Portugiesische Literatur

Portugiesische Literatur

Portugiesische Literatur bezeichnet im weitesten Sinne Literatur, die auf Portugiesisch verfasst wurde. Dazu gehört im Wesentlichen die Literatur Portugals, aber auch die Brasiliens, Angolas und Mosambiks, sowie der anderen portugiesischsprachigen Länder. Die Literatur, hier jedoch vor allem die Lyrik, ist die bedeutendste Kunstgattung Portugals und die einzige, die wirkliche Weltgeltung erlangte. Dieser Artikel behandelt die Literatur Portugals. Für brasilianische Autoren siehe unter Brasilianische Literatur.

Inhaltsverzeichnis

Mittelalter

Trovadores – Cancioneiro da Ajuda (13. Jh.)

Die mittelalterliche portugiesische Literatur stand unter dem Einfluss der altprovenzalischen Literatur, die die zu diesem Zeitpunkt am höchsten entwickelte Literaturtradition besaß. Im 13. Jahrhundert entstand im Nordwesten der Iberischen Halbinsel literarische Werke auf Galizisch-Portugiesisch, der gemeinsamen Vorläuferin des modernen Portugiesischen und Galizischen.

Poesie

Nach dem Vorbild der südfranzösischen Trobadordichtung entstanden Gedichte, die in folgende Hauptgattungen eingeteilt werden können:

  • cantigas de amor – das lyrische Ich ist ein Mann, der eine unerreichbare Frau liebt und in den Gedichten den Schmerz darüber äußert.
  • cantigas de amigo – das lyrische Ich ist eine Frau, die ihren Schmerz über die Abwesenheit ihres Geliebten und ihre Sehnsucht nach ihm besingt.
  • cantigas de escárnio – verspotten auf satirische Weise eine Person, ohne diese direkt zu nennen.
  • cantigas de maldizer – wie cantigas de escárnio, nur viel direkter, zum Teil mit Schimpfworten.
  • cantigas de Santa Maria – sind Lobgedichte auf Maria, in denen ihre Wundertaten gepriesen werden. Der berühmteste Verfasser solcher Gedichte war der König von Kastilien und León Alfons der Weise (1221–1284).
Cantigas de Amor des Martim Codax

Die Gedichte wurden ab dem Ende des 13. Jh. abgeschrieben und in sogenannten Cancioneiros gesammelt. Drei dieser Gedichtsammlungen sind bis heute erhalten: Cancioneiro da Biblioteca Vaticana (15. Jh., 1205 cantigas, heute im Vatikan), Cancioneiro Colloci-Brancutti (15. Jh., 1664 cantigas, in der portugiesischen Nationalbibliothek in Lissabon) und der Cancioneiro da Ajuda (13. Jh., 310 cantigas de amor, in der Biblioteca da Ajuda in Lissabon).

Daneben gilt auch König Dionysius von Portugal (1279–1325) als ein bedeutender Dichter der Epoche, von ihm sind noch viele Gedichte erhalten.

Epik

Die mittelalterliche portugiesische Literatur hatte Anteil an Stoffen, die in ganz Europa verbreitet waren. Dazu gehörte vor allem die Legende des Heiligen Grals als Teil der Artussage. O livro de José de Arimateia (13. Jh.) erzählt die Geschichte von Joseph von Arimathäa, der nach der Grablegung Christi den Gral von Palästina nach England bringt, wo er auf unbestimmte Zeit bleiben soll. In der Demanda do Santo Graal (ebenfalls 13. Jh.) machen sich die Ritter der Tafelrunde auf, um den Gral zu finden.

Religiöses Schrifttum

Das wichtigste erhaltene Dokument religiös-ethischer Prägung ist O Horto do Esposo (Der Garten des Bräutigams). Es handelt sich hierbei um eine Sammlung erbaulicher Erzählungen, in denen Christus als Bräutigam im Paradies dargestellt wird, mit dem sich die Seele des Gläubigen vermählt. Die Sammlung enthält Fabeln, Legenden und Berichte von Wundern zur Bekehrung der Ungläubigen. Die Geschichten vermitteln in erzählerischer Form Lehren für das eigene Handeln. Daneben sind einige Heiligenviten, sowie Wunder- und Märtyrergeschichten erhalten.

