Postreform

Postreform

Postreform ist ein Reformpaket, dessen Ziel die Privatisierung der Behörde Deutsche Bundespost (DBP) war.

Inhaltsverzeichnis

Gründe

Der rasante technische Fortschritt und die zunehmende Marktdynamik vor allem durch die vollständige Öffnung des amerikanischen Fernmeldewesens setzte die Bundespost unter Druck. Sie war immer weniger in der Lage, die Vielfalt der technischen Möglichkeiten in marktgängige Angebote umzusetzen. Da auf dem deutschen Post- und Telekommunikationsmarkt kein Wettbewerb herrschte, gab es auch keinen Anlass zu hohem Forschungsdruck, zu besserem Kundenservice oder zu Kostensenkungen.

Ein weiterer Grund für die Reformierung war die Liberalisierungsdiskussion, die Ende der 1970er Jahre in Gang kam. Sie mündete 1986 in der Einheitlichen Europäischen Akte, welche die Voraussetzung zur Vollendung des Europäischen Binnenmarktes war. In diesem Binnenmarkt sollten die vier Freiheiten vollständig verwirklicht werden: Freier Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital. Das bedeutet unter anderem, dass Unternehmen aus Mitgliedstaaten grenzüberschreitend ihre Waren und Dienstleistungen ohne Beschränkungen anbieten können. Es kam zu einem Umdenken in Bezug auf die staatlichen Monopolstellungen in einigen Wirtschaftsbereichen. Schrittweise sollten diese für den freien Wettbewerb freigegeben werden. Die EG-Kommission leitete in Anwendung der Wettbewerbsregeln mehrere Verfahren gegen Mitgliedstaaten ein. Im Ergebnis musste auch die DBP eine Beschneidung ihrer Monopolansprüche und die Abgabe von Tätigkeitsbereichen hinnehmen.

Nach dem Abschlussbericht einer Regierungskommission Fernmeldewesen und dem steigenden externen Liberalisierungsdruck durch andere Mitgliedstaaten wie Frankreich und Großbritannien wurde in der damaligen Regierungskommission (CDU/CSU und FDP) im Mai 1988 ein mehrheitsfähiges Reformkonzept beschlossen.

Postreform I (1989)

Ziel der Reform war es, die Angebotsvielfalt in den Marktbereichen zu erweitern und zu fördern, in denen sich die Kundenbedürfnisse schnell fortentwickeln. Die DBP wurde nach diesem Gesetz neu strukturiert und in drei öffentliche Unternehmen aufgeteilt. So sollten Ineffizienzen und Größennachteile vermieden werden. Die Unternehmen Postdienst, Postbank und Telekom werden von einem Vorstand und einem Aufsichtsrat geleitet.

Die Geschäftsbereiche nahmen weiterhin hoheitliche Aufgaben unter der Leitung des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation wahr. Die Deutsche Bundespost behielt weiterhin ihre Monopole bei der Briefbeförderung und beim Telefonnetz mit Ausnahme des Mobilfunks, alle übrigen Dienstleistungen konnten fortan auch von privaten Anbietern durchgeführt werden.

Die politischen Kontrollmöglichkeiten wurden gesichert und die Einheit der Deutschen Bundespost nicht angetastet. So konnten die drei Unternehmen keine eigene Rechtspersönlichkeit bilden, eine Umwandlung in eine Gesellschaft privaten Rechts wurde ausgeschlossen. Auch der Konflikt zwischen politischen und unternehmerischen Zielen wurde gemildert, aber nicht abgeschafft aus den oben genannten Gründen.

Nach Inkrafttreten des Poststrukturgesetzes am 1. Juli 1989 ergriff eine außerordentliche Dynamik den liberalisierten Markt. Die Entwicklungen waren von einem raschen Wachstum der Angebote, einer tieferen Produktdifferenzierung und starken Preisverfällen geprägt. Durch die immer noch vorherrschenden verfassungsrechtlichen Restriktionen war die internationale Handlungsfähigkeit der drei Unternehmen der DBP eingeschränkt. Vom Staat kontrollierte Unternehmen gelten nicht als potentielle Partner für strategische Allianzen. Es drohten Standortnachteile für die deutsche Wirtschaft, wenn sich die DBP nicht dem internationalem Wettbewerb stellt. Die Postreform I erlaubte zwar nun ausländischen Unternehmen den Einstieg in den deutschen Markt, aber als unmittelbare Bundesverwaltung konnten die drei Unternehmen der DBP nicht auf den liberalisierten ausländischen Post- und Telekommunikationsmärkten tätig werden.

Die Postreform I schuf die Voraussetzungen für eine Entstaatlichung und die Aufhebung des Monopols.

