- Peisistratos
-
Peisistratos, griechisch: Πεισίστρατος, lat. Pisistratus, (* wohl um 600 v. Chr.; † 528/527 v. Chr.) war ein antiker griechischer Politiker, der durch einen bewaffneten Staatsstreich Tyrann von Athen wurde.
Überlieferung
Die Quellenlage für die athenische Geschichte des 6. Jahrhunderts ist schlecht, da praktisch keine schriftlichen Zeugnisse aus dieser Zeit existieren; der älteste Bericht über die Ereignisse stammt von Herodot, der 100 Jahre später schrieb und sich weitestgehend auf mündliche Erzählungen stützen musste. Seine Darstellung enthält zahlreiche offensichtlich märchenhafte Elemente, die von der historischen Realität nicht immer leicht zu trennen sind. Noch spätere Quellen sind stark von Klischees (Tyrannentopik) beeinflusst, und die nochmals 100 Jahre später entstandenen Ausführungen des (Pseudo-)Aristoteles in der Athenaion Politeia sind mit offensichtlichen Anachronismen und Projektionen durchsetzt. Dies gilt es im folgenden zu beachten.
Über die Ursprünge der Tyrannis des Peisistratos berichtet Herodot (I, 59), dass drei Gruppierungen um die Vorherrschaft in Athen stritten. Dies sollen die „Küstenbewohner“ (Paraloi bzw. Paralioi), die „Leute aus der Ebene“ (Pediakoi oder Pedieis), und die „Bewohner jenseits des Gebirges“ (Hyperakrioi bzw. Diakrioi) gewesen sein. Zum zweiten hat Aristoteles später in seiner Athenaion Politeia in einer Erweiterung diesen Gruppierungen (Staseis) noch unterschiedliche verfassungspolitische Ziele zugeschrieben, etwas, das selbst solche Althistoriker, die der antiken Überlieferung im übrigen weitgehend vertrauen, in der Regel als unhistorisch verwerfen. Mehr ist aus den Quellen über die Tyrannis des Peisistratos nicht bekannt.
Vieles ist daher sehr umstritten, so gehen manche Historiker davon aus, Peisistratos habe nicht dreimal, sondern nur zweimal versucht, sich zum Alleinherrscher aufzuschwingen, und auch die herkömmliche Chronologie wird mitunter bezweifelt – sowohl Solon als auch Peisistratos lebten nach Ansicht mancher Forscher (etwa Norbert Ehrhardt) deutlich später; die Angaben der (ja sämtlich sehr späten) Quellen zu Peisistratos seien zudem problematisch oder gar wertlos. Und auch über die Ursachen und den Charakter seiner Herrschaft herrscht inzwischen Uneinigkeit.
Leben
Peisistratos, Sohn des Hippokrates (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Arzt), war laut späterer Tradition ein Freund Solons, des großen athenischen Reformers. Laut Herodot sollen seiner Geburt unheilvolle Vorzeichen vorangegangen sein.
Nachdem Solon Athen verlassen hatte (angeblich 565 v. Chr.), trat Peisistratos offenbar als Führer jener Partei hervor, die damals die Leute des attischen Berglandes vertrat. Wohl 561 v. Chr. stürmte er laut Herodot mit einem Trupp von bewaffneten Anhängern die Akropolis und ließ sich zum Tyrannen ausrufen, indem er vorgab, seine Feinde trachteten ihm nach dem Leben. Er konnte sich allerdings nicht lange halten, denn nur kurz darauf wurde er von Lykurg und Megakles, zwei anderen Aristokraten, die die Parteien der Ebene bzw. der Küste vertraten, aus seiner Position verjagt.
Doch nur kurz darauf wandte sich, so Herodot, das Glück wieder Peisistratos zu, als Megakles sich im Streit von Lykurg trennte und sich Peisistratos unter der Bedingung anschloss, dass dieser seine Tochter heiraten würde. Peisistratos willigte ein und konnte die Macht angeblich durch eine List wiedererlangen: Er fuhr auf einem Wagen durch Athen und neben ihm befand sich eine als Athene verkleidete Frau. Megakles überzeugte die verblüfften Athener, so heißt es, dass es sich hierbei wirklich um die Schutzgöttin der Stadt handelte. Die Athener sahen dies als Zeichen an und Peisistratos wurde zum Tyrannen gewählt – so wiederum Herodot.
