- Helmut Berve
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Helmut Berve (* 22. Januar 1896 in Breslau; † 6. April 1979 in Hechendorf am Pilsensee) war ein deutscher Althistoriker, dessen Werk von bis heute bedeutenden Forschungsleistungen ebenso geprägt ist wie von seiner nationalsozialistischen Weltanschauung.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Helmut Berve, als Sohn eines westfälischen Bankiers in Breslau geboren, machte 1914 am Elisabeth-Gymnasium seiner Heimatstadt Abitur und reist anschließend nach Italien. Als Freiwilliger trat er dem IV. Husarenregiment bei und leistete bis 1916 Kriegsdienst. Nach seiner Entlassung aus Krankheitsgründen studierte er ab 1916 Geschichte, Klassische Philologie, Klassische Archäologie und Kunstgeschichte in Breslau, unter anderem bei Conrad Cichorius, Walter Otto und Ernst Kornemann. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wechselte er an die Universitäten Marburg und Freiburg im Breisgau, im Sommersemester 1921 nach München, wo er noch im Juli 1921 bei Walter Otto zum Dr. phil. promoviert wurde. Nach einem Semester in Berlin kehrte Berve nach München zurück und habilitierte sich dort 1924 mit einer Studie über prosopographische Untersuchungen zum Hellenismus. Zwei Jahre später publizierte er sein auf der Habilitationsschrift aufbauendes, zweibändiges Werk Das Alexanderreich auf prosopographischer Grundlage. Während er im ersten Band unterschiedliche Aspekte der Herrschaft Alexanders untersuchte, widmete er sich im zweiten Band einer intensiven prosopographischen Betrachtung aller Personen im Umfeld des makedonischen Königs. Das Werk gilt heute noch als ein unverzichtbares Grundlagenwerk. Berve lehnte die Universalgeschichte im Stil Eduard Meyers ab und befürwortete stattdessen persönliche Einfühlung in bedeutende Persönlichkeiten („intuitive Schau“) sowie Volks- und Stammesgeschichte[1].
1927 folgte Berve einem Ruf als Ordinarius auf den Lehrstuhl für Geschichte in Leipzig, wo Franz Hampl, Alfred Heuß, Wilhelm Hoffmann, Hans Rudolph und Hans Schaefer zu seinen Studenten zählten und sich bei ihm habilitierten.
Bereits im April 1933 wurde Berve Mitglied der NSDAP. Noch im selben Jahr wurde er zum Dekan der Philosophischen Fakultät in Leipzig berufen. Im November 1933 gehörte Berve zu den Unterzeichnern des Bekenntnisses der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat[2].Von 1940 bis 1943 fungierte er als Rektor der Universität Leipzig. Gemeinsam mit Joseph Vogt leitete er außerdem den „altertumswissenschaftlichen Kriegseinsatz“, wofür sie u.a. die Sammelbände Das neue Bild der Antike und Rom und Karthago herausgaben. Seit 1934 war Berve Mitherausgeber der Zeitschrift Hermes.
1943 nahm Berve einen Ruf nach München als Nachfolger seines verstorbenen Lehrers Walter Otto an. Seine Berufung war aber einige Zeit zwischen der Universität und dem NS-Dozentenbund umstritten, da letzterer Berves Forschung als nicht genügend rassenkundlich ausgerichtet ansah.
Zwischen 1933 und 1945 propagierte Berve in zahlreichen Schriften die Einbindung der Altertumswissenschaften in das nationalsozialistische Weltbild. In seinen Forschung idealisierte Berve zum Beispiel die Kriegergemeinschaft Spartas und scheute auch vor rassistischen Ansätzen und der Betrachtung des Herrentums des antiken Adels nicht zurück. Besonders deutlich wurde seine Nähe zum nationalsozialistischen Weltbild in seinen Betrachtungen zur vermeintlichen „Verschmelzungspolitik“ Alexanders des Großen. Infolge seiner politischen Vergangenheit als nationalsozialistischer Aktivist wurde er Ende 1945 aus dem Hochschuldienst entlassen.
In der Sowjetischen Besatzungszone wurden Berves Schriften Thukydides (1938) und Imperium Romanum (1943) auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[3]
Berve ist ein besonders prominentes Beispiel für die zahlreichen aufgrund ihrer Rolle während der NS-Zeit hochbelasteten Wissenschaftler, die ihre Karriere nach 1945 mehr oder weniger ungehindert fortsetzen konnten, ohne sich je eindeutig von ihrer Vergangenheit distanziert zu haben. Im März 1948 wurde Berve in einem Spruchkammerverfahren als „Aktivist“ und „belastet“ eingestuft, erreichte aber im Juli des Jahres in einem Revisionsverfahren seine Einstufung als „Mitläufer“. Er wurde im Februar 1949 wieder in die Bayerische Akademie der Wissenschaften aufgenommen und erhielt im Mai 1949 seine Venia legendi zurück. Da sein früherer Lehrstuhl inzwischen mit Alexander Schenk Graf von Stauffenberg besetzt war, wurde Berve zum außerplanmäßigen Professor ernannt und lehrte in den folgenden Jahren in München sowie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Regensburg.
