unbequemer Kämpfer auf vielen verschiedenen Barrikaden, ein Idealist, der sich für seine Ideen, seine Sache selbstlos einsetzte, mit dem Risiko, schließlich bitter enttäuscht zu werden und mit der Einsicht, wie er selber in einem Gedicht bedauert, die Leiter an die falsche Wand angelegt zu haben.
Richard Wagner würdigte Berwanger in einem Vortrag (2006 in München). Er bezeichnete ihn darin als „Problemlöser“, als „Kopf einer kritischen Dialektlyrikschule in Temeswar“ und als „Mann der Stunde“: „Nikolaus Berwanger war als Parteifunktionär gewiss eine völlig untypische Erscheinung für die kommunistische Hierarchie. Gleichzeitig repräsentierte er einen Typus, für den es gerade in einer Diktatur, deren Gelenke, milde ausgedrückt, nicht mehr viel taugten, eine Menge zu tun gab. Er war ein Problemlöser. Hatte man irgendeine Hürde bei was auch immer zu bewältigen und wusste nicht weiter, ging man zu ihm. Zu den Hauptmerkmalen solcher Problemlöser gehörte es, jeden anzuhören, egal, was er vorzubringen hatte. Damit überschritten sie bereits den üblichen Verhaltenskodex des Systems. Sie wirkten nonkonformistisch und machten damit auf die Leute einen guten Eindruck.“ Und schließlich kommt Wagner zu einer doch sehr einseitigen Schlussfolgerung: „da das kommunistische System uns als Rumpelkammer erscheint, gilt es vor allem die Leistungen in jenen finsteren Zeiten aus dem großen, kalten Strom der Geschichtsbewegung herauszuschälen, um ihre Bedeutung, vielleicht auch ihre Geschichtsmächtigkeit dem Vergessen zu entreißen und sie zu uns, den Gegenwärtigen, sprechen zu lassen.“
Der Nachlass ist beim Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas e. V. (IKGS) öffentlich zugänglich.
Einzelnachweise
- ↑ Richard Schwarz, Der Kreis des Niki Berwanger, Süddeutsche Zeitung, 17. Oktober 2009
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