Doch sollte Peisistratos diese Position erneut nicht lange innehaben. Herodot berichtet, Megakles sei nach einiger Zeit verärgert gewesen, weil Peisistratos sich weigerte, Kinder mit seiner Tochter zu zeugen. Darum schloss er sich wieder Lykurg an und verjagte Peisistratos erneut. Dieser ließ sich auf Euböa nieder und verdiente ein Vermögen im Silberbergbau. Elf Jahre später hob der wohlhabend gewordene Peisistratos Truppen aus und bestürmte mit Hilfe des Lygdamis von Naxos Athen. Er konnte den Widerstand der Verteidiger gewaltsam brechen. Zum dritten Mal machte er sich zum Tyrannen, aber diesmal konnte er sich gegenüber seinen Gegnern dauerhaft durchsetzen und herrschte seit etwa 546/545 v. Chr. 18 Jahre bis zu seinem Tod.
Nachdem er Lygdamis mit der Tyrannis von Naxos entlohnt hatte und sich keiner Opposition mehr stellen musste, da die meisten anderen Aristokraten kooperierten oder ins Exil gingen, brach unter Peisistratos offenbar eine im Großen und Ganzen glückliche Zeit an: Er sicherte sich die Unterstützung der Kleinbauern durch eine Neuverteilung der Ländereien zu deren Gunsten und hielt die politischen Strukturen Solons aufrecht, unterhielt aber auch eine respektable Privatarmee und sorgte dafür, dass nur Vertraute und Familienmitglieder in höhere Ämter aufsteigen konnten. Unklar ist die Rolle der mächtigen Familie der Alkmaioniden, deren Haupt, der spätere Reformer Kleisthenes, unter den Peisistratiden offenbar das Archontat bekleidete, später aber den Widerstand organisierte. Peisistratos gab sich sehr religiös, ließ einen großen Zeustempel beginnen (den erst Kaiser Hadrian Jahrhunderte später vollendete) und unterstützte massiv die Verehrung von Athene und Dionysos. Außerdem war er anscheinend den bildenden Künsten sehr zugetan und unterstützte zahlreiche Künstler. Vor allem aber florierte die attische Wirtschaft unter seiner Herrschaft, da er offenbar die Konjunktur unter anderem mit der Einführung des Münzwesens in Attika (um 550 v. Chr.) und der Unterstützung großangelegter Feiern ankurbelte – auch wenn die Zuschreibung dieser Maßnahmen an Peisistratos historisch nicht ganz gesichert ist. Auch ob er eine regelmäßige Steuer erheben ließ, wie die späteren Quellen behaupten, ist umstritten.
Nach Peisistratos’ Tod folgten ihm seine Söhne Hippias und Hipparchos, genannt die Peisistratiden, in der Herrschaft nach, bis die Tyrannis 510 durch Sparta beendet wurde.
Literatur
- S. P. Arrowsmith: The tyranny at Athens in the sixth century B. C., Diss. Manchester 1988.
- Helmut Berve: Die Tyrannis bei den Griechen. 2 Bände. Beck, München 1967.
- Norbert Ehrhardt: Athen im 6. Jh. v. Chr. Quellenlage, Methodenprobleme und Fakten. In: Euphronios und seine Zeit. Staatliche Museen, Berlin 1992, ISBN 3-88609-129-5, S. 12–23.
- Brian Lavelle: Fame, Money, and Power. The Rise of Peisistratos and "Democratic" Tyranny at Athens, Michigan UP, Ann Arbor 2004.
- Loretana de Libero: Die archaische Tyrannis. Steiner, Stuttgart 1996, ISBN 3-515-06920-8.
- Karl-Wilhelm Welwei: Athen. Vom neolithischen Siedlungsplatz zur Großpolis. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, ISBN 3-534-07541-2.
Wikimedia Foundation.