- Nurflügelflugzeug
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Ein Nurflügel (auch Nurflügelflugzeug oder Nurflügler) ist ein Flugzeug ohne ein separates Höhenruder, bei dem es keine Differenzierung zwischen Tragflächen und Rumpf gibt. Die für den Flug notwendige Stabilität um die Längs- und Querachse wird hier durch den Flügel selbst erzeugt. Bei aktuellen Modellen wird zudem auf ein Seitenruder verzichtet.
Inhaltsverzeichnis
Ursprung und Pioniere
Der Österreicher Ignaz „Igo“ Etrich entwickelte im Jahre 1903 den ersten Nurflügel nach dem Vorbild des Flugsamens von Zanonia macrocarpa und bekam 1905 ein Patent darauf. Weitergeführt wurde die Idee sowohl von den deutschen Gebrüdern Horten ab ca. 1933, aber auch ab den 40ern von der Northrop Corporation unter Jack Northrop, einem US-Konstrukteur der zuvor für die Firmen Lockheed (damals Loughead Aircraft Manufacturing Company) und Douglas gearbeitet hatte.
Varianten
Man unterscheidet drei Konstruktionsansätze:
- Der Nurflügel nach den Gebrüdern Horten hat keine senkrechten Flächen und erzeugt die Stabilität um Hoch- und Querachse durch eine besondere (glockenförmige) Auftriebsverteilung und starke Pfeilung
- Der Brettnurflügel erzeugt seine Längsstabilität durch besondere, stabilfliegende Flügelprofile (S-Schlag Profil), die Seitenstabilität meist durch ein konventionelles Seitenruder, und hat meist keine Pfeilung
- Der Schwanzlose erzeugt seine Längsstabilität ebenfalls durch die Wahl besonderer Flügelprofile, verwendet jedoch zusätzlich Verwindung und kann so leistungsfähigere Profile verwenden. Die Seitenstabilität entsteht durch Winglets oder eine Seitenflosse; siehe Foto "Modell-Nurflügel" rechts.
Eine Sonderform des Nurflügels bzw. eine Mischform ist das Deltaflugzeug, das durch eine dreieckige Flügelgeometrie gekennzeichnet ist. Es basiert auf den Arbeiten von Alexander Lippisch, wobei die wohl bekannteste dieser Typ der Raketenjäger Messerschmitt Me 163 Comet sein dürfte. Meist wird diese Bauform bei schnellen Militärflugzeugen verwendet (z.B. Convair B-58 oder Dassault Mirage und andere).
Eine weitere Sonderform stellen Nurflügel dar, die sich wie beim Oblique Wing in Flugrichtung drehen können, um so den Luftwiderstand bei hohen Fluggeschwindigkeiten zu verringern. Diese nennt man dann Oblique Flying Wing (OFW). Aktuell wird in den USA bei der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) an einem solchen Projekt gearbeitet.
Vorteile
Gründe, das Nurflügel-Konzept zu verwenden, sind sehr spezifisch. Bei Militärflugzeugen ist das geringere Radarprofil ausschlaggebend.
Da im Gegensatz zu klassischen Flugzeugen die der Schwerkraft unterworfene Nutzlast nicht von den auftriebserzeugenden Flügeln getrennt ist, entstehen geringere Strukturkräfte. Somit kann das Flugzeug leichter konstruiert werden.
In den Anfangsjahren der Fliegerei nahm man an, dass das Nurflügelkonzept einen geringeren Luftwiderstand erreichen würde, was sich jedoch auf Dauer nicht bestätigte. Zwar erreichten die Nurflügel-Segler der Gebrüder Horten für damalige Zeiten enorme Flugleistungen in Hinsicht auf die Gleitzahl, moderne Segelflugzeuge übertreffen diese jedoch fast um den Faktor 2.
Nachteile
Die Nachteile eines Nurflügels liegen in der im Allgemeinen geringeren Flugleistung und Flugstabilität. Die notwendige aerodynamische Flugstabilisierung kann nicht widerstandsgünstig durch das am langen Hebelarm liegende Leitwerk erreicht werden, sondern muss durch den Flügel selbst erbracht werden. Dies erfordert eine spezielle Flügelgeometrie oder Profilierung, die einen höheren Tragflügel-Luftwiderstand hervorruft. Andererseits wird durch den fehlenden Rumpf der Luftwiderstand wieder geringer, so dass für bestimmte Anforderungen ein Nurflügel-Flugzeug auch aerodynamisch günstiger sein kann.
