Bülau-Drainage

Bülau-Drainage

Die Thoraxdrainage (Syn.: Pleuradrainage) dient dazu, Luft oder Flüssigkeiten aus dem Pleuraspalt (dem Raum zwischen der Lungenoberfläche und dem Rippenfell) zu entfernen. Hierzu muss der physiologische Unterdruck im Pleuraspalt aufrechterhalten werden, da er verhindert, dass die Lunge aufgrund ihrer Elastizität kollabiert (zusammenfällt). Dies würde zu einer mehr oder weniger vollständigen Minderbelüftung des betroffenen Lungenflügels führen. Der Unterdruck kann über ein geeignetes Schlauchsystem, passiv durch ein Wasserschloss oder aktiv durch eine Saugpumpe aufrecht erhalten werden.

Die Thoraxdrainage wird entweder offen, im Rahmen einer Thorakotomie oder Thorakoskopie, oder geschlossen über einen kleinen Hautschnitt eingebracht.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ausgangs des 19. Jahrhunderts war es zwar bereits möglich, Operationen am offenen Brustkorb durchzuführen, jedoch musste der Operateur wiederholt mit ernsten Komplikationen rechnen, nachdem der Pleuraraum wieder verschlossen war. Erst die Erfindung von Gotthard Bülau (1835-1900), Internist und Oberarzt am Hamburgischen St.-Georg-Krankenhaus, ermöglichte es, den physiologischen Unterdruck im Pleuraraum nach der Operation wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten. Er verwendete ein sogenanntes (Unter-)Wasserschloss.

Aufgabe einer Thoraxdrainage

Die Thoraxdrainage dient zum Ableiten von Luft oder Flüssigkeiten aus dem Pleuraraum oder dem Operationsgebiet. Dabei wird der Brustkorb und das Rippenfell (Pleura parietalis) durch einen Intercostalraum (Zwischenrippenraum) eröffnet, ein Drainageschlauch eingeführt und an eine Vakuumpumpe (Saugung), ein Wasserschloss oder (als Notfallmaßnahme) ein Heimlichventil angeschlossen. Mit der Ableitung der Luft beim Pneumothorax soll eine Wiederentfaltung der Lunge erreicht werden.

Mit der Thoraxdrainage kann Blut (nach einer Operation oder einem Unfall), seröse Flüssigkeit beim Pleuraerguss oder der Rippenfellentzündung, Eiter oder Lymphflüssigkeit beim sogenannten Chylothorax entfernt werden.

Legen einer Thoraxdrainage

Das Legen einer Thoraxdrainage ist ein chirurgischer Eingriff in den Brustkorb (Thorax), der in der Regel von Chirurgen durchgeführt wird, aber auch als lebensrettende Sofortmaßnahme von allen im Notarztdienst oder in der Intensivmedizin tätigen Ärzten beherrscht werden muss. Bei elektiven (also planbaren, nicht zeitkritischen) Eingriffen ist das Anlegen einer Thoraxdrainage im Operationsraum oder in der Funktionsabteilung (etwa Endoskopie) aus hygienischen Gründen den Örtlichkeiten einer Intensiv- oder Normalstation vorzuziehen.

In der Regel wird die Thoraxdrainage mittels einer Inzision von 2 bis 3 cm und nur selten mit einer Minithorakotomie angelegt. Nach der Inzision mit einem Skalpell und der Präparation mit einer Schere wird die zu drainierende Pleura mit dem Finger palpiert und gelöst. Das alternative Anlegen der Drainage durch Punktion mit einem Trokar birgt die Gefahr von Verletzungen des Lungengewebes und nachfolgenden Blutungen in sich. Wurde eine Thoraxdrainage historisch vor allem bei schweren Entzündungen ausschließlich im Krankenhaus angelegt, so kommt sie heute im modernen Rettungsdienst bei schweren Verkehrsunfällen auch präklinisch (am Unfallort) zum Einsatz. Die Anwendung im ambulanten Bereich bleibt auf wenige Einzelfälle mit guter stationärer Anbindung an thoraxchirurgisch-pneumologische Zentren beschränkt.

Indikationen

Im äußersten Notfall (kein Drainagesystem zu Hand) muss ein Spannungspneumothorax, der innerhalb weniger Minuten tödlich verlaufen kann, durch Punktion des Thorax mit mehreren großlumigen Kanülen in einen offenen Pneumothorax umgewandelt werden. Hierdurch wird der gefährliche Überdruck entlastet und die nicht betroffene Lunge wird normal belüftet. Danach, unter geordneten Bedingungen, wird die Thoraxdrainage angelegt.

Drainagesysteme

Drainagesystem

Thoraxdrainagen entwickelten sich vom Einflaschensystem (Unterwasserschloss und Sekretkammer in einer Kammer) hin zum Dreiflaschensystem (mit aktiver oder ohne aktive Saugung). Die Funktionsweise der heutzutage häufigsten Einwegsysteme ist an das Dreiflaschensystem angelehnt.

Einflaschensysteme

Das erste und einfachste Thoraxdrainagesystem bestand aus einer Flasche mit Flüssigkeit, in die der Drainageschlauch eintauchte. Das Ziel, sowohl Luft als auch Sekret aus dem Pleuraspalt zu entfernen und zu verhindern, dass die Luft wieder zurück in den Pleuraspalt gelangte, erreichte man durch dieses „Wasserschlossprinzip“. Ein spontan atmender Patient drückt in der Exspiration (Ausatmung) Sekret aus dem Pleuraspalt durch das Wasserschloss. Durch das Wasser hindurch kann jedoch keine Luft in die Pleura gelangen. Das Einflaschensystem war gut zu gebrauchen, solange keine große Sekretmengen das Auströmen und Nachlaufen von Luft und Flüssigkeiten verhinderten.

