Novum Testamentum Graece

Novum Testamentum Graece
Novum Testamentum Graece

Novum Testamentum Graece (lateinisch: „Neues Testament – Griechisch“) ist seit Erasmus von Rotterdam Titel von originalsprachigen Ausgaben des Neuen Testaments, die sich unmittelbar am griechisch überlieferten Text (Textus receptus) und/oder griechischen Manuskripten orientieren.

In neuerer Zeit versteht man unter diesem Titel insbesondere eine wissenschaftliche Ausgabe des Textes des Neuen Testaments. Diese textkritische Edition (aktuell in der 27. Auflage) wird betreut vom Institut für neutestamentliche Textforschung der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Sie ist nach ihren ersten Herausgebern auch bekannt unter der Bezeichnung „Nestle-Aland“ (NA).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die erste Ausgabe des Novum Testamentum Graece legte der deutsche Theologe und Orientalist Eberhard Nestle im Jahr 1898 vor. Die Ausgabe verfolgte das Ziel, die damals neuen wissenschaftlichen Textausgaben von Tischendorf, Westcott/Hort und Weymouth zusammenzufassen. Der Text konstituierte sich jeweils durch die Mehrheit der drei Ausgaben (ab der 3. Auflage wurde Weymouth durch Bernhard Weiß ersetzt). Damit begann die Bedeutung des bis dahin vorherrschenden Textus receptus zu schwinden. Nestle verwendete bereits einen Textapparat, der die von ihm benutzten Textausgaben verzeichnete.

Sein Sohn Erwin Nestle entwickelte dann in der 13. Auflage von 1927 die Grundlagen des auch heute noch verwendeten Textapparates. Dort wurden vor allem erstmals die Lesarten der Handschriften, Übersetzungen und antiken Verweisstellen selbst in den Vordergrund gestellt. Ab der 17. Auflage begann er auch, von dem rein mechanischen Mehrheitstext der oben erwähnten drei Ausgaben abzuweichen und Änderungen, basierend auf neuen Erkenntnissen, zuzulassen.

Mit der 21. Auflage von 1952 wurde Kurt Aland Mitarbeiter der Edition. Hier wurde der Apparat durchgängig mit den Originalhandschriften abgeglichen. Vor allem wurden auch die seit 1930 neu gefundenen Papyri aus dem 2. und 3. Jahrhundert einbezogen.

Mit der 26. Auflage von 1979 ist der Text des Novum Testamentum Graece identisch mit der Textausgabe des Greek New Testament. Es bietet aber den wesentlich umfangreicheren Apparat und unterscheidet sich in Absatzgliederung, Orthographie und Zeichensetzung. Beide Ausgaben werden heute vom Institut für neutestamentliche Textforschung in Münster betreut. In der 26. Auflage wurde von Kurt Aland auch die heute noch gültige Form von Text und Apparat neu gestaltet.

Textkritische Methode

Die Texte des Neuen Testaments liegen in über 5000 unterschiedlich alten Handschriften vor, die in Griechisch geschrieben oder aus dem Griechischen übersetzt sind. Keine von ihnen ist das Autograf einer neutestamentlichen Schrift. In einem über Jahrhunderte währenden Tradierungsprozess haben sich beim fortwährenden Kopieren Textvarianten (so genannte Lesarten) ergeben, die teils auf Schreib-, Hör- oder Verständnisfehler zurückgehen, teils bewusste Änderungen darstellen, weil dem Kopisten die Vorlage nicht (mehr) verständlich, oder er mit der Textgestalt nicht einverstanden war (Revision, bzw. Rezension). Solche Lesarten können die Auslegungstradition einer bestimmten Region bzw. Zeit widerspiegeln und sind darum nicht nur für den Textwissenschaftler und Exegeten, sondern auch für Historiker von großer Bedeutung. Neben Handschriften in Griechisch zählen auch alte Übersetzungen vor allem ins Lateinische, Koptische oder Syrische zu den wichtigen Quellen der neutestamentlichen Texttradition.

