Nährwertkennzeichnung

Nährwertkennzeichnung
Nährwertangabe ("Big Four") auf der Verpackung einer Instantsuppe
Nährwertangabe auf einer Getränkedose

Unter Nährwertkennzeichnung versteht man die Angabe des durchschnittlichen Nährwerts auf Lebensmittelverpackungen. Ihre Angabe erfolgt in Deutschland und den Mitgliedsstaaten der EU in der Regel freiwillig; verpflichtend ist die standardisierte Kennzeichnung gemäß EG-Richtlinie 90/496/EWG allerdings immer dann, wenn das Produkt nährwertbezogene Angaben enthält oder Werbung damit gemacht wird.[1] Man findet sie inzwischen auf zahlreichen Lebensmitteln.

Inhaltsverzeichnis

Künftige Kennzeichnung in der EU

Derzeit (Mitte 2010) wird eine einheitliche europäische Kennzeichnungsverordnung beraten, die so genannte Lebensmittelinformationsverordnung. Der Entwurf dieser Verordnung wurde im Juni 2010 in erster Lesung im Europaparlament behandelt[2]. Demnach wird es in Europa künftig eine verpflichtende Nährwertkennzeichnung geben. Zusätzlich zur Nährwertkennzeichnung soll es einfach verständlich Nährwertangaben auf der Vorderseite der Verpackung geben. Das ist - nach dem Willen des Parlaments - allerdings nicht die Ampelkennzeichnung sondern die GDA-Kennzeichnung, ein Modell, das ursprünglich von der Industrie entwickelt wurde. Dieses Modell wurde 2008 auch von der deutschen Bundesregierung vorgeschlagen[3] Die Lebensmittelhersteller haben schon vor einigen Jahren damit begonnen, dieses System auf vielen Verpackungen zu etablieren, wobei die Herausstellung der Kalorie gegenüber der SI-Einheit Joule ein Verstoß gegen die Richtlinie 80/181/EWG[4] und entsprechendes nationales Recht ist.

Modelle der erweiterten Nährwertkennzeichnung

Weitere Modelle der so genannten "erweiterten Nährwertkennzeichnung" sind etwa die Ampel, die von der britischen Ernährungsbehörde Food Standard Agency (FSA) entwickelt wurde, das schwedische Keyholemodell (Schlüsselloch), das schon vor Jahren von der schwedischen Ernährungsbehörde, NFA erarbeitet wurde oder auch das Logo "Bewusst wählen", das drei große Lebensmittelhersteller ins Leben gerufen haben und das mittlerweile in den Niederlanden unter dem Namen "Ik Kies Bewust" (ich wähle bewusst) Verbreitung gefunden hat, aber auch in Deutschland auf einigen Produkten zu sehen ist [5]. Der Vergleich dieser Modelle zeigt, dass dahinter völlig unterschiedliche Bewertungskonzepte stecken. So werden bei der Ampelkennzeichnung immer 100 g eines Produktes bewertet, unabhängig davon, um welches Produkt es sich handelt. Für das Keyholemodell hingegen wurden für jede Produktkategorie andere Nährstoffgrenzen festgelegt. So werden Milchprodukte beispielsweise nach anderen Kriterien bewertet als Frühstückcerealien.[6] Das "sCALe"-Kennzeichnungsmodell [7] ist ein Kennzeichnungskonzept einer Gesundheitsberatungs-Agentur und wird bislang auf Lebensmitteln nicht eingesetzt.