Teilweise kann eine geringe aerodynamische Stabilität durch Computersteuerung ausgeglichen werden. Der derzeit bekannteste Vertreter dieser Flugzeugrichtung, die Northrop B-2, verfügt nach verschiedenen Quellen allein zur Flugsteuerung über 130 einzelne Prozessoren. Der immense Preis von geschätzt 2,1 Milliarden US-$ pro Maschine dürfte aber hauptsächlich in der Stealth-Charakteristik und der geringen Stückzahl zu suchen sein und liegt vermutlich nicht in der Nurflügel-Konstruktion begründet.
Verbreitung
Militärischen Einsatz findet dieser Konstruktionstyp derzeit bei Flugzeugen, die besonders auf ein geringes Radarecho hin konstruiert sind.
Im Vergleich zu konventionellen Flugzeugen mit Leitwerk gibt es von Nurflügeln nur wenige Typen:
- Das sowjetische Passagierflugzeug ChAI-3 aus dem Jahre 1936
- Das sowjetische Bombenflugzeug Beljajew DB-LK aus dem Jahre 1939
- Die Flugzeuge der Gebrüder Horten vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg (insbesondere Horten H IX (Horten Ho 229/Gotha Go 229)
- Das Segelflugzeug SB13 der Akademischen Fliegergruppe Braunschweig
- Das Ultraleicht-Segelflugzeug (Gleitflugzeug) Swift
- Die Segelflugzeuge und Motorsegler des Konstrukteurs Charles Fauvel (AV1, AV2, Av36 und 361, Av22 und 222)
- Die Flugzeuge von Alexander Lippisch
- Die Northrop YB-35 aus dem Jahre 1946 (Propellertriebwerke)
- Die Northrop YB-49 aus dem Jahre 1947 (Düsentriebwerke)
- Weitere Flugzeuge von Jack Northrop wie N1-M, N9-M, XP-56 Bullet und andere
- Der strategische Stealth-Bomber Northrop B-2 der Luftwaffe der Vereinigten Staaten.
Boeing plant nach den Erfahrungen der B-2 Spirit mit dem Projekt Blended Wing Body derzeit eine zivile Nutzung des Nurflügel-Systems für die Passagierluftfahrt. Ein verkleinerter Prototyp, die Boeing X-48, wurde bereits erfolgreich getestet.
Das DLR erforscht in Zusammenarbeit mit Airbus die Realisierung eines Very Efficient Large Aircraft.
Nurflügel findet man häufig im Flugmodellbau sowie bei fußstartfähigen Luftsportgeräten (flexible und starre Hängegleiter sowie Gleitflugzeuge).
Siehe auch
Literatur
- Storck R., 2003: Flying Wings - Die historische Entwicklung der Schwanzlosen- und Nurflügelflugzeuge der Welt. ISBN 3-7637-6242-6, Bernard&Graefe Verlag Bonn,464 Seiten.
- Umfangreiche Typendokumentation, Zeichnungen & Fotos.
- Nickel K. und Wohlfahrt M., 1990: Schwanzlose Flugzeuge. ISBN 3-7643-2502-X, Birkhäuser Verlag.
- Sehr umfangreiches Lehrbuch, in dem alle Nurflügeltypen behandelt werden.
- Horten R. und Selinger P., 1993: Nurflügel, Die Geschichte der Horten-Flugzeuge 1933-1960. ISBN 3-900310-09-2, H. Weishaupt Verlag, Graz.
- Reich bebilderter Band, beschreibt die Geschichte der Entwicklung der Nurflügler der Brüder Horten. Zahlreiche Typenskizzen.
- Diplomarbeit zum Thema (PDF, 7,57 MB)
- Schweißgut R., 2004: WING-TIPS. Selbstverlag Robert Schweißgut.
- Hier werden zahlreiche Nurflügelmodelle (Horten-, Pfeil- und Brettkonzepte) vorgestellt.
Weblinks
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