Pol Pot

Pol Pot
Büste Pol Pots im Tuol-Sleng-Genozid-Museum

Pol Pot (* vermutlich 19. Mai 1928[1] in der Provinz Kompong Thom, Kambodscha; † 15. April 1998 in Anlong Veng; eigentlich Saloth Sar) war ein kambodschanischer kommunistischer Politiker, von 1975 bis 1979 Diktator Kambodschas und bis 1997 der „Bruder Nr. 1“[2] der Roten Khmer. Infolge seiner Herrschaft kamen schätzungsweise 1,7 bis 2 Millionen Kambodschaner ums Leben.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühes Leben

Als Sohn eines Bauern verbrachte Pol Pot angeblich sechs Jahre seiner Kindheit in einem buddhistischen Kloster, davon zwei Jahre als Mönch. In Phnom Penh, der Hauptstadt von Kambodscha, erlernte er das Zimmererhandwerk. Bereits 1946 war er Mitglied der Kommunistischen Partei Kambodschas, deren Parteisekretär er von 1963 bis 1975 war.

Von 1949 bis 1953 studierte Pol Pot erfolglos Radioelektronik in Paris. Dort entwickelte er auch seine kommunistischen Ideen weiter, nahm an der linksgerichteten Studentenbewegung teil und schloss sich der dortigen kommunistischen Partei an. Viele spätere Weggefährten des Diktators lebten ebenfalls in der französischen Hauptstadt und vertraten kommunistische Interessen. 1956 heiratete Pol Pot seine Freundin Khieu Ponnary, von der er sich 1985 scheiden ließ. Nach seiner Rückkehr nach Kambodscha lehrte er bis 1963 an einer Privatschule in Phnom Penh. Er versuchte, auch seine Schüler von seiner kommunistischen Idee zu überzeugen. Als die Regierung unter Prinz Norodom Sihanouk gegen die Kommunisten im Land vorging, musste Pol Pot in den Dschungel nahe der vietnamesischen Grenze fliehen.

Erste Jahre der Roten Khmer

Dort baute er eine Guerillaorganisation auf, die regen Zulauf unter den dortigen Bauern fand, da diese unter der Ausweitung des Vietnamkrieges durch Nordvietnamesen, Vietcong und US-Amerikaner litten und sich wohl auch vom Argument Pol Pots überzeugen ließen, die Probleme Kambodschas rührten von einem unüberwindlichen Stadt-Land-Konflikt, der zugunsten der Landbevölkerung gelöst werden müsse.

Zuletzt kontrollierte er mit seinen „Khmers Rouges“ (französisch für Rote Khmer) ganz Kambodscha – mit Ausnahme der Hauptstadt, deren Bevölkerung aufgrund der Kämpfe in den Provinzen binnen kurzer Zeit auf an die 3 Millionen angewachsen war und die bis zum 17. April 1975 von Lon Nol (der sich 1970 mit Hilfe der US-Amerikaner an die Macht geputscht hatte) gehalten werden konnte.

Diktator

Mit dem Fall Phnom Penhs begann eines der blutigsten Kapitel der Geschichte. Die Roten Khmer begannen, die radikalen Ideen ihres „Bruders Nummer 1“ vom kommunistisch-primitivistischen Bauernstaat konsequent umzusetzen, und zwangen die Bevölkerung unter Androhung der Todesstrafe, die Hauptstadt binnen 48 Stunden zu verlassen. Sie sollten auf dem Lande als Bauern und Landarbeiter eingesetzt werden. Intellektuelle (auch Brillenträger wurden dafür gehalten) galten als überflüssig und unerwünscht. In den folgenden vier Jahren wurden vor allem der gebildete Teil der Bevölkerung und Regimekritiker von den Roten Khmer ermordet. So überlebten diese Episode der kambodschanischen Geschichte landesweit nur 50 Ärzte und 5.000 von vormals 20.000 Lehrern. Außerdem kam es infolge von Enteignungen und einer desaströsen Wirtschafts- und Handelspolitik zu Hungersnöten. Es wird vermutet, dass unter den Roten Khmer 1,7 bis 2 Millionen Menschen ums Leben kamen. Die Herrschaft Pol Pots war ebenso von seiner Paranoia und der seiner Anhänger geprägt, die jeden, der nicht pünktlich zur Arbeit erschien, als Volksverräter bestraften. Die Kambodschaner waren gezwungen worden, schwarze Einheitskleidung zu tragen, und mussten täglich 12 Stunden und mehr unter schwersten Bedingungen Landarbeit verrichten, ohne entsprechend mit Nahrungsmitteln und Medizin versorgt zu werden. Schon nach kurzer Zeit konnten die Bauern nicht einmal mehr den Reisbedarf des eigenen Volkes decken, und nicht wenige mussten sich von Ratten ernähren, um nicht zu verhungern.