Gestaltung und Umfang der Nährwertkennzeichnung

Die Nährwertkennzeichnung ist bislang noch freiwillig. Nur wenn ein Hersteller darauf hinweist, dass sein Produkt besondere Nährwerteigenschaften hat, dann muss er auch angeben, welche Nährwerte im Produkt enthalten sind. Trotzdem werden auf vielen Lebensmitteln die sogenannten „Big Four“ angegeben. Darunter versteht man den physiologischen Brennwert, gefolgt von Eiweiß-, Kohlenhydrat- sowie Fettgehalt des Lebensmittels, bezogen auf 100 g oder 100 ml des Roh- oder Fertigprodukts. Die Angabe erfolgt dabei in dieser Reihenfolge. Ergänzend können Angaben zu Zucker, gesättigten Fettsäuren, Ballaststoffen sowie Natrium erfolgen („Big Eight“), sowie zu Vitamin- und Mineralstoffgehalt. In den USA müssen trans-Fettsäuren, welche unter anderen bei der Fetthärtung entstehen, gesondert gekennzeichnet werden, in einigen Staaten sind diese sogar verboten. Die Angaben der Nährwertkennzeichnung sind Durchschnittswerte und unterliegen gewissen natürlichen und produktionsbedingten Schwankungen.

Rechtliches zum Thema Nährwertkennzeichnung

In ganz Europa und damit auch in Deutschland ist die Nährwertkennzeichnung unter anderem auch durch die "Verordnung EG Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel" (Health-Claims-Verordnung) geregelt. Am 16. Mai 2006 hat das Europäische Parlament in zweiter Lesung dem Health-Claims-Verordnungsvorschlag zugestimmt. Sie wurde am 30. Dezember 2006 veröffentlicht und trat am 1. Juli 2007 in Kraft. [8]

In der Verordnung werden strenge Regeln für die Verwendung von nährwertbezogenen Angaben wie etwa „fettarm“, „hoher Ballaststoffgehalt“ oder „zuckerarm“ aufgestellt. Sie dürfen nur benutzt werden, wenn festgelegte Werte erfüllt sind. So muss ein Lebensmittel mindestens 6 g Ballaststoffe pro 100 g enthalten, um mit der Angabe „hoher Ballaststoffgehalt“ werben zu dürfen, und weniger als 0,12 g Natrium pro 100 g oder 100 ml bei der Angabe „natriumarm/kochsalzarm“. Eine nährwertbezogene Angabe darf nur noch gemacht werden, wenn das betreffende Lebensmittel ein bestimmtes Nährwertprofil (z. B. geringer Gehalt an Fett, Salz oder Zucker) aufweist. Diese Profile müssen von der Kommission und den Mitgliedsstaaten auf Grundlage eines Gutachtens der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) noch festgelegt werden.

In Zusammenhang mit den gesundheitsbezogenen Angaben wird die Europäische Kommission eine Liste der anerkannten Angaben erstellen − beispielsweise „Kalzium ist gut für die Knochen“ −, die verwendet werden dürfen, sofern sie auf das jeweilige Lebensmittel zutreffen. Diese werden in einer Positivliste der EU gesammelt.

Gesundheitsbezogene Angaben oder Angaben, die sich auf die Verminderung eines Krankheitsrisikos beziehen, beispielsweise „Kalzium vermindert das Osteoporose-Risiko“, bedürfen einer Sonderzulassung.

Die Verordnung gilt nicht nur für Aussagen, sondern auch für Produktnamen, Marken, Bilder, graphische Darstellungen, etc.

