Arthur de Gobineau

Arthur de Gobineau
Arthur de Gobineau

Joseph Arthur de Gobineau (* 14. Juli 1816 in Ville-d’Avray, bei Paris; † 13. Oktober 1882 in Turin) war ein französischer Diplomat und Schriftsteller, der durch seine Theorie der arischen Herrenrasse bekannt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach Schulbildung und Studium in Frankreich und in der Schweiz trat Gobineau 1849 in das französische Diplomatische Korps ein. 1855 wurde er von Napoleon III. mit einer Gesandtschaft nach Persien (Iran) geschickt. Er glaubte, dass es die Rasse sei, die Kultur hervorbringt. Seiner Ansicht nach führt der Aufbau von „Reichen“ zur Vermischung der Rassen, die dann zur Degeneration führt.

1859 war Graf Gobineau als kaiserlicher Kommissar in den USA, 1861 erfüllte er als außerordentlicher Gesandter eine weitere Mission in Persien, und 1864 kam er in gleicher Eigenschaft nach Athen. Auch in Rio de Janeiro und Stockholm war Gobineau in diplomatischem Auftrag.

Arthur de Gobineau

Gobineau bewunderte Richard Wagner. Gleichzeitig machte er auf diesen großen Eindruck mit seinem 4-bändigen Essay über die Ungleichheit der Menschenrassen (Essai sur l’inégalité des races humaines, 1853-1855), in der er die Überlegenheit der „arischen Rasse“ zu begründen versuchte. Eine wesentliche Basis seiner Überlegungen bildete die biblische Chronologie einer etwa 6000 jährigen Menschheitsgeschichte, welche er mit anthropologischen und physiologischen Ansichten seiner Zeit verband[1]. Er ging von einer vollkommenen „Urrasse“, nämlich der „nordischen“, „arischen“ oder „germanischen Rasse“ aus, der er zwei weitere Primärrassen (die gelbe und die schwarze) beiordnete. Hierarchisch hielt er die weiße Rasse der gelben, und die gelbe Rasse der schwarzen für vorangestellt. Mischungen zwischen den Rassen sah er pessimistisch für weitverbreitet und stets zum Nachteil der höheren Rasse an. Insgesamt würde die Menschheit durch Vermischung in ihrer Qualität gemindert. Noch am unverfälschtestem habe sich die weiße Urrasse in Skandinavien und im französischen Adel gehalten, während die Deutschen nach Gobineaus Meinung lediglich eine Mischung aus Kelten und Slawen darstellten.[2] Das Werk wurde dennoch von Karl Ludwig Schemann, einem Mitglied des Bayreuther Kreises um Cosima Wagner, ins Deutsche übersetzt und nahm Einfluss auf Cosima Wagners Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain, der Gobineaus Grundgedanken um einen verstärkten Antisemitismus ergänzte.

Gobineau äußerte in seinem Essay auch Zweifel an der gemeinsamen Abstammung aller Menschenrassen und versucht Argumente zu entwickeln, dass die Rassen als verschiedene Arten geschaffen worden seien. Als strenggläubiger Katholik, der die Bibel als historisch korrekte Quelle für die Geschichte der Menschheit betrachtete, nahm er zwar Adam als Urvater der „weißen Rasse“ an, da die Bibel unzweifelhaft Adam als Vorfahr der weißen Rasse sprechen würde, zweifelte aber die damals verbreitete Interpretation des biblischen Ham als Urvater der schwarzen Rasse an, da nichts dafür spreche, dass in der ursprünglichen biblischen Genealogie farbige Rassen als Teil der Art angesehen wurden[3].

Ob er mit diesem Werk auch das Denken Friedrich Nietzsches beeinflusste, ist umstritten. Später legitimierten die Nationalsozialisten u.a. mit diesem Werk ihre Rassenideologie. Man findet Gobineaus Gedankengebäude unschwer wieder in Adolf Hitlers "Mein Kampf"; wie Hitler davon beeinflusst war und was er daraus gemacht hat, hat der Autor Joachim C. Fest in seiner Biografie "Hitler" im Kapitel "Die Vision" im Abschnitt "Die Lehre von den schöpferischen Rassekernen" zusammengefasst. Fest schreibt dort, Gobineau habe "erstmals die Angst vor dem Rassenwirrwarr der Neuzeit formuliert und den Untergang aller Kulturen mit der Promiskuität des Blutes verknüpft".

