Plastinieren

Plastinieren
Präparat im Estnischen Gesundheitspflegemuseum in Tallinn

Die Plastination ist ein Konservierungs-Verfahren, das vor allem bei der anatomischen Präparation von Körpern und Körperteilen Verwendung findet.

Die Plastination wurde im Anatomischen Institut der Universität Heidelberg von Gunther von Hagens entwickelt. Die Methode, Zellflüssigkeit (= Wasser) im Vakuum durch Kunststoff zu ersetzen, ist schon viele Jahre in der Histologie bekannt, Hagens Verfahren machte aber erst die Plastination großer organischer Präparate möglich.

Inhaltsverzeichnis

Plastinate

Bei der Plastination wird das in den Zellen vorhandene Wasser durch Kunststoff (Polymere, z. B. Silikone, Epoxidharze, Polyesterharze) ersetzt. Dadurch entstehen dauerhafte Präparate, die den natürlichen Gegebenheiten sehr nahe kommen. Oberflächen und Strukturen werden unverändert dargestellt. Die Farben gehen bei dem Verfahren zunächst verloren und müssen künstlich wiederhergestellt werden. Im Vergleich mit mumifizierten Leichen (Mumie), Wachsmodellen (La Specola, Florenz, Zoologisches Museum) oder in Formaldehyd konservierten Leichenteilen sind die Plastinate in der normalen Umgebung (Licht, Zimmertemperatur und mechanischer Belastung) ästhetisch, geruchsfrei und über lange Zeit haltbar. Sie sind ein wichtiger Beitrag zur anatomischen Ausbildung von Ärzten und Laien.

Generell sind zwei Arten zu unterscheiden:

  • Scheibenplastinate: Längs- oder Querschnitte durch ein Organ oder eine Körperpartie, die hintereinander betrachtet wieder eine räumliche Vorstellung der Lage und Lageveränderung eines Organs in Bezug zur Nachbarschaft ergeben. Die Scheiben sind durchscheinend und berührungsunempfindlich.
  • Vollplastinate: ganze Organe oder Leichen. Eventuell sind tortenstückartige oder schubladenförmige Einschnitte angebracht, die den Einblick in das Organinnere ermöglichen.

Verfahren

Schema

Das Verfahren läuft prinzipiell in vier Stufen ab:

  1. Der erste Schritt ist die Fixierung in Formalin oder farberhaltenden Zubereitungen, welche das Gewebe stabilisieren und dadurch die Schrumpfung minimieren. Außerdem verhindert die Fixierung den Zerfall des Gewebes bei einer eventuell erforderlichen Präparation. Diese dient zur Freilegung und damit Darstellung bestimmter Strukturen mit Skalpell und Pinzette. Präparate für die („primäre“) Scheibenplastination werden jetzt auf einer Bandsäge oder mit einer anderen Schneidemaschine zerschnitten.
  2. Bei dem sich anschließenden Gefrieraustausch und der Entfettung wird dem Präparat in einem −25 °C kalten Aceton-Bad das Gewebswasser entzogen. Das Wasser gefriert, das Aceton löst erst das Wasser, dann, gegebenenfalls, bei Raumtemperatur, das Fett heraus. Bei Bedarf entfettet man dann noch gründlicher mit Dichlormethan, welches einen höheren Dampfdruck als Aceton hat. Wasser und Fett sind nun durch Aceton ersetzt.
  3. Der dritte Schritt und der eigentliche Kern der Plastination ist die forcierte Imprägnierung. Hierbei wird das Präparat in einer Kunststofflösung unter Vakuum gesetzt. Durch den hohen Dampfdruck beginnt das Aceton zu sieden und „perlt“ aus dem Präparat heraus. Dadurch entsteht ein Volumendefizit und das gleiche Volumen an Kunststoff wird ins Gewebe hinein gesaugt. Das Präparat ist danach vollkommen mit Kunststoff durchtränkt und wird eventuell in die anatomisch richtige Stellung gebracht.
  4. Der letzte Schritt ist die Härtung. Die Kunststoffe werden jetzt, je nach Kunststoffart, durch Wärme, UV-Licht oder gasförmigen Härter auspolymerisiert. Bei der „sekundären Scheibenplastination“ werden die Präparate nach der Aushärtung in Scheiben gesägt.