Geschichtsschreibung

Im 15. Jahrhundert entwickelte sich die portugiesische Historiographie. Vor allem der Historiker Fernão Lopes (~1380–1460) integrierte die bereits vorhandenen Crónica Geral de Espanha (1344) und sogenannte Livros de Linhagem (zw. 1270–1345, episch-mythische Geschichten über historische Personen) in seine Crónica Geral do Reino de Portugal (Allgemeine Chronik des Königtums Portugal), die er um die Regierungszeit Dom Pedros I., Dom Fernandos I. und Dom Joãos I. erweiterte.

Adlige Literatur

Im Umkreis des Königshofen entstanden Werke, die der Weitergabe von praktischen Informationen dienten: Das Livro de Falcoaria (Buch der Falknerei) und das Livro da Montaria (Buch der Treibjagd) thematisieren die Jagd, die Ensinança de Bem Cavalgar Toda Sela (Unterweisung, jeden Sattel wohl zu reiten) die Reitkunst. Der Leal Conselheiro (Loyaler Ratgeber) ist eine Art Handbuch für Adlige. O Livro da Virtuosa Benfeitoria (Buch der tugendhaften Wohltat) ist eine politische Theorie über die Frage, welche Aufgaben der König hat. Alle diese Werke entstanden in der Regierungszeit Dom Joãos I. (1383–1433) und Dom Duartes (1433–1438), die möglicherweise Auftraggeber der Werke waren.

Humanismus und Renaissance

Luís de Camões

Der Nationaldichter Luís de Camões (1524/25–1579/80) verfasste 1572 das Epos Os Lusíadas, in dem er in lyrischer Form die Entdeckungsfahrten der Portugiesen verherrlichte. Nach ihm wurde das Instituto Camões benannt, das – vergleichbar mit dem Goethe-Institut – weltweit die portugiesische Sprache und Kultur fördert.

Der Dichter Francisco de Sá de Miranda (1485–1558) war durch Aufenthalte in Italien stark von italienischen Einflüssen geprägt. Sein Werk hinterließ nachhaltige Spuren in der portugiesischen Dichtung. Er verfasste daneben auch Theaterstücke.

Eine Reihe weiterer Autoren machte die Renaissance in Portugal zum sogenannten "Goldenen Zeitalter" portugiesischer Literatur und Kultur:

Barock und Aufklärung

Der Barock ist vertreten vor allem durch einen Mann – den Pater António Vieira, dessen Predigten (Sermões) zum Wertvollsten der portugiesischen Prosa gehören und er ist gleichzeitig der bedeutendste Vertreter des portugiesischen Barock. Daneben sind noch bedeutend die Dichter Manuel Maria Barbosa du Bocage und Francisco Rodrigues Lobo.

In diese Zeit fallen auch die Liebesbriefe der portugiesischen Nonne Mariana Alcoforado, die – das weiß man heute – nicht von ihr stammen, die an einen französischen Offizier gerichtet waren und bis heute zu den schönsten Liebesbriefen der Weltliteratur zählen.

Romantik

  • Alexandre Herculano gilt gemeinhin als Begründer der literarischen Romantik Portugals. Sein Werk ist von immenser Bedeutung zum Verständnis Portugals früherer Epochen.
  • Almeida Garrett war der zweite große Romantiker des Landes. Vor allem dem Theater gab er – europaweit – für die Romantik neue Impulse.

Realismus und Symbolismus

Als Begründer des Realismus bzw. Naturalismus in Portugal gilt der später ermordete Schriftsteller und Gelehrte Manuel Joaquim Pinheiro Chagas (1842–1895). Sein monumentales Werk ist gleichzeitig bedeutend für den portugiesischen Positivismus dieser Zeit.