Diese Handschriften bilden den Ausgangspunkt aller Beschäftigung mit dem Neuen Testament und sind heute die Grundlage jeder Übersetzung in moderne Sprachen. Das Novum Testamentum Graece ist eine Rekonstruktion der griechischen Texte des Neuen Testaments auf Grund von textkritischen Entscheidungen über den Wert einer Handschrift zu der fraglichen Textstelle. Die jeweiligen Lesarten werden für die Rekonstruktion zunächst gesammelt (Kollation) und gruppiert und dann nach verschiedenen Kriterien bewertet. Zu diesen Kriterien gehören:

  • die Bezeugung in vielen Handschriften;
  • das Alter der Handschrift;
  • die Bezeugung in voneinander unabhängigen Handschriften;
  • die schwierigere Lesart (lectio difficilior) erhält Vorrang vor der einfacheren;
  • die kürzere Lesart (lectio brevior) erhält Vorrang gegenüber der ausführlicheren;
  • der Text entspricht in Stil und Sprache dem Kontext und den Eigenarten des Autors;
  • die Lesart ist unabhängig von Parallelstellen.

Das Novum Testamentum Graece bietet als Ergebnis dieser Bewertung im Haupttext die Rekonstruktion des griechischen Textes und in einem umfangreichen Apparat Angaben zu den Textzeugen für die gewählte und die alternativen Lesarten. Diese Methode liefert dem wissenschaftlich orientierten Leser des Textes oder dem Übersetzer das Rüstzeug für einen Nachvollzug der Rekonstruktion und gegebenenfalls für eine davon abweichende verantwortbare Entscheidung über die von ihm bevorzugte Textgestalt.

Mit dieser Form der Methodik und der Darstellung unterscheidet sich das Novum Testamentum Graece grundlegend von anderen Textausgaben des Neuen Testaments, wie etwa dem Textus receptus und dem Mehrheitstext, die ihre Textgestalt aus einer bestimmten Texttradition herleiten, ohne deren Voraussetzungen und das Wachstum dieser Gestalt im Einzelnen zu dokumentieren.

Die Hauptquellen für das Novum Testamentum Graece werden von den Herausgebern wegen ihres Alters und ihrer Wichtigkeit als ständige Zeugen bezeichnet. Dazu gehören vor allem folgende Handschriften in griechischer Sprache:

Bis auf den Codex Vaticanus (seit 1475 im Vatikan) und den Codex Bezae sind die genannten Handschriften erst im 19. oder 20. Jahrhundert aufgefunden worden und bieten daher heute eine wohl seit den neutestamentlichen Anfängen nie da gewesene Qualität an Textüberlieferungen, die seit der 26. Auflage auch dem Novum Testamentum Graece zu Grunde liegen.

Sprache des Neuen Testaments

Auch wenn das Wirken Jesu und seiner Jünger zunächst im aramäischen Sprachraum stattgefunden hat, sind die 27 Schriften des Neuen Testaments ausnahmslos in griechischer Sprache verfasst. Die Sprache des Neuen Testaments ist das so genannte Koine-Griechisch, das sich vom klassischen Griechisch durch einfachere Formen unterscheidet. Das Koinégriechisch war jene Sprache, die als allgemeine Verkehrssprache die Vielfalt der Völker und Sprachen Kleinasiens und Palästinas in der Zeit Caesars und Octavians zusammenhielt. Es war später die Amtssprache des Byzantinischen Reiches und wurde ab dem frühen Mittelalter im Zuge der osmanischen Eroberungen allmählich zurückgedrängt.

Da es sich beim Neuen Testament um 27 Einzelschriften aus sehr unterschiedlichen historischen, regionalen, soziologischen und religiösen Zusammenhängen handelt, sind große sprachliche Unterschiede festzustellen. Das Griechisch des Markus oder Matthäus, das sich eng an die aramäische Sprachwelt anlehnt, ist sehr einfach und schlicht gehalten. Davon hebt sich das gute Griechisch der Paulusbriefe oder der pseudopaulinischen Briefe (z.B. der so genannte Brief des Paulus an die Epheser) deutlich ab. Beinahe philosophisch ist die reflexive Sprache des Johannesevangeliums, die dennoch vielfach strukturelle Anklänge an das Hebräische aufweist. Der Weg von der einfachen Sprache der Evangelien hin zu komplexeren Sprachformen zeichnet auf ganz eigene Weise nach, wie sich die Botschaft des Jesus von Nazareth ihren Weg aus der aramäischen zur griechischen Sprach- und Vorstellungswelt gebahnt hat.

Inhalt

Das Novum Testamentum Graece enthält bibelkundlich die Auswahl an Büchern, wie sie im Kanon des Neuen Testaments in den christlichen Kirchen verbindlich festgehalten wurden.

Siehe auch

Literatur

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