foodwatch

Für eine Änderung der Nährwertkennzeichnung von der GDA ( Guideline Daily Amount) zur Ampel setzte sich 2008 besonders der Verein foodwatch ein. Foodwatch ist ein 2002 gegründeter Verein, der Kampagnen für die Verstärkung der Verbraucherrechte in Sachen Lebensmitteln entwirft und sich so auch für die verbraucherfreundliche Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln einsetzt. Der Verein, der lediglich aus zwölf Mitarbeitern besteht, finanziert sich durch Beiträge und Spenden und konzentriert sich in seiner Arbeit hauptsächlich auf Medien- und Öffentlichkeitsarbeit und Förderer- bzw. Spendenwerbung. Zu den erfolgreichen Kampagnen von foodwatch zählen z.B. der Etiketten-Skandal von 2009 und das Aufdecken des „Frischhaltens“ von Fleisch durch ein Sauerstoff-Gemisch im Jahr 2010. Durch diese erfolgreichen Kampagnen gelang es dem Verein, eine Vielzahl von Förderern und eine allgemeine Zustimmung durch die Bevölkerung zu gewinnen. Nachdem im Jahr 2008 der EU-Verordnungsentwurf für eine verpflichtende Lebensmittelkennzeichnung verfasst wurde, startete das Bundesverbraucherministerium eine Umfrage zu der Nährwert-Ampel, nach der achtzig Prozent der Befragten die Ampel für übersichtlich, informativ und verständlich hielten. Verbraucherminister Seehofer entschied sich daher anschließend für eine freiwillige farbliche Nährwertkennzeichnung, worauf eine kleine Zahl an Lebensmittelherstellern einen Teil ihrer Produkte mit der Nährwert-Ampel versah. Nach einer foowatch- Umfrage im September 2008 stimmten sogar vierundachtzig Prozent der Befragten für eine verbindliche Ampel- Kennzeichnung. foodwatch warben in ihrer Kampagne für eine einfache und verständliche Information über Lebensmittel, die eine ausgewogene Ernährung für den Verbraucher erleichtern soll und die der zunehmenden Adipositas in der Bevölkerung entgegenwirken soll. Zudem kritisiert foodwatch an der GDA-Kennzeichnung, dass sie für den Verbraucher durch die Nährwertangaben auf unterschiedliche Mengenangaben des Produktes sehr unübersichtlich und verwirrend sei. Sie erklären, Verbrauchern müsse Orientierung geboten werden, vor allem hinsichtlich Zucker-, Fett- und Salzgehalt der Lebensmittel. Gegen diese Kennzeichnung von Lebensmitteln sprechen sich die Lebensmittelonzerne aus, da sie einen Verlust durch weniger positiv gekennzeichnete Lebensmittel befürchten, die die Verbraucher durch die neue Kennzeichnung eventuell bewusster meiden könnten. Zudem würden auch Lebensmittel, bei denen schon jetzt ein hoher Fett-, Zucker- oder Salzgehalt bekannt ist (z.B. Butter, Schokolade, Brot etc.) durch die Ampel als rot gekennzeichnet und könnten so eine negative Assoziation beim Verbraucher auslösen, obgleich er sich den Nähwerten schon vorher bewusst sein konnte.

Im Juni 2010 stimmte das Europäische Parlament jedoch mit relativ knapper Mehrheit gegen die Ampel und für das GDA-System. Zusätzlich sollten andere verpflichtende Kennzeichnungssysteme verboten  werden, sogar auf einzelstaatlicher Ebene. Die Regierung eines EU-Mitgliedsstaates könnte so die Ampelkennzeichnung nicht einmal zusätzlich zum EU-Standard national einführen. Eine endgültige Entscheidung wird nicht vor 2011 erwartet. Bevor die Verordnung verabschiedet ist, müssen sich Parlament und der Ministerrat, also die 27 zuständigen Fachminister der EU-Staaten, auf eine Kennzeichnung verständigen.

Quellen

  1. Richtlinie 90/496/EWG des Rates vom 24. September 1990 über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln
  2. http://www.europarl.europa.eu/news/expert/infopress_page/067-76128-165-06-25-911-20100615IPR76127-14-06-2010-2010-false/default_de.htm
  3. Leitfaden zur erweiterten Nährwertkennzeichnung vorgelegt, Pressemitteilung des Bundesverbraucherschutzministeriums vom 30. Mai 2008
  4. Richtlinie 80/181/EWG des Rates vom 20. Dezember 1979 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Einheiten im Messwesen und zur Aufhebung der Richtlinie 71/354/EWG
  5. aid infodienst e.V.: Nährwertkennzeichnung in Deutschland
  6. aid infodienst e.V.: Vier Modelle im Vergleich
  7. sCALe-Kennzeichnung
  8. VERORDNUNG (EG) Nr. 1924/2006

Literatur

  • Friedrich Senser, Heimo Scherz, Eva Kirchhoff, (Hrsg.): Der kleine 'Souci-Fachmann-Kraut'. Lebensmitteltabelle für die Praxis, Stuttgart 2004, ISBN 3804720374.

Weblinks

 Commons: Nährwertkennzeichnung – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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