Pfälzer Kolonie

Pfälzer Kolonie

Die Pfälzer Kolonie war ein gesondertes Gemeinwesen innerhalb der Stadt Magdeburg.

Die Kolonie bestand von 1689 bis 1808 als eine von drei, räumlich nicht abgegrenzten, Bürgergemeinden in der Stadt. Bei ihren Mitgliedern handelte es sich um nach Magdeburg geflohene Glaubensflüchtlinge, die unter kurfürstlichem Schutz standen. Die Pfälzer Kolonie verfügte über ein eigenes Rathaus, Bürgermeister, Gerichte und auch über eine eigene Bürgergarde.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Einwanderung

1688 überfiel Frankreich unter König Ludwig XIV. die Pfalz. Viele Einwohner der Pfalz, die dem reformierten Glauben angehörten, mussten ihre Heimat verlassen. Unter ihnen auch Hugenotten die zuvor bereits aus Frankreich geflohen waren. Ende 1688 besetzten französische Truppen die Stadt Mannheim, die über starke reformierte Gemeinde verfügte. Anfang März 1689 begannen die französischen Besatzer neben den Befestigungsbauwerken auch Kirchen und Häuser abzureißen und zu sprengen. Ein Aufnahmegesuch dieser Gemeinde wurde am 13. April 1689 von Kurfürst Friedrich III. positiv beschieden. Am 25. Mai räumte der Kurfürst in Osterwieck den aus der Pfaltz Flüchtenden die gleichen Privilegien wie den Hugenotten im Edikt von Potsdam ein. Nach Besichtigung der Städte Prenzlau, Halle (Saale) und Magdeburg entschieden sich die Flüchtlinge für Magdeburg als neue Heimat. Die komplette Mannheimer Stadtgemeinde, inklusive Predigern, Ratsherren und Bürgermeistern übersiedelte dann nach Magdeburg. Ein in dieser Größenordnung einmaliger Vorgang. Die ersten 400 Flüchtlinge trafen als geordneter Zug am 21. Juni 1689 in Magdeburg ein.

Diese Einwanderungswelle war die zweite große Einwanderung innerhalb von drei Jahren, wurde jedoch deutlich freundlicher aufgenommen, als die zuvor eingewanderten Franzosen, die in Magdeburg die Französische Kolonie zu Magdeburg gegründet hatten. Da die Mannheimer Reformierten bereits über längere Zeit in Deutschland sozialisiert waren, erschienen sie der einheimischen Bevölkerung weniger fremd. Ein Drittel der Magdeburger Bevölkerung war damit in kürzester Zeit eingewandert und gehörte einer in der Region zuvor nicht verwurzelten Religionsgemeinschaft an.

Die Zuwanderung aus den wirtschaftlich weiterentwickelten Regionen wirkte sich für die Magdeburger Wirtschaft positiv aus. Die Pfälzer Kolonie zahlte sich, anders als die übrigen Kolonien in Brandenburg-Preußen, bereits nach 10 Jahren für die Staatskasse aus.

Innerhalb der Stadt bestanden nun 3 Bürgergemeinden, mit eigenen Rathäusern, Bürgermeistern, Bürgergarden und Gerichten. Neben der altstädtischen Gemeinde, gab es die hiervon unabhängige sogenannte Französische und die Mannheimer Kolonie. Die damit einhergehenden schwierigen Kompetenzfragen und die aufgrund der Priviliegien bestehenden Vergünstigungen für die Kolonisten führten zu häufigen Konflikten. Bis 1704 siedelten sich noch weitere Wallonen und Pfälzer an, so dass 1704 2022 Wallonen und 400 Pfälzer gezählt wurden. Die Kolonie wurde nun als Pfälzische oder auch Wallonische Kolonie bezeichnet. Im Gegensatz zu Ansiedlungen in anderen Städten bestand in Magdeburg kein geschlossenes Siedlungsgebiet der einzelnen Gemeinden. Die Pfälzer Kolonisten siedelten zwar verstärkt im nördlichen Teil der Stadt und in der nördlich vorgelagerten Neustadt, im übrigen waren die Wohnungen jedoch über die ganze Stadt verteilt.

Religionsausübung

Als Kirche wurde der Pfälzer Kolonie die später als Wallonerkirche bezeichnete, Kirche des ehemaligen Augustinerklosters zur Verfügung gestellt. Bis zu Herrichtung des Gebäudes wurde übergangsweise (ab 30. Juni 1689), die lutherischen Gemeinden verweigerten eine Unterstützung, der Saal des Innungshauses der Gewandschneider-Kaufleute am Alten Markt genutzt. Ab August 1690 fanden die Gottesdienste in der Marienkirche des Klosters Unser Lieben Frauen statt, bis am 2. Dezember 1694 die Wallonerkirche eingeweiht wurde. Die Kolonie betrieb eine eigene Ratswaage am Breiten Weg und auch eine Elbfähre in Höhe der Neustadt. Das Pfälzer Rathaus bestand zunächst am Breiten Weg, später, mit Ratskeller und Gefängniszelle, in der Georgenstraße.

Organisation der Kolonie

Die Organisation der Kolonie hielt sich an das bereits in Mannheim praktizierte System. Da die Pfälzer Kolonie von Anfang an ein gefestigtes Gemeinwesen, eben nur an neuem Ort, war, unterschied sie sich auch insofern deutlich von der französischen Kolonie, die aus Flüchtlingen verschiedener Herkunft bestand. In der Pfälzer Kolonie bestand ein Magistrat der sich aus einem Syndikus und sechs Ratsmännern (3 Franzosen und 3 Deutsche) zusammensetzte. Von den Ratsmännern fungierten jeweils zwei abwechselnd als Bürgermeister.

Die Organe der Kolonie wurden von ihr selbstgewählt. Der Bürgermeister musste jedoch vom Kurfürsten bestätigt werden. Dieser ernannte auch Lehrer und Prediger. In Verwaltungsangelegenheiten unterstand man jedoch der in Berlin ansässigen Koloniekommission. Auch in Berlin befand sich das für gerichtliche Angelegenheiten vorgesetzte Obertribunal.

Korrespondenssprache der Kolonie war Französisch. Bis 1790 fanden Gottesdienste in der Wallonerkirche ausschließlich in französischer Sprache statt. Für die deutschstämmigen Pfälzer wurde eine Deutsch-Reformierte-Gemeinde gegründet.

Abschaffung des Sonderstatus

Im Laufe der Zeit verloren die Kolonien jedoch an Bedeutung, sei es durch Einheiratung in einheimische Familien, Aussterben von bedeutenden Familien der Zuwanderer oder Abwanderung in andere Regionen. Letzter Bürgermeister der Pfälzer Kolonie war Johann Kaspar Coqui der dieses Amt seit 1788 innehatte. Im Jahr 1808 wurde der Sonderstatus der Kolonien abgeschafft.

Literatur / Quelle

  • Helmut Asmus, 1200 Jahre Magdeburg - die Jahre 1631 bis 1848, 1999, Halberstadt, ISBN 3-933046-16-5
  • Henner Dubslaff, Die Magdeburger Reformierten, 1666 bis 2005, Eine Spurensuche, 2005, Magdeburg
  • Johannes Fischer, Die Pfälzer Kolonie zu Magdeburg, in "Magdeburger Kultur- und Wirtschaftsleben" Nr. 19, Magdeburg o.J. (1939)

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