4. Klavierkonzert (Beethoven)

4. Klavierkonzert (Beethoven)

Das Klavierkonzert Nr. 4, G-Dur, op. 58 von Ludwig van Beethoven entstand in den Jahren 1805 bis 1806. Es wurde im März 1807 in Wien bei einem halbprivaten Konzert im Palais Lobkowitz und am 22. Dezember 1808 mit Beethoven als Solisten am Theater an der Wien öffentlich uraufgeführt. Das Klavierkonzert stand an diesem Tag auf dem Programm einer Akademie, bei der auch die 5. Sinfonie, die 6. Sinfonie, Teile der Messe C-Dur op. 86 sowie die Chorfantasie uraufgeführt wurden. Beethoven widmete sein op. 58 Erzherzog Rudolph.

Zusammen mit dem 5. Klavierkonzert in Es-Dur stellt dieses Werk Beethovens wichtigsten Beitrag zur Gattung des Klavierkonzertes dar. In diesem Werk etablierte Beethoven neue ideelle und künstlerische Qualitäten. Die in der Musikwissenschaft so oft diskutierte Verschmelzung zwischen Sinfonie und Klavierkonzert zum sogenannten sinfonischen Klavierkonzert findet hier einen Anfang. Der Sinfoniker Beethoven erweitert die vormals differenzierte Form des Solokonzertes um den sinfonischen Aspekt. Erstmals bei Beethovens Solokonzerten bilden auch die drei kontrastreichen Sätze inhaltlich eine Einheit. Lyrische und idyllische Gedanken stehen im Vordergrund des Werkes. Im Konzept Beethovens ist der zweite Satz, als Höhepunkt der Auseinandersetzung mit den finsteren Mächten, von besonderer Bedeutung.

Inhaltsverzeichnis

Werkbeschreibung

Das Klavierkonzert besteht aus folgenden Sätzen

  1. Allegro moderato
  2. Andante con moto
  3. Rondo, Vivace

An den Beginn des Satzes stellt Beethoven ein Thema von zarter und lyrischer Schönheit. Mit leisen G-Dur-Akkorden wird der Satz in piano-Lautstärke vom Klavier eröffnet. Dieses Allegro führt sich mit einem melodischen Thema ein, welches gleichzeitig eine Art rhythmisches Grundgerüst für den weiteren Verlauf des Satzes ist. Die leise bebenden, in Achteln vorgetragenen Akkorde stellen dem Satz gleichsam ein Motto voran. Eine Verwandtschaft mit dem „Schicksalsmotiv“ aus seiner 5. Sinfonie op. 67 lässt sich nicht von der Hand weisen. Nach dieser Einleitung setzt das Orchester mit der Exposition ein. Das Thema wird nach H-Dur geführt, weiterentwickelt und zurück in die Ausgangstonart G-Dur moduliert. Erst hiernach setzt das Soloinstrument wieder ein. Das folgende zweite Thema wirkt geheimnisvoll und ist von schwebendem Charakter. Zunächst wird das Thema in a-Moll vorgetragen, erklingt anschließend jedoch sieghaft gesteigert in C-Dur. Erst in Verbindung mit dem vorwärtsdrängenden Hauptthema offenbart sich triumphal die gesamte Kraft dieses zweiten Themas. Es entwickelt sich im Folgenden ein virtuos geführter Dialog zwischen dem Orchester und dem Solisten. Hierbei entwickeln sich verschiedene kleine, neue Themen. Besonders in den Mittelpunkt rückt eine Doppelschlagmelodie im Diskant des Klavieres. Dieses mit Trillern verzierte B-Dur-Thema taucht im gesamten Satz noch häufiger auf. Im triumphalen Zusammenspiel des Pianisten mit dem Orchester hat der Solist expressives Figurenwerk, schillernde Triller, gewaltige Akkorde und chromatische Läufe zu bewältigen. Beethoven stellt für dieses Konzert zwei Kadenzen zur Auswahl. Die von Beethoven bevorzugte Kadenz ist themenbezogener und entwickelt ihre Virtuosität bis zum Ende hin. Die zweite Kadenz, „Triolenkadenz“ genannt, wird beispielsweise von dem bedeutenden italienischen Pianisten Maurizio Pollini bevorzugt. Dem Pianisten steht frei, welche der beiden Kadenzen er wählt. Der Kadenz folgt ein letzter lyrischer Teil mit einem Zitat des Hauptthemas, bevor der gewaltige Satz einen glanzvollen Abschluss durch das Orchester findet.