In seinem belletristischen Werk, wie z.B. Les Pléiades oder La Renaissance war de Gobineau genauso erfolgreich. Auch hier thematisierte er seine aristokratischen Ansichten und seine Abneigung gegen die demokratische Massenkultur.

Nachwirken und verwandte Nachfolger

Seine rassentheoretischen Werke, besonders der Behauptung der negativen Auswirkungen der Rassenmischung, hatten in Deutschland Einfluss auf die völkische Bewegung sowie den Nationalsozialismus.

Der vehemente Befürworter der Sklaverei Henry Hotze, ein US-Bürger, der später während des amerikanischen Bürgerkriegs in London als einer der wichtigsten Agenten und Propagandisten der Südstaaten in Europa arbeitete, hat Gobineaus Essai sur l’inégalité des races humaines und Moral and Intellectual Diversity of Races ins Englische übersetzt. Diese Übersetzungen wurden von Proponenten der Sklaverei nicht nur wegen der darin vertretenen intellektuellen und moralischen Ungleichheit der verschiedenen Menschenrassen, sondern auch weil dort Zweifel an der gemeinsamen Abstammung von Schwarzen und Weissen angeführt wird, zur Legitimierung der Sklaverei verwendet[4]. Ähnlich predigte in den USA Madison Grant mit seiner Schrift „The Passing of the Great Race“ die Überlegenheit der nordischen Rassen, die er durch Vermischung gefährdet sah.

Der Gobineau-Übersetzer Karl Ludwig Schemann, der Publizist einer rassistischen anthropologischen Revue Ludwig Woltmann, der nebenberufliche Anthropologe Otto Ammon sowie Houston Stewart Chamberlain gehörten in Deutschland zu Vertretern ähnlicher Theorien. In Frankreich wurden seine Theorien durch den Exilanten Moses Hess und durch Georges Vacher de Lapouge aufgenommen, der der Theorie Gobineaus einen kulthaften Habitus verlieh.

Werke

  • Essai sur l’inégalité des races humaines(1853-1855)
    • deutsch: "Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen", Fromann, Stuttgart 1902-1904
  • Religions et Philosophies dans l'Asie Centrale. (1865. Neue Auflage Paris 1957)
  • Les Pleiades (1874)
  • Reiseerlebnisse (1872)
  • Die Renaissance (1877)

Literatur

  • Sylvie André: Gobineau: parcours mythiques d'une œuvre Lettres modernes, Paris 1990 ISBN 2-256-90881-X
  • Michael Biddis: Father of Racist Ideology – The Social and Political Thought of Count Gobineau, London 1970
  • Jean Boissel: Gobineau: biographie, mythes et réalité Berg Internat., Paris 1993 ISBN 2-900269-84-9
  • Ernst Cassirer: Von Heldenverehrung zu Rassenverehrung, in: Ders.: Vom Mythus des Staates, Artemis, Zürich 1949, S. 289-321
  • Karl Ludwig Schemann: Gobineaus Rassenwerk: Aktenstücke und Betrachtungen zur Geschichte und Kritik des "Essai sur l'inégalité des races humaines", Fromm, Stuttgart 1910
  • Earl J. Young: Gobineau und der Rassismus, Hain, Meisenheim am Glan 1968

Einzelnachweise

  1. Léon Poliakov: Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus, Junius Verlag, (1993), ISBN 3-88506-220-8 Seite 265
  2. Hans Fenske: Politisches Denken im Zwanzigstem Jahrhundert, in: Joachim Lieber(Hrsg.): Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart, Bonn 1991, S. 803
  3. Ernst Cassirer: "The myth of the state" Herausgegeben von Birgit Recki. Gesammelte Werke. Hamburger Ausgabe (ECW), Bd. 25. (2007) S. 230
  4. Lonnie A. Burnett: "Henry Hotze, Confederate Propagandist" University Alabama Press, (2008) ISBN 0-8173-1620-5

Weblinks


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