Personifikation

Personifikation
Personifikation der Ekklesia am Straßburger Münster

Die Personifikation (Vermenschlichung einer Idee oder einer Sache), fictio personae oder Prosopopoiia (griech. prosopōn poeìn = eine Maske aufsetzen) ist eine rhetorische Figur, die Tieren, Pflanzen, Gegenständen, toten Personen oder abstrakten Wesenheiten eine Stimme gibt oder menschliche Züge verleiht. Im allgemeineren Sinne spricht man auch von Anthropomorphismus. Eine erweiterte Personifikation nennt man auch Allegorie. Personifikation ist zu unterscheiden von der Personifizierung als einem Prinzip der Geschichtsdidaktik.

Inhaltsverzeichnis

Rhetorik

Personifikation ist eines der häufigsten Stilmittel in Lyrik und Epik.

Beispiele:

„Jetzt lacht das Glück uns an / bald donnern die Beschwerden.“ (Andreas Gryphius)
„Der Garten trauert“
„Natur schläft – ihr Odem steht,
Ihre grünen Locken hangen schwer,
Nur auf und nieder ihr Herzschlag geht
Ungehemmt im heiligen Meer.“ (Annette von Droste-Hülshoff)
Der schlaue Fuchs

Weitere Beispiele:

  • „Der Dollarkurs liegt am Boden.“
  • „Der Tag verabschiedet sich.“
  • „Die Sonne lacht.“
  • „Der Himmel weint.“
Anthropomorphe Darstellung des Staats: die berühmte Titelseite von Thomas HobbesLeviathan aus dem Jahr 1651

Ausdrücke wie „Vater Staat“, „Mutter Natur“ oder „Väterchen Frost“ gehören zu den abgesunkenen Personifikationen. Also sind Personifikationen abstrakte Gestalten: Tiere oder auch Pflanzen, die die Gaben eines Menschen übernehmen. z. B. der Garten trauert, die Sonne lacht usw.

Die Personifikation gilt als eine der am leichtesten zu erkennenden Stilfiguren.

Die Personifikation wird in einer Sprache dann besonders erleichtert, wenn die Wörter für Personen und für die personifizierten Gegenstände, Tiere, Symbole usw. die gleiche syntaktische bzw. grammatische Struktur aufweisen. So kann ich beispielsweise in Deutsch den Begriff "der Regen" leicht personifizieren: „Der Regen griff nach mir.“ hat die gleiche Struktur wie: „Der Anton griff nach mir.“ Gäbe es „regnen“ nur als Verb, so wäre eine Personifikation nicht so einfach möglich.

Bildende Kunst

In der Bildenden Kunst kommen Personifikationen in Malerei und Skulptur in allen Epochen vor. Sie bezeichnen Figuren, die einen abstrakten Inhalt allegorisch verkörpern: den Frühling, die katholische Kirche, Gevatter Tod, die gute Regierung, die Tugenden oder Laster etc. Sie sind in aller Regel weiblich und mit spezifischen Attributen versehen, um vom Betrachter identifiziert werden zu können.

Religion

Triumph des Poseidon

In der Religion und im Mythos ist die Personifikation von Naturgewalten weit verbreitet und spielt daher vom Animismus an auch noch in der Geschichte der Weltreligionen eine beachtliche Rolle.

Personifikation könnte auf Grundstrukturen unseres Denkens hinweisen. Sinneseindrücke werden im Gehirn durch Zuordnung zu bekannten Erfahrungen interpretiert. In früher Kindheit erfahren wir uns selbst und andere, also Personen, als Ursachen von Veränderungen. Umgekehrt interpretieren Kinder Veränderungen intuitiv oft als Wirkung von Personen. So vermuten sie manchmal geisterhafte Wesen als Ursache von z.B. knarrenden Dachbalken. Personifizierende Interpretationsmuster stehen uns früher zur Verfügung als das abstrakte Denken. Für jüngere Kinder ist die Vorstellung einer personifizierten Sonne, die über den Himmel wandert, intuitiv leichter zu begreifen als etwa ein heliozentrisches Weltbild mit seinen abstrakteren Begriffen wie z.B. Schwerkraft.

Möglicherweise entstehen so zahlreiche Vorstellungen von personifizierten Naturkräften. Z.B. ist Poseidon im griechischen Mythos der Gott des Meeres; eine Vielzahl von Belegen aus der Bibel kann als Erinnerung an die Personifikation von Naturgewalten aus der Zeit vor der Verfestigung zum Monotheismus verstanden werden, so die folgende Stelle aus dem Buch Ijob: „Und der Herr antwortete Hiob aus dem Wettersturm und sprach.“ (Ijob 38,1).

Politik

Roland Koch sagte dazu 2010:

„Die Personifizierung in der Mediendemokratie macht es immer schwerer, die gesamte Bandbreite einer Volkspartei wie unserer darzustellen. Jede Bemerkung zur Sache wird sofort für oder gegen Personen gewertet, am liebsten gegen die Führung. Außerdem gibt es bestimmte Lebensläufe, die für sich standen, so nicht mehr. Früher stand für das Konservative Alfred Dregger oder für das Soziale Norbert Blüm“

– Interview mit dem Spiegel[1]

Analog dazu wird auch eine "Theatralität der Politik" konstatiert bzw. beklagt:[2] Politik werde zunehmend inszeniert ("Inszenierungspolitik")[3], zum Beispiel von einem Spin Doctor.

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Der Spiegel, Heft 20/2010: Ende der Behutsamkeit
  2. zum Beispiel Thomas Meyer in "Aus Politik und Zeitgeschichte" (Band 53/2003): Die Theatralität der Politik in der Mediendemokratie - 2
  3. Die Theatralität der Politik in der Mediendemokratie - 1

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Synonyme:

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

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