Eça de Queiroz

Eça de Queiroz

Der bedeutendste Vertreter des portugiesischen Realismus ist José Maria Eça de Queiroz (1845–1900). Der stark von der französischen Literatur beeinflusste Autor kritisierte die sozialen Umstände seiner Zeit und erlangte mit seinem Roman O primo Basílio Weltruhm.

Bedeutender Intendent und Begründer des Symbolismus in Portugal war der Lyriker und Gelehrte Eugenio de Castro e Almeida.

Saudosismus (Saudosismo)

Der Saudosismo bezeichnet in der portugiesischen Literaturgeschichte eine Bewegung sowohl der Erneuerung der portugiesischen Dichtung als auch der portugiesischen Nation (Renascença Portuguesa) mit Höhepunkt in der zweiten Dekade des 20. Jahrhunderts.

Es handelt sich um einen für Portugal typischen Literaturstil, der vor allem mit Traurigkeit und Melancholie in Verbindung gebracht wird und starke pantheistische Züge trägt. Der Begriff leitet sich von portugiesisch saudade her, was nur ungefähr mit Sehnsucht, Schwermut übersetzt werden kann.

Ihr bedeutendster Vertreter war Teixeira de Pascoaes, aber auch der nach Luís de Camões als bedeutendster Lyriker Portugals geltende Fernando Pessoa (1888-1935) war einige Zeit lang Anhänger dieser Richtung.

Moderne

Postmoderne und Gegenwart

José Saramago

Einer der bedeutendsten Schriftsteller Portugals in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war José Saramago (1922–2010). Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende gelernte Automechaniker erwarb sich durch seine autodidaktischen Fähigkeiten umfangreiche Literaturkenntnisse, die ihn dazu brachten, sich ab 1976 ganz der Schriftstellerei zu widmen. Saramago gelang 1980 mit dem sozialkritischen Roman Levantando do chão (Hoffnung im Alentejo) der nationale Durchbruch. Seitdem verfasste der bekennende Atheist und Kommunist zahlreiche Gedichte, Novellen, Romane und Dramen, in denen er in einer kraftvollen, teilweise surrealistischen Erzählweise die Geschichte und Gesellschaft Portugals aus der Sicht der kleinen Leute porträtiert. Sein Roman O Evangelio Segundo Jesus Cristo (Das Evangelium nach Jesus Christus) von 1991 erregte aufgrund angeblicher Blasphemie den Unmut der katholischen Kirche, was dazu führte, dass Saramagos Nominierung für den Europäischen Kulturpreis durch die portugiesische Regierung zurückgenommen wurde. Aus Protest wanderte Saramago daraufhin nach Spanien aus. Sein Werk wurde mehrfach ausgezeichnet. Er erhielt 1995 den höchsten Preis für portugiesischsprachige Literatur (Prémio Camões) und 1998 den Literaturnobelpreis.

António Lobo Antunes

António Lobo Antunes

António Lobo Antunes (* 1942) ist ein zeitgenössischer portugiesischer Romancier. Der studierte Mediziner arbeitete zeitweise während der Endphase des Unabhängigkeitskriegs als Militärarzt in Angola. Nach seiner Rückkehr nach Portugal arbeitete er als Psychiater. Seine Erfahrungen während des Kriegs verarbeitete er in dem Roman Os Cus de Judas (Der Judaskuss), mit dem ihm 1979 in Portugal der Durchbruch als Schriftsteller gelang. Heute lebt und arbeitet Antunes als Autor in Lissabon. Er thematisiert in seinen Romanen die Geschichte Portugals, wobei im Zentrum immer das Schicksal normaler Menschen steht. Sein Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem 2007 mit dem Prémio Camões, dem bedeutendsten literarischen Preis Portugals. Antunes gilt als Anwärter auf den Literaturnobelpreis.