Postreform II (1994)

Nach dem Fall der Mauer 1989 kamen Überlegungen in der Bundesregierung zu dem Schluss, die drei staatlich geführten Unternehmen der DBP teilweise zu privatisieren. In den damals neuen Bundesländern mussten zum Aufbau der Post- und Telefondienste enorme Investitionen getätigt werden. Allein die DBP Telekom setzte bis 1997 60 Mrd. DM im Nordosten Deutschlands ein. Doch die höchst angespannte Haushaltslage der Bundesregierung ließ keine Beisteuerung von Eigenmitteln zu, so dass die Eigenkapitalquote weit unter das gesetzlich vorgeschriebene Maß von 33 % sank. Aus Rücksichtnahme auf Wählerinteressen verzichtete man auf eine Erhöhung der Post- und Telefongebühren.

Schnellstmöglich musste eine Lösung der Kapitalbeschaffungsprobleme gefunden werden. Das Ergebnis einer erneut eingesetzten Verhandlungskommission nach einem zweijährigen Prozess war 1994 die Postreform II. Alle drei Unternehmen der DBP sollten in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. So konnte die Stärkung des Eigenkapitals, die Beteiligung an internationalen Konsortien und der Ausbau ihrer Positionen in der Welt ermöglicht werden. Sie unterliegen ab 1996 der uneingeschränkten Steuerpflicht, welche nur durch erhebliche fiskalische Verzichte des Bundes möglich wurde. Überlegungen waren ausschlaggebend dafür, dass durch Steuerzahlung der drei Unternehmen, Dividenden oder Aktienverkäufe der Bund in Zukunft einen Ausgleich für den Wegfall der Ablieferungen erhält. Damit entstanden die Deutsche Post AG, die Deutsche Telekom AG und die Deutsche Postbank AG. Für den Verlust an politischer Steuerungskompetenz hält der Bund die Mehrheitsbeteiligung an den Postunternehmen. Zur Regelung der dienstlichen und disziplinarischen Maßnahmen und zur Sicherstellung von Sozialleistungen gegenüber den Beamten, Angestellten und Arbeitern wurde die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost gegründet. Sie verwaltet außerdem die im Bundeseigentum stehenden Aktienanteile an den Unternehmen. Die Postbeamtenkrankenkasse blieb außerdem bestehen, nimmt als Mitglieder jedoch nur Beschäftigte auf, die bereits 1994 im Dienst der Bundespost standen.

Der Bund bleibt für die hoheitlichen Aufgaben im Postwesen und bei der Telekommunikation zuständig. Zu den hoheitlichen Aufgaben zählt die flächendeckende, ausreichende und angemessene Sicherung der Nachfragenden. Zu verstehen sind darunter Fragen der Standardisierung und Normierung, die Funkfrequenzverwaltung, die Erteilung von Genehmigungen für Funkanlagen und die Vorsorge für den Krisen- und Katastrophenfall.

Das Bundesministerium für Post und Telekommunikation (BMPT) bezeichnete die im Sommer 1994 verabschiedete Postreform II als das zentrale Ereignis des Jahres und als eine der größten Reformen der deutschen Wirtschaftsgeschichte.[1] Die Postreform II beschränkte sich auf die Privatisierung und änderte nichts an der Wettbewerbsstruktur.

Die Postreform war in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert worden; zu den Kernpunkten der Auseinandersetzung zählte unter anderem die Frage nach den Pensionsleistungen der drei Postunternehmen, die sich auf rund 100 Milliarden Mark belaufen.

Postreform III (1996)

Auch die Postreform III wurde in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert; Streitpunkte sind beispielsweise die aus dem sozialdemokratisch-alternativen Spektrum stammende Forderung nach einem Universaldienst.

Die Entwürfe sahen eine unabhängige Regulierungsbehörde mit folgenden Aufgaben vor:

  • Erteilung von Lizenzen
  • Formulierung von Auflagen
  • Ausübung von Kontrollrechten
  • Sicherstellung des Zusammenschlusses konkurrierender Netze (Interconnection)
  • Ordnung der Bewirtschaftung begrenzter Ressourcen (Frequenzen, Nummern, Wegerechte)
  • Genehmigung der Tarife des dominierenden Netzbetreibers
  • Beobachtung der Qualität der Leistungen
  • Sicherstellung eines Universaldienstes im Falle einer nachgewiesenen Unterversorgung (Marktversagen)
  • Durchführen von Schlichtungsverfahren nach § 10 Postdienstleistungsverordnung

Schließlich wurde 1998 als Ersatz für das Bundesministerium die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) gegründet, welche für die Regulierung der technischen Seite des Telekommunikationsmarktes zuständig war. Im Juli 2005 wurde die RegTP in die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, kurz BNetzA, umbenannt.

Einzelnachweise

  1. Jahresbericht der Bundesregierung 1994, Überblick

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