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Ohrwürmer Gemeiner Ohrwurm (Forficula auricularia)
Systematik Unterstamm: Tracheentiere (Tracheata) Überklasse: Sechsfüßer (Hexapoda) Klasse: Insekten (Insecta) Unterklasse: Fluginsekten (Pterygota) Überordnung: Neuflügler (Neoptera) Ordnung: Ohrwürmer Wissenschaftlicher Name Dermaptera De Geer, 1773 Ohrwürmer (Dermaptera) sind eine Ordnung der Insekten und gehören zu den Fluginsekten (Pterygota).
Inhaltsverzeichnis
Namensgebung
Von der Antike bis in die frühe Neuzeit hinein wurden die Tiere pulverisiert als Medizin gegen Ohrkrankheiten und Taubheit verabreicht.[1] Während der Gebrauch in Vergessenheit geriet, blieb der lateinische Name auricula (von auris „Ohr“) erhalten. Von diesem sind auch die Bezeichnungen earwig im Englischen und perce-oreille im Französischen abgeleitet. Ohrwürmer sind jedoch für Menschen vollkommen ungefährlich: Die Zangen werden, je nach Art, bei der Jagd auf kleine Insekten, zur Flügelentfaltung und zur Verteidigung genutzt, nicht zum Zerkneifen von Trommelfellen, wie durch viele Mythen suggeriert wird. Um das menschliche Trommelfell zu zerschneiden, sind sie viel zu schwach. Den Mythen zufolge würden Ohrwürmer schlafenden Menschen ins Ohr krabbeln, das Trommelfell durchtrennen und ihre Eier im Gehirn des Menschen ablegen. Es gibt eine Vielzahl weiterer Legenden, die jedoch den Ohrwurm oder auch Ohrenkneifer gefährlicher darstellen, als er ist.
Andere leiten den Namen Ohrwurm von Öhrwurm ab wegen des Nadelöhrs, dem die Hinterzange des männlichen Ohrwurms ähnelt. Die unzutreffende Endung -wurm erhielt diese Insektenart wegen ihrer wurmähnlichen Gestalt. Im deutschen Sprachraum sind die Tiere unter verschiedensten regionalen Variationen ihres Namens bekannt.
Alternative deutschsprachige Bezeichnungen für Ohrwürmer sind Ohrenwusler (süddt.),Ohrenschlüpfer, Ohrenhöhler, Ohrenschlitze, Ohrenkneifer, Ohrenschlinger, Ohrenzwicker und Ohrenkriecher.
Allgemeines
Die Körperlänge der Tiere beträgt meistens zwischen 10 und 20 Millimetern, einige Arten können auch deutlich größer werden, beispielsweise der Riesenohrwurm (Titanolabis colossa) mit bis zu 50 Millimetern Körperlänge. Der mittlerweile verschollene St.-Helena-Riesenohrwurm (Labidura herculeana) wird bis zu 80 Millimetern lang.
Die Vorderflügel der Ohrwürmer sind derb verhärtet und verkürzt (in Derma(to)ptera bedeutet (gr.) derma so viel wie „Leder“). Sie bedecken nur den vordersten Teil des Abdomens. Die häutigen Hinterflügel werden unter diesen Deckflügeln sehr kompakt gefaltet. Nur wenige Arten der Ohrwürmer fliegen, einige haben die Flugmuskulatur und auch die Flügel komplett zurückgebildet. Der Hinterleib endet in einem Paar zu Zangen umgebildeter Hinterleibsfäden, den Cerci, die bei männlichen Tieren stark gebogen, bei weiblichen eher gerade sind. Diese Umbildung hat ihnen auch den umgangssprachlichen Namen „Ohrenkneifer“ eingebracht. Diese Zangen werden zur Jagd, zur Verteidigung und als Hilfe beim Entfalten der Hinterflügel sowie bei der Begattung eingesetzt. Die meisten Arten haben gut ausgebildete Facettenaugen. Punktaugen (Ocellen) sind aber immer reduziert.
Lebensweise
Ohrwürmer bevorzugen warme Gebiete und Habitate. Sie ernähren sich von Pflanzenteilen und Bestandsabfall, einige Arten sind jedoch auch Räuber und jagen kleinere Insekten. Beinahe alle Arten sind nacht- oder dämmerungsaktiv und halten sich tagsüber unter Steinen, in Baumrinden oder anderen Verstecken auf.
Der Gemeine Ohrwurm ist ein Allesfresser und gilt als Nützling, er frisst zum Beispiel Blattläuse oder Schmetterlingsraupen. Er ist aber auch ein Schädling, wenn er weiche Pflanzenteile anfrisst, wie die Blüten. Härtere Schalen und Fruchthäute kann er aber nicht anfressen: so nutzt er bei Trauben oder Äpfeln nur die bestehenden Schadstellen aus und ist nicht für sie selbst verantwortlich. Auf Apfelbäumen findet man ihn häufig in den Fraßgängen des Apfelwicklers. Andere Arten wie der Sandohrwurm, Labidura riparia, sind reine Fleischfresser und können dann zur Schädlingsreduktion beitragen. Ohrwürmer bringen in der Regel nur eine Generation pro Jahr hervor.
