Personen-Umlaufaufzug

Personen-Umlaufaufzug
Paternoster im Bundesministerium der Finanzen in Berlin
Paternoster in Prag

Ein Paternosteraufzug, kurz Paternoster, technisch Personen-Umlaufaufzug genannt, ist eine Sonderform einer Aufzugsanlage zur Personenbeförderung.

Beim Paternosteraufzug verkehren mehrere an einer Kette hängende Einzelkabinen (üblicherweise für ein bis zwei Personen je Kabine) im ständigen Umlaufbetrieb. Die Kabinen werden am oberen und unteren Wendepunkt über große Scheiben in den jeweils anderen Aufzugsschacht umgesetzt. Die Beförderung von Personen beim Wendevorgang ist vorgesehen und gefahrlos. Die Beförderungsgeschwindigkeit beträgt ca. 0,30 bis 0,45 Meter pro Sekunde.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Prinzip stammt vom Paternosterwerk aus dem Bergbau, einem stationären Transportmittel mit einer geschlossenen, endlosen Kette. Auch früher übliche Sackaufzüge mit vertikalem Endlosförderband hatten ein ähnliches Konstruktionsprinzip. Der heute bekannte Paternoster wurde in England entwickelt. Der erste Paternosteraufzug der Welt wurde 1876 im General Post Office in London zum Transport von Paketen eingebaut. Ab 1883 diente er der Personenbeförderung. Die Deutschlandpremiere des Paternosters war 1885 in Hamburg, als eine englische Anlage im Kontorhaus Dovenhof installiert wurde. In Österreich ist der älteste jener im Haus der Industrie am Wiener Schwarzenbergplatz. Dieser ist auch noch in Betrieb.[1] Paternosteraufzüge sind lediglich in Kontinentaleuropa und Großbritannien anzutreffen, in den USA sind solche Anlagen vollkommen unbekannt.

Herkunft des Namens

Der Name Paternoster steht mit dem katholischen Rosenkranz im Zusammenhang, einer Zählkette für Gebete. Beim Rosenkranz folgt auf zehn kleinere Kugeln für die Ave Marias eine davon abgesetzte für das Vaterunser (lateinisch: Paternoster). Diese Zählkette ist früher auch als Paternosterschnur bezeichnet worden. Darüber hinaus nennt man auch die elfte Kugel, entsprechend dem dazugehörenden Gebet, Paternoster. Auf gleiche Weise sind bei einem Umlaufaufzug die Personenkabinen wie auf einer Schnur aufgefädelt. Die Bezeichnung wurde als Erstes von Grubenarbeitern für die Lastenaufzüge verwendet, da diese dem Rosenkranz ähnelten.

Vor- und Nachteile

Vorteile der Paternosteraufzüge sind die ständige Verfügbarkeit für beide Richtungen, dadurch ist ein schneller Wechsel zwischen nahe beieinander liegenden Stockwerken möglich. Eine Durchfahrt der Endpunkte für Personen ist problemlos möglich. Eine Wartezeit entfällt, die Förderleistung ist ähnlich einer senkrecht eingebauten Rolltreppe sehr hoch. Falls der Paternoster stehen bleibt, kann man jederzeit entweder nach oben oder nach unten aussteigen (klettern).

Nachteile sind die längeren Wechselzeiten zwischen weiter entfernten Ausstiegen. Ein Einbau in moderne Hochhäuser scheidet daher aus. Ein Lastentransport ist verboten. Das Betreten und Verlassen der Kabinen während der Fahrt ist nicht für jeden Benutzer gleich gut möglich, die Unfallgefahr ist größer. Für behinderte Personen besteht Sturzgefahr, insbesondere ist eine Nutzung durch Rollstuhlfahrer nahezu unmöglich. Aber auch durch Unachtsamkeit und unvorsichtiges Handeln bestehen Gefahren. Das Aussteigen ist tunlichst zu vermeiden, wenn die Kabine die Etage schon deutlich passiert hat; im Zweifel fährt man eine Etage weiter und dann wieder zurück. Um ein Einklemmen zu verhindern, haben manche Aufzüge und ihre Einstiege nach oben öffnende Klappen.

