- Orli Wald
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Orli (Aurelia) Wald, geb. Torgau, gesch. Reichert (*1. Juli 1914 in Bourell bei Maubeuge; † 1. Januar 1962 in Ilten bei Hannover), war Widerstandskämpferin und als NS-Verfolgte von 1936 bis 1945 Zuchthaus- und Konzentrationslager-Gefangene. Sie war Lagerälteste im Häftlingskrankenbau des KZ Auschwitz-Birkenau und wurde aufgrund ihrer Hilfsbereitschaft als „Engel von Auschwitz“ bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Als sechstes Kind eines deutschen Facharbeiters wurde sie in Frankreich geboren. Kurz nach ihrer Geburt begann der Erste Weltkrieg. Infolge dessen wurde die Familie interniert und anschließend die Mutter samt Kindern nach Trier ausgewiesen. In Trier absolvierte sie nach dem Schulabschluss eine Lehre als Verkäuferin und wurde in den 1920er Jahren Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes (KJVD). Nach der „Machtergreifung“ engagierte sie sich im politischen Widerstand. Ihre Ehe mit Fritz Reichert wurde 1935 geschlossen, der jedoch 1936 die Scheidung einreichte. Im Juni 1936 erfolgte die Verhaftung ihrer Widerstandsgruppe und eine Anklage wegen Hochverrats. Im Dezember 1936, mit 22 Jahren, wurde sie zu vier Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. Die Verhaftung erfolgte vermutlich auch aufgrund belastender Aussagen ihres Ehemannes. Schließlich erfolgte 1939 die Ehescheidung, auch mit der Begründung, dass sich Reichert zum Nationalsozialismus bekannte und Angehöriger der SA war.
Trotz voller Verbüßung ihrer Haftstrafe im Frauenzuchthaus Ziegenhain bei Kassel kam sie anschließend ins KZ Ravensbrück, wo sie eine Freundschaft mit Margarete Buber-Neumann verband. Im März 1942 wurde sie ins KZ Auschwitz mit der Häftlingsnummer 502 eingeliefert. Sie wurde im berüchtigten Häftlingskrankenhaus beschäftigt und dort 1943 Lagerälteste. Dort erlebte sie unfassbare Gräuel: KZ-Ärzte, die Säuglinge mit Phenolspritzen töteten und Menschenversuche vornahmen und Kranke, statt zu versorgen, für die Vergasung selektierten. Auch im Lager gehört sie der deutschen Widerstandsgruppe an. Unter Lebensgefahr half und rettete sie jüdische und andere Häftlinge. Anerkennend nannten sie Mithäftlinge den Engel von Auschwitz. Sie überlebte im Januar 1945 den Todesmarsch von Auschwitz ins KZ Ravensbrück und das Außenlager Malchow. Von hier gelang ihr im April 1945 die Flucht.
Infolge ihrer Haft konnte sie den Namen Reichert nicht ablegen, den sie während ihrer Verurteilung und Inhaftierung führte. Im November 1947 heiratet sie Eduard Wald, Schwager von Otto Brenner, Widerstandskämpfer und NS-Verfolgter wie sie, und zog im gleichen Jahr nach Hannover. Entgegen anderen Darstellungen währte diese Ehe mit dem führenden sozialdemokratischen Gewerkschafter bis zu ihrem Lebensende. Beide hatten sich offensiv gegen stalinistische Verfolgungen und Machenschaften der SED gewandt und traten der SPD bei. Mit autobiographischen Kurzgeschichten versuchte sie die traumatischen Erlebnisse der KZ-Haft zu bewältigen. Sie litt bis zu ihrem Tod an den Folgen der Gefangenschaft. In Hannover trägt im Ortsteil Wettbergen seit 1984 eine kleine Straße den Namen „Reicherthof“. Diese Benennung (ohne Vornamen) war missverständlich und wurde nach der Vorgeschichte von Angehörigen nicht als Ehrung verstanden. Deshalb hat 2007 die Stadt Hannover in der Südstadt eine Straße entlang des Stadtfriedhof Engesohde, auf dem sich ihr Grab befindet, in „Orli-Wald-Allee“ umbenannt.
Werke
- Kurzgeschichten und Gedichte, erschienen in verschiedenen Publikationen
- Nachgelassenes - Schriften von Orli Wald in Der dunkle Schatten
- Orli Wald-Reichert: Das Taschentuch. in H. G. Adler, Hermann Langbein & Ella Lingens-Reiner, Hgg.: Auschwitz. Zeugnisse und Berichte. EVA Köln 1979, ISBN 3434004114 S. 105 - 108 [1]
Quellen/Literatur
- Bernd Steger, Günter Thiele, Hg. Peter Wald: Der dunkle Schatten. Leben mit Auschwitz. Erinnerungen an Orli Reichert-Wald. Schüren, Marburg 1989, ISBN 3-924800-57-X
- erw. Neuauflage: Steger & Wald: Hinter der grünen Pappe. Orli Wald im Schatten von Auschwitz. Leben und Erinnerungen. VSA-Verlag Hamburg 2008 ISBN 9783899653229
- Hermann Langbein: Menschen in Auschwitz. Europa, Wien 1996 ISBN 3-203-51145-2 (auch: Ullstein)
- Margarete Glas-Larsson: "Ich will reden!". Hg. G. Botz, Wien 1981 ISBN 3-217-01186-4
- Adélaïde Hautval: Medizin gegen die Menschlichkeit. Die Weigerung einer nach Auschwitz deportierten Ärztin, an medizinischen Experimenten teilzunehmen. Karl Dietz, Berlin 2008, ISBN 9783320021542
- Ella Lingens-Rainer: Gefangene der Angst. Berliner Taschenbuchverlag, 2005 ISBN 3-8333-0152-X
- Bruno Baum: Widerstand in Auschwitz. VVN, Berlin 1949 (S. 25); wieder Kongress, Berlin 1962, S. 80[2]
- Nachlass Edu Wald, DGB-Archiv, Düsseldorf und Archiv der sozialen Demokratie
Weblinks
- Peter Wald
- Stolpersteine Trier Biografie
- Orli-Wald-Allee Beschlussfassung
- Orli-Wald-Allee Hannover
- Orli-Wald-Allee erinnert an Widerstandskämpferin (PDF-Datei)
- Buchrezension Der dunkle Schatten – Leben mit Auschwitz
- Ansprache zur Straßenumbenennung (Druck bitte abbrechen dann erscheint der Artikel)
- Orli Wald Informationsflyer (PDF-Datei; 307 kB)
Belege
- ↑ ein Erlebnisbericht aus Auschwitz über die Ermordung eines blinden Mädchens mit Gift-Spritze durch die SS, die Tochter eines deutschen Offiziers, nach Aussage der polnischen Mutter. Zuerst: Zeitung "Thüringer Volk," 10. April 1948. Der Mörder mit der Spritze war Hans Nierzwicki (1905 - 1967), der nach 1945 unbestraft blieb
- ↑ in der Schreibweise Orly Reichert. Baum war später ein linientreuer SED-Funktionär.
Kategorien:- Funktionshäftling
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