Im Inneren waren, einmalig für kommunistische Regime, die Kommunistische Partei und ihre Führer mit Geheimhaltung umgeben; sie verbargen sich hinter einer vorgeblichen Organisation mit der Bezeichnung Angka. Den ersten öffentlichen Auftritt absolvierte Pol Pot rund ein Jahr nach der Machtübernahme im März 1976 als „Arbeiter einer Kautschukplantage“. Pol Pot ließ keine Biographie von sich veröffentlichen, es gab keine Textsammlungen und es gibt nur wenige Fotos von ihm. Viele Kambodschaner erfuhren erst nach seinem Sturz von der Identität ihres Regierungschefs.

Der Konflikt mit Vietnam und sein Sturz

Nicolae Ceaușescu mit Pol Pot, 1978

Nicht zuletzt aufgrund der historisch gewachsenen Feindschaft zwischen Kambodschanern und Vietnamesen versuchte Pol Pot seinen Kommunismus an den chinesischen Weg anzulehnen, ohne dabei Kambodschas Eigenständigkeit aufzugeben. Zusätzlich glaubte er, Maos Kulturrevolution für die Umgestaltung Kambodschas übernehmen zu können.

Der Tod Maos und das katastrophale Scheitern seines 4-Jahres-Plans, den er 1976 ausgerufen und der eine Verdreifachung der Agrarproduktion vorgesehen hatte, trafen Pol Pot schwer, und er wurde zunehmend paranoid. In Folge dessen beschuldigte er sogar engste Mitarbeiter und Mitglieder der Partei der Sabotage. Es wurden Säuberungsaktionen durchgeführt, und jedes Parteimitglied, welches seiner Meinung nach versagt hatte oder mit den Vietnamesen sympathisierte, wurde verhaftet und getötet. Terror und Massenmorde nahmen nun zu. Die kommunistische Partei der Sozialistischen Republik Vietnam hatte jeglichen Einfluss auf ihre früheren Gesinnungsgenossen verloren.

1977 und 1978 gab es mehrere Angriffe der Roten Khmer auf vietnamesische Gebiete, die tausende von Zivilisten das Leben kosteten. Ende des Jahres 1978 begann Vietnam eine Invasion in Kambodscha, eroberte die menschenleere Hauptstadt Phnom Penh und installierte eine pro-vietnamesische Regierung unter Heng Samrin, einem Khmer-Rouge-Abtrünnigen.[3] Rund 30.000 Rote Khmer flohen in das Umland, vor allem in die unwegsamen Dschungelgebiete an der Grenze zu Thailand. Sie kämpften in der Folge erbittert gegen die Invasoren, doch die Vietnamesen konnten sich halten.

Die Herrschaft Pol Pots war somit langfristig nicht mehr zu retten. Nach einem Interview im Jahre 1979 zog er sich lange Zeit aus der Öffentlichkeit zurück. Sein letztes Interview gab Pol Pot dem US-Journalisten Nate Thayer 1997 (Far Eastern Economic Review). Im Juni 1997 wurde Pol Pot von den Roten Khmer unter der Führung von Oung Choeun alias Ta Mok, der wegen seiner Brutalität als „Schlächter“ bezeichnet wurde und bis 1979 militärischer Oberbefehlshaber der Verwaltungszone Südwest des „Demokratischen Kampuchea“ gewesen war, aus seiner Führungsposition als „Bruder Nr.1“ verdrängt. Im Juli 1997 wurde Pol Pot auf einem Rote-Khmer-Volkstribunal als Verräter zu lebenslanger Haft verurteilt.[4]

Tod

Im April 1998 beging Pol Pot in Anlong Veng im Norden Kambodschas vermutlich Selbstmord, nachdem er erfahren hatte, dass General Ta Mok den USA seine Auslieferung angeboten hatte. Offiziell wurde damals als Todesursache ein Herzinfarkt genannt. Die ungewöhnlich schnelle Verbrennung seines Leichnams und die Ablehnung der Roten Khmer, eine Autopsie vornehmen zu lassen, hatte zu Spekulationen über die Todesursache Pol Pots geführt. Unter anderem wurde Vergiftung oder Mord vermutet. Erst 1999 wurde bekannt, dass Pol Pot vermutlich an den Folgen einer Überdosis von Medikamenten verstorben war.