Auch die Energiebilanz fällt meist schlecht aus: Ein herkömmlicher Aufzug fährt nur, wenn er gebraucht wird, eine Paternosteranlage ist ständig in Betrieb. Außerdem verursacht die Paternostermechanik mit ihren Treibketten höhere Reibungsverluste, was in der Regel auch eine stärkere Geräuschentwicklung im Verhältnis zu gewöhnlichen Aufzügen mit sich bringt.

Ein weiterer Nachteil ist die gegenüber herkömmlichen Aufzügen verminderte Brandschutzsicherheit, da sich im Falle eines Brandes das Feuer einfach über mehrere Stockwerke eines Hauses ausbreiten kann. Dies ist bei normalen Aufzügen wegen der oftmals als Brandschutztüren fungierenden Einstiegstüren nicht so leicht möglich.

Rechtssituation in einzelnen Ländern

Deutschland

Seit 1974 dürfen in Westdeutschland keine neuen Paternosteraufzüge mehr in Betrieb genommen werden. 1994 war eine Änderung der Aufzugsverordnung geplant, die eine Stilllegung der bestehenden Anlagen bis 2004 vorsah. Gegen diese Befristung erhob sich Widerstand, unter anderem durch einen eigens in München gegründeten „Verein zur Rettung der letzten Personenumlaufaufzüge“. Der Bundesrat hob deshalb die geplante Änderung auf, so dass sich bis auf weiteres die bestehenden Paternoster weiter drehen dürfen. Paternosteraufzüge müssen nach dem Stand der Technik betrieben werden. Die entsprechenden Technischen Regeln sind seit 1972 in der TRA 500 („Technische Regeln für Aufzüge – Personen-Umlaufaufzüge“) festgelegt (zuletzt 1985 geändert).

Österreich

In Österreich dürfen seit den 1960er Jahren keine neuen Paternoster zugelassen werden. Es gibt auch keine gültigen Normen mehr für diese Art von Aufzügen, daher sind Evalierungen, dem Stand der Technik entsprechend, sehr schwierig. Da die Sicherheit über dem Denkmalschutz steht, werden alte Aufzüge demontiert und durch neue ersetzt. Im Jahr 2007 waren in ganz Österreich geschätzte 20 bis 25 Aufzüge dieser Art in Betrieb.[2]

Sonstiges

Ein (kurzes) filmisches Denkmal wurde dem Paternoster von Doris Dörrie in ihrem Film Männer gesetzt, literarisch verewigte ihn Heinrich Böll in seiner Satire Doktor Murkes gesammeltes Schweigen und Hans Erich Nossack in Paternoster.

Eine Legende ist die Vorstellung, dass die Kabinen sich am oberen Ende der Anlage umdrehen und kopfüber wieder hinunterfahren, sodass es sehr gefährlich sei, versehentlich höher zu fahren als zum obersten Stockwerk. Auf Grund dieses falschen Glaubens haben manche Menschen Angst, einen Paternoster zu benutzen. In einem Spot der Mainzelmännchen wurde diese Vorstellung scherzhaft dargestellt, ebenso in einem Film mit Charlie Chaplin. Darüber hinaus wurde mit dieser Vorstellung in der Sendung „Verstehen Sie Spaß?“ gespielt. Menschen standen vor dem Paternosteraufzug und sahen, wie andere darin kopfüber herunter fuhren.

Siehe auch

Literatur

  • Jan Gympel: Der Aufzug in die kapitalistische Welt. Dem symbolträchtigen Paternoster droht nach 110 Jahren in Deutschland das Ende, in: Der Tagesspiegel (Berlin) vom 18. Dezember 1993, S. 15.

Einzelnachweise

  1. Prof. Karl König Seite der Industriellenvereinigung am 24. Februar 2006 abgerufen am 16. März 2009
  2. Bedrohte Aufzugsart:Paternoster in Wiener Zeitung vom 27. Dezember 2007 abgerufen am 16. März 2009

Weblinks


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