Der Mittelsatz ist in diesem Konzert von großer thematischer Bedeutung. Die Wahl der parallelen Molltonart e-Moll verdeutlicht nochmals die enge thematische Einbindung des zweiten Satzes in das Gesamtgefüge. Nach Aussagen von Freunden Beethovens wurde der Satz durch die Orpheussage angeregt. Der Sänger der Liebe bezwingt dort die finsteren Mächte der Unterwelt. Dieser Konflikt wird von Beethoven durch die zwei Prinzipien dargestellt, mit denen er selbst die Dialektik seines Schaffens beschreibt. Ein sehr düsteres, marschartiges Unisono-Thema wird einleitend vom Orchester vorgetragen. Beantwortet wird es von einem innigen, um Frieden flehenden Legatothema des Klavieres. Es entsteht ein Dialog, in dessen Verlauf beide „Seiten“ nicht weniger als elf immer kürzer werdende Argumente vortragen. Hierbei findet eine Gegenbewegung beider Themen statt. Während das selbstbewusste Orchester immer zaghafter, leiser und kürzer in seinen Aussagen wird, gewinnt das innige Klavierthema an Selbstbewusstsein. Das scheinbar unbezwingbare Motiv der Mächte der Finsternis verliert den Kampf gegen den Sänger der Liebe (nach Orpheus). Ein elementar ausbrechender Klaviersturm beendet das immer zaghafter werdende, düstere Schreitmotiv der Streicher endgültig und besiegelt den Sieg des Liebes-Themas.

Das Rondo Vivace, welches das Konzert in der Grundtonart G-Dur beschließt, ist von heiterem Charakter. Zunächst tastet sich das tänzerische Hauptthema in der Subdominante C-Dur langsam voran. Diese Zaghaftigkeit ist jedoch nur von kurzer Dauer. Das Solo-Klavier trägt das Thema nun in seiner gesamten Heiterkeit vor und das D-Dur-Zwischenthema kann sich anschließend vollkommen entfalten. Es wird von einer kontrapunktierten Gegenstimme gestützt und entwickelt. Nach einigen Abläufen der verschiedenen Satzteile (siehe Rondo) schließt auch dieser Satz mit einer Kadenz. Diese besteht aus Improvisationen, welche Beethoven notierte. Nach einer letzten Abwandlung des Rondothemas endet der Satz mit einer beethoventypischen, brillanten Presto stretta.

Das Konzert im Gesamtwerk Beethovens

Das G-Dur-Konzert schlägt, ebenso wie sein späteres Es-Dur-Konzert, Brücken zur nachfolgenden Epoche der Romantik. Es entstand in Beethovens produktivster Schaffensperiode. Das Konzert wurde in jener mittleren Schaffensperiode in Gesellschaft von Werken wie der 5. und 6. Sinfonie, dem Violinkonzert op. 61, berühmten Klaviersonaten („Waldstein“ op. 53 oder „Appassionata“ op. 57) und bedeutender Kammermusik komponiert.

Dieses Konzert ist der Mittelpunkt der Beethovenschen Weiterentwicklung dieses Genres. Die Entwicklung des Genres zum sinfonischen Klavierkonzert, die er bei seinem dritten Konzert begann, führt er nun über dieses Konzert weiter, um es mit seinem letzten Klavierkonzert zu vollenden. Auch dieses Konzert beeinflusste nachfolgende Künstler in bedeutendem Maße. Es gehört in das feste Repertoire jedes bedeutenden Pianisten.

Audiodateien

Siehe auch

Weblinks


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