Portugiesische Autoren im Bezug auf Deutschland

Viele portugiesische Autoren wurden in die verschiedensten Sprachen übersetzt, so auch ins Deutsche. Sie hatten mit ihrem Werk Einfluss auf deutsche Literaten:

  • Luis de Camões, dessen Epos Die Lusiaden war 1810 erstmals in deutscher Sprache erschienen und erfuhr im 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart diverse Übersetzungen und Neuauflagen. Zahlreiche deutsche, vor allem romantische, Dichter lasen die Lusiaden oder schrieben sogar ein Gedicht über den Autor, so zum Beispiel Bürger, Schlegel, Fichte, etc. Die Luisiaden gehörten seitdem zum Bildungsgut des Bildungsbürgers. August von Platen soll sogar portugiesisch gelernt haben, um die Luisiaden im Original lesen zu können.
  • Fernao Mendes Pinto: dessen Werk, die "Peregrinacao", übersetzt so viel wie "Wunderliche Reise ins entfernte Asien" wurde bereits im 17. Jahrhundert ins deutsche und andere Sprachen übertragen und erlebte seitdem viele Auflagen. Bedeutend war das Werk als Schilderung über die Sitten, Gebräuche und geographischen Gegebenheiten der von ihm besuchten Länder und fand bei an Abenteuer interessierten Lesern reißenden Absatz.
  • José Maria Eça de Queiroz der als Romancier auch der "portugiesische Zola" genannt wurde, war der erste Romancier, der fast komplett mit seinem Oeuvre ins Deutsche übertragen wurde. Friedrich Nietzsche hat ihn gelesen und hoch geschätzt. Sein Werk "Vetter Basilio" wurde als erste portugiesische Literatur überhaupt in Deutschland verfilmt, 1969 als Fernsehstück unter der Regie von W. Semmelroth.
  • Fernando Pessoa: Portugals bedeutendster Schriftsteller des 20. Jahrhunderts hat eine große Fangemeinde in Lateinamerika und Südeuropa. Weltbekannte Autoren wie Jorge Luis Borges, Octavio Paz und Antonio Tabucchi beschäftigten sich mit ihm. In Deutschland ist Pessoa durch die Dokumentation "Fernando Pessoa- Im Labyrinth des Ich" von 1987, übrigens das erste Porträt eines Portugiesen als Dokumentation in Deutschland, bekannt geworden. Sein komplettes Werk ist ins Deutsche übertragen worden und findet auch in Deutschland eine große Fangemeinde.
  • Aquilino Ribeiro war ein an sich nur in Portugal bekannter Schriftsteller. Mit seinem Reisetagebuch, das er in den 1920er-Jahren über eine Reise durch Deutschland schrieb, prägte er das Bild von Deutschland in Portugal nachhaltig. Sein Werk ist ein Buch, das die Geschehnisse aus Sicht eines Portugiesen schildert in einer Zeit, wo beide Länder noch keine weitreichenden Kontakte miteinander pflegten.

Die zeitgenössischen Autoren Antonio Lobo Antunes, Jose Saramago und Lídia Jorge unter anderem sind durch zahlreiche Autorenlesungen, Zeitungsartikel und Übersetzungen dem deutschen Publikum bestens bekannt.

Literatur

  • João Barrento: Nelken und Immortellen. Portugiesische Literatur der Gegenwart. Berlin: edition tranvía, 1999. ISBN 3-925867-42-2.
  • Ilídio Rocha: Chronologisches Lexikon der portugiesischen Literatur. Nach dem Pequeno Roteiro da Literatura Portuguesa. Lissabon, 1984, aktualisiert und überarbeitet von Ilídio Rocha, Frankfurt am Main: TFM (Verlag Teo Ferrer de Mesquita), 1999. ISBN 3-925203-62-1.
  • Helmut Siepmann: Kleine Geschichte der portugiesischen Literatur. (Beck'sche Reihe, 1547) München: C.H. Beck, 2003. ISBN 3-406-49476-5.
  • Helmut Siepmann: Portugiesische Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts in Grundzügen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, ²1995. ISBN 3-534-08794-1.
  • Portugiesische Literatur, hrsg. v. Henry Thorau. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1997. ISBN 3-518-40946-8.

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