- Nordkoreanisches Reisetagebuch
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Luise Rinsers 1981 als Taschenbuch erschienenes Nordkoreanisches Reisetagebuch ist ein Reisebericht, der auf einer Reise nach Nordkorea im Jahr 1980 beruht. Die aktualisierte Auflage von 1983 basiert auf zwei weiteren Reisen der Jahre 1981 und 1982. 1986 erschien eine sechste, ebenfalls aktualisierte Ausgabe.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Die Autorin beschreibt das streng abgeschottete Land als „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“. In Nordkorea gebe es weder Entfremdung noch Verbrechen oder Armut. Die Menschen seien solidarisch, einfach, bescheiden und gut. Die Gesellschaft sei ein harmonisches, konfliktfreies Ganzes.
Trotz geäußerter anfänglicher Zweifel folgt sie der Darstellung ihrer nordkoreanischen Reisebegleiter, nach der es in dem Land keine Gefängnisse gebe, sondern nur „Erziehungshäuser“ ohne Fenstergitter oder verschlossene Türen, in welchen die Insassen die Dauer ihres Aufenthalts selbst bestimmten. Mord sei in dem fernöstlichen Land ein unbekanntes Verbrechen, politische Gefangene gebe es nicht.
Kim Il-sung beschreibt die Schriftstellerin als weisen, bescheidenen, gütigen und väterlichen Staatsmann. Der weltweit unerreichte Personenkult um den postum zum „Präsidenten auf Ewigkeit“ ernannten Staatsgründer beruhe nach Rinser ausschließlich auf den Wünschen des Volkes. Die dynastische Erbfolge zu Kim Jong-il verteidigt Rinser mit der Feststellung, dieser habe tatsächlich bedeutendes für das Land geleistet und sei daher einfach der Fähigste.
Besonders angetan zeigt sich die Autorin von der strengen „sozialistischen Moral“ der Nordkoreaner. Westliche „Dekadenz“ und insbesondere sexuelle Freizügigkeit verurteilt sie scharf. Anlass dazu gibt ihr die Begegnung mit einem Trupp sowjetischer Arbeiter. Eine Arbeiterin, die sich barbusig am Strand eines Sees sonnt, erscheint als Repräsentation westlicher Verkommenheit, die auch schon die Sowjetunion erfasst habe. Ihre nordkoreanischen Begleiter sind von dem Anblick zutiefst verstört.
Kritik und Einordnung
Angesichts des bekannten bizarren Personenkults, einer absoluten Diktatur und schwerer Menschenrechtsverletzungen im Reich Kim Il-sungs galt das Nordkoreanische Reisetagebuch in der Literaturkritik seit seinem Erscheinen als eines der skurrilsten Werke seines Genres.
Rinser bezeichnete sich selbst als „engagierte Christin und Sozialistin“ und nahm für sich in Anspruch, sensibel für Formen totalitärer Herrschaft zu sein. Dennoch zeigt sie im „Reisetagebuch“ eine uneingeschränkte Verehrung für den als gütige Vaterfigur porträtierten Diktator. Anzeichen von Unterdrückung begegnet sie mit Verweis auf die konfuzianische Tradition, aus der heraus die Menschen freiwillig Höhergestellten eine starke Ehrerbietung entgegenbrächten.
Erklärungen, wie etwa die Behauptung, es gebe in Nordkorea weder Gefängnisse noch Mord, werden nach kurzer Schamfrist ungeprüft akzeptiert. Damit ist Rinsers Werk vor allem ein zeitgeschichtliches Zeugnis der Blindheit und Ergebenheit gegenüber dem „Charme der Diktatur“, deren Anziehungskraft auf Rinser vor allem in ihrer vermeintlichen Konfliktfreiheit und totaler Harmonie begründet zu sein scheint.
Gleichzeitig ist anzumerken, dass Rinsers Werk noch vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch und den großen Hungersnöten der 1990er Jahre erschienen ist. Zu diesem Zeitpunkt galt Nordkorea mit seiner Ideologie der totalen Selbstständigkeit und seinem relativen wirtschaftlichen Erfolg für viele Staaten der Dritten Welt als Modell. Gleichzeitig herrschte in Südkorea noch der Diktator Chun Doo-hwan. Vor diesem Hintergrund erschien der Autorin der kommunistische Norden als der attraktivere der beiden Teilstaaten.
Ungebrochener Beliebtheit erfreut sich Rinsers Werk bis heute beim traditionskommunistischen Freundeskreis der Juche-Ideologie in der Kommunistischen Partei Deutschlands, einer Splittergruppe aus dem Bereich der K-Gruppen.
Literatur
- Luise Rinser: Nordkoreanisches Reisetagebuch. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-596-24233-9.
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