- Notwendige Verteidigung
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Als Pflichtverteidiger bezeichnet man im Strafprozess einen durch das Gericht dem Angeklagten beigeordneten Verteidiger.
Inhaltsverzeichnis
Pflichtverteidigung im deutschen Recht
In den Fällen der sog. notwendigen Verteidigung ist dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger zu bestellen (§§ 140 ff. StPO). Der Pflichtverteidiger wird von der Staatskasse bezahlt und erhält reduzierte Gebühren. Pflichtverteidiger können mit dem Mandanten eine zusätzliche Vergütung vereinbaren; übersteigt diese allerdings die daneben von der Staatskasse ebenfalls zu zahlenden Pflichtverteidigergebühren, ist sie anzurechnen. Im Falle einer Verurteilung werden dem Angeklagten in der Regel die Verfahrenskosten auferlegt; die Staatskasse fordert die verauslagten Pflichtverteidigergebühren dann von dem Verurteilten zurück. Auf Antrag des Pflichtverteidigers kann das Gericht auch feststellen, dass der Angeklagte zahlungsfähig ist; er schuldet dem Pflichtverteidiger dann die (etwas höheren) gesetzlichen Gebühren eines Wahlverteidigers. Allerdings kommt es in der Regel auf Grund der Zahlungsunfähigkeit des Verurteilten nicht zur Auszahlung dieser Gebühren.
Im Gegensatz zum staatlich bestellten Pflichtverteidiger steht der Wahlverteidiger, den der Angeklagte selbst mandatiert. Typischerweise wird im Fall einer notwendigen Verteidigung dem Angeklagten mit Übersendung der Anklageschrift mitgeteilt, dass er einen Verteidiger seiner Wahl benennen möge und dass ihm andernfalls ein Pflichtverteidiger durch das Gericht bestellt wird. Der ggf. vom Angeklagten mandatierte Wahlverteidiger hat die Möglichkeit, einen Antrag auf Beiordnung zum Pflichtverteidiger zu stellen, wobei er für diesen Fall sein Wahlmandat niederlegen muss. Letztlich kann der Angeklagte somit seinen Pflichtverteidiger mittelbar selbst bestimmen, vorausgesetzt, der gewünschte Verteidiger ist auch bereit, das Mandat zu übernehmen und als Pflichtverteidiger tätig zu werden.
Siehe auch: Strafverteidiger.
Notwendige Verteidigung
Ein Pflichtverteidiger wird nur in den Fällen der so genannten notwendigen Verteidigung bestellt. Notwendige Verteidigung bezeichnet dabei eine Verfahrenslage, in der der Gesetzgeber davon ausgeht, dass der Angeklagte sich nicht selbst verteidigen kann. Liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, so muss ein Pflichtverteidiger bestellt werden, unabhängig davon, ob der Angeklagte sich eines Verteidigers bedienen möchte oder nicht. Gemäß § 140 StPO ist in folgenden Konstellationen ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben:
- Hauptverhandlung vor dem Landgericht oder Oberlandesgericht
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- Die Mitwirkung eines Verteidigers ist immer dann notwendig, wenn die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht oder Oberlandesgericht stattfindet (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO).
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- Damit sind bereits alle Angelegenheiten erfasst, welche die Sicherheit des Staates betreffen, weil hier nach § 120 GVG die Anklage zum Oberlandesgericht erfolgen soll, sodann alle Kapitalverbrechen, in denen das Landgericht als Schwurgericht zuständig ist.
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- Weiter umfasst die erstinstanzliche Zuständigkeit des Landgerichts Fälle, in denen mit einer Freiheitsstrafe von mehr als vier Jahren zu rechnen ist, oder in denen der Umfang des Verfahrens eine Anklageerhebung vor dem Landgericht gebietet.
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- Die Fälle schwerer und schwerster Kriminalität gehören demnach bereits auf Grund dieser Vorschrift immer zu den Fällen notwendiger Verteidigung.
- Verdacht auf Verbrechen
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- Die Mitwirkung eines Verteidigers ist nach § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO auch immer dann erforderlich, wenn dem Angeklagten ein Verbrechen zur Last gelegt wird.
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- Der Begriff des Verbrechens nimmt hierbei auf die Definition in § 12 Abs. 1 StGB Bezug, demzufolge diejenigen rechtswidrigen Taten, die mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht sind, "Verbrechen" darstellen, im Gegensatz zu den Vergehen, die im Mindestmaß mit geringerer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht sind (§ 12 Abs. 2 StGB).
- drohendes Berufsverbot
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- Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt nach § 140 Abs. 1 Nr. 3 StPO weiter dann vor, wenn das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann. Die Voraussetzungen, unter denen das gegeben ist, sind in den §§ 70 ff. StGB geregelt.
- Längerer Freiheitsentzug
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- Nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO liegt gleichfalls ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn der Angeklagte sich aufgrund einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung wenigstens seit drei Monaten einer freiheitsentziehenden Behandlung unterziehen musste. Hier ist nicht nur die Untersuchungshaft als Freiheitsentzug gemeint (die den Regelfall für die Beiordnung nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO darstellt), sondern auch Auslieferungshaft, Strafhaft und sonstiger - sei es auch rechtswidriger - Gewahrsam über drei Monate hinweg.