Schriften

  • Die großartigen Siege der kampucheanischen Revolution unter der richtigen und klaren Führung der Kommunistischen Partei Kampucheas (27. September 1977); Laßt uns weiterhin entschlossen das Banner des Sieges der ruhmreichen Kommunistischen Partei Kampucheas hochhalten, um das Demokratische Kampuchea zu verteidigen, die sozialistische Revolution fortzuführen und den Sozialismus aufzubauen (27. September 1978); Erklärung vom 5. Januar 1979. (in: Kommunismus und Klassenkampf. Theoretisches Organ des Kommunistischen Bundes Westdeutschland [KBW] Dokumentation, 22. Januar 1979)

Siehe auch

Literatur

  • David P. Chandler: Brother Number One. A political biography of Pol Pot. Westview Press, Boulder CO 1992, ISBN 0-8133-0927-1.
  • David P. Chandler: Pol Pot, Frère Numéro Un. Plon, Paris 1993, ISBN 2-259-02592-7.
  • David P. Chandler, Ben Kiernan, Chanthou Boua (Hrsg.): Pol Pot plans the future. Confidential leadership documents from Democratic Kampuchea, 1976–1977. Yale University Press, New Haven CT 1988, ISBN 0-938692-35-6, (Yale University Southeast Asia studies - Monograph series 33).
  • Erich Follath: Die Kinder der Killing Fields. Kambodschas Weg vom Terrorland zum Touristenparadies. Deutsche Verlags-Anstalt u. a., München 2009, ISBN 978-3-421-04387-0.
  • Stephen Heder: Pol Pot and Khieu Samphan. Monash University, Clayton 1991, ISBN 0-7326-0272-6, (Centre of Southeast Asian Studies - Working papers 70).
  • Ben Kiernan: How Pol Pot came to power. A history of Cambodian communism, 1930–1975. 2nd edition. Yale University Press, New Haven CT u. a. 2004, ISBN 0-300-10262-3.
  • Ben Kiernan: Le Génocide du Cambodge 1975–1979. Race, Idelogie et Pouvoir. In: Cahiers d'Histoire - Paris 73, 1998, S. 146–147.
  • Ben Kiernan: The Pol Pot regime. Race, power and genocide in Cambodia under the Khmer Rouge. 1975–79. Yale University Press, New Haven CT u. a. 1996, ISBN 0-300-06113-7.
  • Marie Alexandrine Martin: Le Mal cambodgien. Histoire d'une société traditionnelle face à ses leaders politiques 1946–1987. Hachette, Paris 1989, ISBN 2-01-012251-8, (Histoire des gens).
  • François Ponchaud: Cambodge année zéro. Document. Julliard, Paris 1977, ISBN 2-260-00055-X, (Auch: Éditions Kailash, Paris 1998, ISBN 2-8426-8031-6, (Livres sur l'Asie - Civilisations & sociétés)).
  • Sacha Sher: Le Kampuchéa des „Khmers rouges“. Essai de compréhension d'une tentative de révolution. L'Harmattan, Paris u. a. 2004, ISBN 2-7475-6191-7.
  • Philip Short: Pol Pot. The history of a nightmare. Paperback edition. Murray, London 2005, ISBN 0-7195-6569-3.

Weblinks

 Commons: Pol Pot – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. David Chandler: Brother Number One; Silkworm Book, 1992; S. 7
    Ben Kiernan: The Pol Pot Regime: Race, Power, and Genocide in Cambodia under the Khmer Rouge, 1975–79; New Haven, CT: Yale University Press, 1996.
    The Encyclopedia of Asian History: Pol Pot. Archiviert vom Original am 31. Mai 2009. Abgerufen am 27. Juli 2011.
    John Pilger: America’s long affair with Pol Pot; in: Harper’s Magazine, Ausgabe Juli 1998; S. 15–17
    Notable Biographies: POL POT Biography
  2. Spiegel: Thema Pol Pot abgerufen am 29. März 2010
  3. Peter Scholl-Latour: Der Tod im Reisfeld; Stuttgart 1980; S. 284
  4. BBC News: Pol Pot: Life of a tyrant, 14. April 2000, abgerufen am 23. August 2011

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