Die Nachteile des Verfahrens sind die hohen Kosten für die Kunststoffe, die anzuschaffenden Geräte (explosionsgeschützte Tiefkühltruhe, Vakuumkammer, Vakuumpumpe) und der hohe Verbrauch an Entwässerungsmedien.

Ähnliche Verfahren werden schon seit längerem in der Archäologie verwendet, insbesondere um aus dem Wasser geborgene Gegenstände, die durch Austrocknen Schaden nehmen würden, zu erhalten. Ein bekanntes Beispiel ist das Wrack des Schiffes Vasa im Hafen von Stockholm. Dort muss das Verfahren über einen sehr langen Zeitraum gestreckt werden, weil das umgebende Material geschont werden muss.

Alternative Verfahren

In der Anatomie werden schon seit Jahrzehnten Verfahren angewendet, die ähnliche Resultate hervorbringen.

Bei der Paraffinierung (Durchtränkung mit Paraffin) werden die fixierten Präparate mit ansteigenden Konzentrationen von Alkohol („Aufsteigende Alkoholreihe“) oder per Gefrieraustausch entwässert und in Ether eingelegt. Danach bringt man sie im Wärmeschrank bei 55 °C in eine gesättigte Lösung von Paraffin in Ether. Der Ether verdunstet, die Paraffin-Konzentration steigt bis auf nahezu 100 % und nach der Abkühlung sind die Präparate fertig. Das Verfahren ist hinsichtlich der Material und Gerätekosten günstig. Nachteile sind der Arbeitsaufwand, die Brennbarkeit, Explosivität und narkotische Wirkung des Ethers, eine stärkere Schrumpfung, ein Dunkelwerden der Farben und die mangelnde Festigkeit des Paraffinats.

Ein weiteres Verfahren ist die Polyethylenglykol-Methode. Polyethylenglykol (PEG) ist wasserlöslich, deswegen kann man hier auf ein Zwischenmedium verzichten. Man legt die zu imprägnierenden Präparate nach der Fixierung einfach in höhermolekulares PEG ein. Nach erfolgter Durchtränkung lässt man sie abtropfen und stellt sie in die Sammlung. Dies ist ein einfaches und billiges Verfahren, eine Gesundheitsgefährdung durch PEG besteht nicht. PEG ist allerdings hygroskopisch, die Präparate sind nie ganz trocken.

Ausstellungen

Gubener Plastinate: Museum und öffentliche Werkstatt Gunter von Hagens

Außerhalb der Fachwelt bekannt wurde die Plastination durch die Wanderausstellung „Körperwelten“ (engl: Body Worlds), in der zahlreiche derartige anatomische Präparate, sowie einige fast komplette Körperspenden, öffentlich präsentiert werden. Diese Präparate sind immer anonym und zum Teil auch, um den Darstellungszweck optimal zu erreichen, aus verschiedenen Körpern zusammengestellt.

In Guben wurde 2006 nach einigen Verhandlungen eine neue Einrichtung zur Produktion und zur Ausstellung von Plastinaten eröffnet: das Plastinarium. In Ergänzung zu der Ausstellung „Körperwelten“ kann man im Plastinarium in einer Schauwerkstatt bei der Herstellung der Plastinate direkt dabei sein. Außerdem gibt es eine Einführung in die Anatomiegeschichte. Ab 2007 sollen in Guben Scheibenplastinate produziert werden.

Literatur

  • Franz J. Wetz: Tote hoch zu Ross. Vom Triumph der Statue zum Verbot des Plastinats. Arts & Sciences Verlagsgesellschaft, Heidelberg. 2003. ISBN 3-937256-00-8 . (In diesem Sach- und Bildband nimmt Hagens Stellung zu Motiv und Absicht seiner Arbeit. Hier anhand der Naturgeschichte des Pferdes und der Kulturgeschichte der Reiterstandbilder. Darüber hinaus wird anhand zahlreicher Abbildungen die Anatomie von Pferd und Reiter verglichen.)
  • Zur chemischen Seite des Verfahrens (bei www.bodiesrevealed.com Roy Glover, engl.)
  • Liselotte Hermes da Fonseca: Wachsfigur - Mensch - Plastinat. Über die Mitteilbarkeit von Sehen, Nennen und Wissen, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte (1999), Heft 1.
  • Liselotte Hermes da Fonseca und Thomas Kliche (Hg.): Verführerische Leichen – verbotener Verfall. "Körperwelten" als gesellschaftliches Schlüsselereignis, Lengerich u.a.: Pabst Verlag 2006

Weblinks


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