Noonan-Syndrom

Noonan-Syndrom
Klassifikation nach ICD-10
Q87.1 Angeborene Fehlbildungssyndrome, die vorwiegend mit Kleinwuchs einhergehen
- Noonan-Syndrom
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Das Noonan-Syndrom ist ein komplexes Syndrom, das durch eine Vielzahl von genetischen Entwicklungsbesonderheiten gekennzeichnet ist. Die Fehlbildungen können das äußere Erscheinungsbild betreffen, aber auch innere Organe. So sind angeborene Herzfehler typisch. Da die feststellbaren Symptome denen des Ullrich-Turner-Syndroms sehr ähnlich sind, bezeichnet man das Noonan-Syndrom auch als „Pseudo-Turner-Syndrom“ oder „Male-Turner-Syndrom“. Im Gegensatz zum Ullrich-Turner-Syndrom sind jedoch keine Besonderheiten der Chromosomen (in Bezug auf Anzahl und Struktur) nachweisbar.

Die Bezeichnung „Noonan-Syndrom“ geht auf die US-amerikanische Kinderkardiologin Jacqueline Noonan zurück, die dem Syndrom 1963 ihren Namen gab.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Bei einem Großteil der Menschen mit dem Noonan-Syndrom liegen Veränderungen (Mutationen) des PTPN-11-Gens vor, das sich auf dem langen Arm von Chromosom 12 befindet. Dieses Gen ist verantwortlich für ein Protein (SHP-2), das eine zentrale Funktion in der Wachstumsregulation ausübt, und beeinflusst eine Vielzahl von Stoffwechsel- und Wachstumsvorgängen. Viele dieser Vorgänge werden über die Aktivierung der mitogen-activated protein kinase-Kaskade (MAP-Kinase-Weg) reguliert. Inzwischen sind auch in der Proteinkinase RAF1, die am oberen Ende des MAP-Kinase-Wegs steht, Mutationen in Noonan-Patienten gefunden worden.

Da man nach bisherigen Daten in 40 bis 50 % der Fälle Mutationen im SHP2-Gen findet, ist es möglich, durch eine molekulargenetische Untersuchung bei Verdacht auf das Noonan-Syndrom eine exakte Diagnose zu stellen.

Es ist zu erwarten, dass für die verbleibenden Fälle weitere verantwortliche Gene im MAP-Kinase-Weg identifiziert werden.

Vererbung

Die Fälle sind überwiegend sporadisch (ca. 50 %), d. h., dass Eltern betroffener Kinder selber nicht Träger des Noonan-Syndroms sind. Bei den übrigen Menschen wird das Noonan-Syndrom vererbt, wobei der Erbgang der Genmutation autosomal-dominant verläuft (Autosomen = alle Chromosomen außer den Geschlechtschromosomen). Dies bedeutet, dass bei einem betroffenen Elternteil die Auftrittswahrscheinlichkeit für Kinder bei 50 % liegt (beide Eltern à 75 %).

Die Übertragung geschieht in der Regel durch die Mutter (3:1), da männliche Personen mit dem Noonan-Syndrom meistens unfruchtbar sind.

Häufigkeit

Das Noonan-Syndrom ist relativ häufig. Angaben über die Häufigkeit reichen von 1:500 bis 1:2500. Das hieße, dass 1 von 500 bis 2500 Kindern weltweit mit diesem Syndrom geboren wird. In Deutschland sind ca. 80.000 Personen betroffen. Das Syndrom betrifft beide Geschlechter gleich häufig und ist nach dem Down-Syndrom (Trisomie 21) die zweithäufigste genetische Ursache, die gehäuft zum Auftreten eines Herzfehlers führt.

Diagnose und Symptome

Die Diagnose des Noonan-Syndroms wird häufig anhand der Symptomatik gestellt. Da sich viele unterschiedliche Symptome zeigen können und dies somit eine sichere Diagnose erschwert, führt es häufig zu einer unzureichenden Beratung der betroffenen Menschen. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Merkmale kann es vorkommen, dass viele der milderen Fälle nie wirklich diagnostiziert werden.

Mittlerweile ist eine exakte Diagnose möglich durch eine genetische Analyse des oben erwähnten PTPN 11-Gens. Dieser Test gibt Eltern die Möglichkeit, die Wiederholungswahrscheinlichkeit bei Folgeschwangerschaften besser einschätzen zu können. Auch eine vorgeburtliche Diagnose ist im Rahmen von Pränataldiagnostik durch die sich invasiven Untersuchungen (z. B. Amniozentese) anschließende Chromosomenanalyse möglich.

Nur ca. 50 % der Betroffenen haben den nachzuweisenden Chromosomendefekt. Bei den anderen stützt sich die Diagnostik rein auf die Symptomatik und dem Genotyp.

Symptomatik

12jähriges Mädchen mit Noonan-Syndrom und ausgeprägter Skoliose

Durch die Fehlinformationen auf dem betroffenen Gen werden verschiedene Symptome und Erkrankungen ausgelöst. Nicht alle Merkmale treten bei allen Kindern auf und in gleicher Ausprägung und mit steigendem Alter werden die Symptome zunehmend unauffälliger. Das macht eine eindeutige Diagnose noch schwieriger.

Viele Symptome erinnern, wie bereits erwähnt, an das Ullrich-Turner-Syndrom. Dazu gehören in erster Linie Minderwuchs, der beim Noonan-Syndrom allerdings weniger stark ausgeprägt ist, der tiefe Haaransatz im Nacken, sowie gelegentlich das Pterygium colli oder „Flügelfell“. Darunter versteht man eine verbreiterte Nackenhaut mit zur Schulter ziehender Falte.

Die häufigsten möglichen Symptome seien im Folgenden stichwortartig zusammengefasst:

Therapie

Es ist lediglich eine symptomatische Therapie des Noonan-Syndroms möglich, z. B. eine operative Korrektur von Herzfehlern oder des Pterygiums, Tragen von Brillen oder Hörgeräten, Behandlung von Sprachfehlern durch Logopädie oder eine Hormontherapie gegen die Kleinwüchsigkeit. Eine ursächliche Behandlung zur Heilung gibt es zur Zeit nicht.

Lernschwierigkeiten und kognitive Einschränkungen

Während die Mehrzahl der Personen mit Noonan-Syndrom einen durchschnittlichen IQ haben, haben ungefähr ein Drittel eine leichte kognitive Behinderung (IQ zwischen 69 und 82): „Die gewöhnlichste Lernschwierigkeit bei Kindern mit Noonan-Symdrom ist die Schwierigkeit in der mündlichen Argumentation. Kein spezifisches Verhaltensmuster ist identifiziert worden, obwohl betroffene Personen häufig Zeichen von Ungeschicklichkeit, Widerspenstigkeit und Reizbarkeit zeigen.“.

Literatur

  • Neuhäuser G./Steinhausen H.-C. (Hrsg.): Geistige Behinderung – Grundlagen, Klinische Syndrome, Behandlung und Rehabilitation. Stuttgart/Berlin/Köln 1999
  • Yatsenko SA, del Valle Torrado M, Fernandes PH, Wiszniewska J, Gallego M, Herrera J, Bacino CA.: Molecular characterization of a balanced rearrangement of chromosome 12 in two siblings with Noonan syndrome Baylor College of Medicine, Houston, Texas, USA. American journal of medical genetics. Part A, Dec. 2009 [1]

Weblinks

  • VB Gerritsen: the matchmaker. In: protein spotlight. SIB, abgerufen am 23. September 2010.
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