1954 erhielt Berve abermals einen Ruf als Professor für Alte Geschichte an die Universität Erlangen, wo unter anderem Peter Robert Franke, Franz Kiechle, Edmund Buchner, Eckart Olshausen und Michael Wörrle bei ihm studierten. Noch 1950/51 publizierte er in zweiter nur geringfügig revidierter Auflage seine von der Rassenideologie geprägte Griechische Geschichte (Erstausgabe 1931-1933). Das war kein Hinderungsgrund, ihn zum Vorsitzenden der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts zu machen, wohl der einflussreichsten Forschungsinstitution der Alten Geschichte in Deutschland überhaupt. Dieses Amt bekleidete er von 1960 bis 1967.
Berve erhielt ungeachtet seiner allgemein bekannten Vergangenheit zahlreiche akademische Ehrungen, war Ehrendoktor der Universität von Athen, ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. Obwohl besonders seine früheren Arbeiten heute aufgrund seiner Sympathie für den Nationalsozialismus sehr kritisch gesehen werden, enthalten sie doch zugleich auch wichtige Erkenntnisse, und sein 1967 veröffentlichtes zweibändiges Handbuch zur Tyrannis bei den Griechen gilt ebenso wie Das Alexanderreich auf prosopographischer Grundlage nach wie vor vielen als grundlegendes Werk zu diesem Thema.
Schriften (Auswahl)
- Das Alexanderreich auf prosopographischer Grundlage, 2 Bde., 1926
- Griechische Geschichte, 2 Bde., 1931-1933 (1951/52 2. Auflage)
- Kaiser Augustus, 1934
- Sparta. Leipzig: Bibliographisches Institut, 1937 (Meyers kleine Handbücher, Bd. 7)., 1937
- Miltiades, 1937
- Thukydides. Diesterweg, Frankfurt a.M. 1938 (Auf dem Wege zum nationalpolitischen Gymnasium, Heft 5).
- Imperium Romanum. Koehler & Amelang, Leipzig 1943 (Schriftenreihe der Deutsch-Italienischen Gesellschaft Leipzig, Nr 1).
- Gestaltende Kräfte der Antike, 1949
- Die Tyrannis bei den Griechen, 1967
Literatur
- Karl Christ: Helmut Berve (1896–1979). In: Karl Christ: Neue Profile der Alten Geschichte. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990, ISBN 3-534-10289-4, S. 125–187.
- Linda-Marie Günther: Helmut Berve. Professor in München 6.3.1943–12.12.1945. In: Jakob Seibert (Hrsg.): 100 Jahre Alte Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München (1901–2001). Duncker und Humblot, Berlin 2002, ISBN 3-428-10875-2, S. 69–105.
- Jula Kerschensteiner: Die Chronik des Seminars für Klassische Philologie der Universität München in den Kriegsjahren 1941–1945. In: Eikasmós. Band 4, 1993, S. 71–74
- Stefan Rebenich: Alte Geschichte in Demokratie und Diktatur. Der Fall Helmut Berve. In: Chiron. Band 31, 2001, S. 457–496 (Online).
Weblinks
- Literatur von und über Helmut Berve im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Helmut Berve im Professorenkatalog der Universität Leipzig
Einzelnachweise
- ↑ Stefan Rebenich: Alte Geschichte in Demokratie und Diktatur. Der Fall Helmut Berve. In: Chiron 31, 2001, S. 466.
- ↑ Wahlaufruf für Hitlers Politik, November 1933 (Digitalisat) Berve ist verzeichnet auf S. 135, Rubrik Einzelne Wissenschaftler, linke Spalte.
- ↑ http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-b.html
Erster Lehrstuhl: Robert Pöhlmann (1901–1914) | Ulrich Wilcken (1915–1917) | Walter Otto (1918–1941) | Helmut Berve (1943–1945) | Alexander Schenk Graf von Stauffenberg (1948–1964) | Hermann Bengtson (1966–1977) | Hatto H. Schmitt (1978–1998) | Martin Zimmermann (seit 2002)
Zweiter Lehrstuhl: Siegfried Lauffer (1963–1979) | Christian Meier (1981–1997) | Jens-Uwe Krause (seit 1998)
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