Neben einem sehr ausgeprägten Balzverhalten kommt bei allen untersuchten Arten eine Brutpflege vor. Dabei werden die Eier und die Larven in selbst gebauten Höhlungen, aber auch in Blattrillen oder unter Rinde beschützt, oft gepflegt und gesäubert und teilweise sogar gefüttert.
Taxonomie
Der Name Dermaptera wurde von De Geer eingeführt, ursprünglich für eine Gruppe, die außer den Ohrwürmern auch die Heuschrecken, Fangschrecken und Schaben umfasst. Daher wird gelegentlich auch der Name Dermatoptera, eingeführt von Burmeister (1838), verwendet, um auszudrücken, dass man sich ausschließlich auf die Ohrwürmer bezieht.
Die 1800 bekannten Arten werden in drei Gruppen unterschieden, die sich vor allem in der Lebensweise und an der Ausbildung der Augen und der Flügel unterscheiden.
- Forficulina
Die Augen der Forficulina sind sehr gut ausgebildet, die meisten Arten haben gut ausgebildete Flügel. In diese Gruppe gehören die meisten Arten der Ohrwürmer, unter ihnen alle in Mitteleuropa vorkommenden Arten:
- Labiduridae
- Sandohrwurm – Labidura riparia (Pallas, 1773)
- Anisolabididae
- Südlicher Ohrwurm – Euborellia annulipes (Lucas, 1847) (Syn.: Anisolabis annulipes)
- Forficulidae
- Gemeiner Ohrwurm – Forficula auricularia (Linnaeus, 1758)
- Gebüsch-Ohrwurm – Apterygida media (Hagenbach, 1822)
- Zweipunkt-Ohrwurm – Anechura bipunctata (Fabricius, 1781)
- Wald-Ohrwurm – Chelidurella acanthopygia (Géné, 1832)
- Chelidura guentheri Galvagni, 1993
- Chelidura thaleri Harz, 1980
- Spongiphoridae
- Zwerg-Ohrwurm – Labia minor (Linnaeus, 1758)
- Arixeniina
Bei diesen Tieren sind die Komplexaugen nur klein, Flügel fehlen. Eine bekannte Art ist der als Phorent an Fledermäusen lebende Arixenia esau in Malaysia. Die lebendgebärenden Arixeninae leben ausschließlich auf oder nahe von Fledermäusen auf Malaysia und den Philippinen.
- Hemimerina
Bei den Hemimerina sind sowohl die Komplexaugen als auch die Flügel vollständig reduziert. Alle Arten leben auf den Riesenhamsterratten (Cricetomys) in Afrika, wo sie sich wohl von Hautpilzen und -schuppen ernähren. Es konnte noch nie gezeigt werden, dass die Hemimerina den Riesenhamsterratten schaden würden. Deshalb sind die Hemimerina nicht als Parasiten, sondern als Mutualisten oder eventuell als Symbionten zu bezeichnen.
Phylogenie
Die am meisten bevorzugte Theorie zur Phylogenie der Ohrwürmer wurde 1985 von E. J. Popham aufgrund von genitalmorphologischen Untersuchungen aufgestellt. In seiner Darstellung stellen die Arixeniina nur ein Taxon innerhalb der Forficulina dar.
Neuere Hypothesen von Haas und Kukalova-Peck (1995 und 2001) weichen teilweise stark von dieser phylogenetischen Hypothese ab, wobei sie weit besser belegt sind als die Pophamschen Hypothesen, und von molekularen Arbeiten gestützt werden.
Fossile Belege
Ohrwürmer sind seit dem Jura bekannt. Imagines sind mit vier Arten der Gattung Forficula aus verschiedenen tertiären Bernsteinlagerstätten (insbesondere dem Baltischen Bernstein eozänen Alters) vertreten. In Bernstein sind auch Einschlüsse mit Larven gefunden worden, die den Gattungen Forficula, Labidura und Pygidicrana angehören.[2][3]
Gefährdung
Die einzige Art auf der weltweiten roten Liste der IUCN ist der St.-Helena-Riesenohrwurm Labidura herculeana (Fabricius, 1798). Dieser kam nur auf der atlantischen Insel St. Helena vor und wurde seit einigen Jahren nicht mehr gefunden. Im Jahre 1995 soll nochmal ein Paar der Hinterleibszangen (sog. Cercus) gefunden worden sein, lebende Tiere aber nur bis etwa zur zweiten Hälfte der 1960er Jahre.
Weblinks
Commons: Ohrwürmer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Tree of Life Dermaptera
- CSIRO Dermaptera
- Earwig Research Centre: Seite mit zahlreichen Bildern und Literaturbelegen
Einzelnachweise
- ↑ Gundolf Keil: Die Bekämpfung des Ohrwurms nach Anweisungen spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher deutscher Arzneibücher. In: Zeitschrift für deutsche Philologie. 79, 1960, S. 176–200, ISSN 0044-2496.
- ↑ George O. Poinar, Jr.: Life in Amber. 350 S., 147 Fig., 10 Tafeln, Stanford University Press, Stanford (Cal.) 1992. ISBN 0-8047-2001-0
- ↑ Wolfgang Weitschat und Wilfried Wichard: Atlas der Pflanzen und Tiere im Baltischen Bernstein, 256 S., zahlr. Abb., Pfeil-Verlag, München 1998. ISBN 3-931516-45-8
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