Zweiflaschensysteme

Diese Form der Thoraxdrainage besteht aus dem oben genannten Wasserschloss und der Sekretsammelflasche, in der das Sekret aufgefangen wird, ohne die Funktion des Wasserschlosses zu beeinträchtigen.

Dieses System kann mit und ohne Dauersogquelle verbunden werden.

Häufig reicht der alternierende Druck der Atmung in Kombination mit einem Wasserschloss nicht aus um den Pleuraraum wieder ausreichend zur Entfaltung zu bringen. In diesem Fall wird Vakuum benötigt, dass an der Ausgangsöffnung des Behälters/Kammer/Flasche mit dem Wasserschloss angeschlossen wird. Ein Vakuum kann auf unterschiedliche Weise erzeugt werden:

1. mit einer elektrischen Pumpe (Membran-, Rotations- oder Kolben-Zylinderpumpe)
2. mit einem Druckluftwandler (Venturi-System)
3. über eine Zentralvakuumanlge mit Vakuumregler

Die Regulierung der Sogstärke erfolgt dann über ein Vakumeter.

Wir die Sogstärke über eine Sogkontrollkammer/-flasche/-gefäß reguliert, spricht man von einem Drei-Kammersystem.

Dreiflaschensysteme

Die dritte Kammer/Flasche dient einzig der Begrenzung des Soges. Die Dritte Flasche kommt zum Einsatz, wenn ein Sog durch ein Druckwandler oder Zentralvakuum erzeugt wird, welches über kein Vakumeter verfügt, oder mit dem ein Niedervakuum nicht einstellbar ist (z.B. bei Hochvakuumreglern mit Anzeige bis 1bar (entsprechen 1000mbar).

Die Befüllung dieser zusätzlichen Kammer mit Wasser verhindert, dass zu starker Sog sich lungenschädigend auswirkt. Überschreitet der Sog (gemessen in Zentimeter Wassersäule) die Gewichtskraft der zuvor gefüllten Wassersäule, so wird diese in eine Ausgleichskammer niedergesaugt, und Luft kann nachströmen. So wird der maximal erwünschte Sog stets beibehalten. Typisch für solche Saugsysteme ist das stete "Blubbern" in der Sogkontrollkammer/-flasche, welches zu großen Irritationen bei der Diagnostik eines Pneumothorax führen kann (Dort ist ein "blubbern" im Wasserschloss typisch).

Vierflaschensysteme

Die vierte Kammer oder Flasche soll anzeigen, was für ein Sog im Pleuraspalt anliegt. Diese vierte Kammer wird auch U-Rohr genannt. Einige wenige Kompaktsysteme (ähnlich dem im Foto oben) verfügen über eine solche Kammer. Für den ungeübten Anwender jedoch ist die Vielzahl der Kammern und die verschiedenen Möglichkeiten des Blubberns eher verwirrend.

Weitere Entwicklung

Der heutige Markt bietet viele Möglichkeiten der Thoraxdrainagetherapie:

1. Flaschensysteme mit Wasserschloßprinzip, Einweg und Mehrweg, mit und ohne elektrische Pumpe mit unterschiedlich gutem Therapieergebnissen
2. Thoraxdrainagekompaktsysteme verschiedenster Hersteller, mit und ohne Wasserschloß. Wenige "trockene" Systeme Weltmarktführer ist Atrium (siehe Foto), meistens wird ein Hochvakuumregler benötigt, Mobilität der Patienten ist eingeschränkt. Therapieergebnisse für Patienten, die keinen Dauersog benötigen relativ gut.
3. Neu seit 2007 sind elektrische Pumpen, die für Mobilität des Patienten, Entlastung des Pflegepersonals und Sicherheit der Therapie sorgen, mit Akku betrieben werden und unabhängig von Druckluft und Vakuumanlagen sind.

Arten der Thoraxdrainage

Pleuradrainagen

Pleuradrainagen bestehen meist aus hartem Silikon, Latex und auch Gummi, mit und ohne Röntgenkontraststreifen. Sie unterscheiden sich neben dem Material auch in der Größe, die von wenigen Charrière (CH) bis hin zu 36 CH reicht. Häufig verwendete Pleuradrainagen sind die Monaldi- und die Bülau-Drainage. Die Anlage der Bülau-Drainage (nach Gotthard Bülau (1835-1900)) erfolgt dabei in Höhe des 4.-5. Zwischenrippenraums (Intercostalraum, ICR) in der vorderen bis mittleren Axillarlinie.[1]. Punktionsort für die Monaldi-Drainage, benannt nach dem italienischen Pulmologen Vincenzo Monaldi (1899-1969), hingegen ist der 2.-3. ICR (medioclavikulär).

Mediastinaldrainagen

Meist aus sehr weichem Silikon mit Röntgenkontraststreifen mit ca. 28 CH Durchmesser. Anwendung nach Operationen am Herzen (in Kombination mit Pleuradrainagen) und im Medastinum. Lage: Innerhalb des Mediastinums.

Herzbeuteldrainagen

(selten)Meistens dünner Spezialkatheter (Pig-tail-Katheter) mit Ableitung in einen Einwegbeutel. Nach Operation am Herzen (selten), Herzbeutelpunktion.

Literatur und Quellen

  1. Leitlinie Pneumothorax der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie vom 22. April 2000

Weblinks

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