- Unterbringung zur Gutachtenerstellung
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- Ebenfalls ist die Mitwirkung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 1 Nr. 6 StPO notwendig, wenn der Beschuldigte zum Zwecke der Erstellung eines Gutachtens über seinen psychischen Zustand untergebracht werden soll.
- Sicherungsverfahren
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- Derjenige, gegen den ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird, bedarf gleichfalls eines Verteidigers (§ 140 Abs. 1 Nr. 7 StPO). Ein Sicherungsverfahren wird dann durchgeführt, wenn der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldunfähig im Sinne von § 20 StGB gewesen sein soll, aber eine isolierte Maßregel der Besserung und Sicherung verhängt werden muss, weil der Täter aufgrund seines Zustandes für die Allgemeinheit gefährlich ist.
- Verteidigerausschluss
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- Unter bestimmten Umständen kann ein Wahlverteidiger von der Mitwirkung an der Hauptverhandlung ausgeschlossen werden. Hierfür bestimmt § 140 Abs. 1 Nr. 8 StPO, dass dann ein Fall der notwendigen Verteidigung eintritt, so dass, wenn kein anderer Wahlverteidiger auftritt, dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger bestellt werden muss.
- Andere Fälle der notwendigen Verteidigung
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- Neben den Fällen des § 140 Abs. 1 StPO, in denen allein aufgrund eines bestimmten prozessualen Sachverhalts die Notwendigkeit der Verteidigung angeordnet wird, besteht notwendige Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO auch dann, wenn "wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint, oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann".
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- Der Begriff der "Schwere der Tat" meint dabei die zu erwartende Sanktion. Wann die Schwere der Tat die Mitwirkung eines Verteidigers gebietet, wird regional unterschiedlich beurteilt, es dürfte jedoch Konsens bestehen, dass bei einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von einem Jahr ein Verteidiger zu bestellen ist.
Zeitpunkt der Beiordnung des Pflichtverteidigers
Gemäß § 141 Abs. 1 und 2 StPO ist der Verteidiger spätestens dann zu bestellen, wenn der Angeklagte zur Erklärung über die Angeklageschrift aufgefordert wird, wenn ihm diese also zugestellt wird und das Zwischenverfahren beginnt. Einem Beschuldigten wird meist zu diesem Zeitpunkt ein Pflichtverteidiger bestellt. Mit der Aufforderung an den Beschuldigten, einen Verteidiger seiner Wahl als möglichen Pflichtverteidiger zu benennen, bereitet das Gericht seinen Eröffnungsbeschluss vor.
Ergibt sich erst später, dass ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt, ist der Pflichtverteidiger sofort zu bestellen.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ist eine Verteidigerbestellung auch früher, also bereits im Ermittlungsverfahren möglich (§ 141 Abs. 3 StPO). Es handelt sich jedoch um eine Ermessensvorschrift. Die Bestellung wirkt auf jeden Fall gebührenrechtlich bis zu dem Zeitpunkt zurück, an dem der Verteidiger sich erstmals gemeldet hat in dem Verfahren (auch, wenn er sich - zunächst - als Wahlverteidiger gemeldet hatte).
Auswahl des Pflichtverteidigers
Zum Pflichtverteidiger kann grundsätzlich bestellt werden, wer nach § 138 Abs. 1 StPO als Wahlverteidiger auftreten kann, also ein Rechtsanwalt oder ein Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule.
Der zu bestellende Verteidiger soll jedoch möglichst aus der Zahl der bei dem zuständigen Gericht zugelassenen Rechtsanwälte ausgewählt werden (§ 142 Abs. 1 StPO). Dem Beschuldigten ist Gelegenheit zu geben, einen Anwalt seines Vertrauens zu benennen, der als Pflichtverteidiger beigeordnet werden soll. Das Gericht bestellt den benannten Verteidiger, wenn nicht gewichtige Gründe entgegenstehen (§ 142 Abs. 1 S. 3 StPO).
Unter besonderen Umständen kommt auch die Bestellung eines Rechtsreferendars in Betracht (vgl. § 142 Abs. 2 StPO).
Vergütung des Pflichtverteidigers
Der Pflichtverteidiger wird vom Gericht bestellt und macht seinen Vergütungsanspruch daher gegenüber der Staatskasse geltend. Die Pflichtverteidigergebühren sind grundsätzlich niedriger als diejenigen, die der Verteidiger als Wahlverteidiger hätte beanspruchen können. In Fällen, deren Bearbeitung besonders umfangreich oder besonders schwierig ist, kann eine Pauschgebühr festgesetzt werden, die über der üblichen Pflichtverteidigervergütung liegt (§ 51 Abs. 1 RVG).
In Fällen, in denen der Verteidiger nachweisen kann, dass der Angeklagte wirtschaftlich in der Lage ist, auch Wahlverteidigergebühren zu bezahlen, kann das Gericht nach § 52 Abs. 3 und 4 RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) feststellen, dass der Angeklagte zur Bezahlung von Wahlverteidigergebühren in der Lage und verpflichtet ist. Werden dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen auferlegt, so fordert die Staatskasse vom verurteilten Angeklagten die Rückerstattung der festgesetzten Pflichtverteidigervergütung.
Werden die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegt (Freispruch oder Teilfreispruch), ist der Pflichtverteidiger berechtigt, in dieser Höhe gegenüber der Staatskasse Wahlverteidigergebühren abzurechnen.
Links
Siehe auch
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