Priscillianismus

Priscillianismus

Priscillian (dt. auch Priszillian) von Ávila (* um 340; † 385 in Trier) war ein Theologe von der iberischen Halbinsel. Er gründete eine religiöse Bewegung, die strenge Askese für Priester und Laien befürwortete und die Kirche durch Unterordnung unter die Leitung des Heiligen Geistes erneuern wollte. Er war der erste Häretiker des Christentums, der wegen Ketzerei hingerichtet wurde. Seine Bewegung bestand in Spanien und Gallien trotz strenger Verfolgung bis nach der Mitte der 6. Jahrhunderts fort, in Galicien sogar bis ins 7. Jahrhundert hinein.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Priscillian war ein reicher Laie aus einer vornehmen Familie, der sein Leben dem Studium gewidmet hatte. Als asketischer Mystiker betrachtete er das christliche Leben als ständiges Gespräch mit Gott. Ein Zitat des Apostels Paulus „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist?“ (1. Kor. 6,19a) wurde zum Leitgedanken seiner Theologie, die neben dem christlichen Glauben und den Werken der Liebe den Verzicht auf die Ehe und irdische Ehren sowie eine strenge Askese forderte, damit der Mensch Wohnung Gottes werden könne. Es war zum einen die Frage der Enthaltsamkeit in der Ehe, wenn nicht gar der Ehelosigkeit, weswegen er in Konflikt mit dem Klerus Nordspaniens und Südgalliens geriet, zum anderen die Bedrohung der Autorität der Kirche, die sein Einfluss und die wachsende Zahl seiner Anhänger darstellten.

Es ist nicht immer möglich, Priscillians eigene Aussagen von denen zu trennen, die ihm von seinen Gegnern zugeschrieben werden, und auch nicht von denen, die die Gruppen, die „Priscillianisten“ genannt wurden, später entwickelten. Priscillian hatte Einfluss auf spätere mystische Gemeinschaften in Nordspanien und Südfrankreich, die von der klerikal-politischen Obrigkeit als „häretisch“ bezeichnet wurden.

Lehre

Schriften Priscillians wurden verbrannt, einige wurden als „orthodox“ anerkannt. Er teilte zum Beispiel die Paulinischen Briefe (den Hebräerbrief eingeschlossen) in Textabschnitte gemäß ihren theologischen Inhalten und schrieb zu jedem Abschnitt eine Einleitung. Dieser Kanon überlebte in Form der Ausgabe des Peregrinus (Vinzenz von Lerinum). Diese Briefe enthalten die Forderung nach einem Leben in persönlicher Frömmigkeit und Askese, einschließlich Ehelosigkeit und Abstinenz vom Fleisch- und Weingenuss. Sklaverei sei von Jesus von Nazareth abgeschafft, die Gleichstellung von Männern und Frauen geboten worden, Gedanken, die sich im Christentum vor mehr als 1500 Jahren nicht durchsetzen wollten.

Priscillian und seine Anhänger nahmen Frauen gleichberechtigt auf, die als spiritales und abstinentes organisiert wurden, wie bei den Katharern in späterer Zeit, und wiesen damit die damaligen kirchlichen Vorschriften zurück. Das Studium der Heiligen Schrift war verbindlich. Priscillian legte beachtliches Gewicht auf Schriften, die zu den neutestamentlichen Apokryphen gezählt werden.

Der Streit um Priscillian

Die Vorwürfe der Zauberei und unzüchtiger Orgien waren im Hinblick auf Priscillians Lehren absurd. Anders war es mit dem von ihm vertretetenen und von der Kirche verurteilten gnostischen Dualismus. Es wurde von Hydatius von Emeritia, Rufus von Metz und Britto von Trier Anklage gegen ihn wegen Manichäismus erhoben. [1] (Gegen Hieronymus wurde wegen seiner Gespräche zu den Sordes nuptiarum ähnliche Vorwürfe erhoben, woraufhin er sich nach Betlehem zurückzog, um der Verurteilung zu entgehen).

Unter den weniger bekannten von Priscillians Freunden waren zwei Bischöfe, Instantius und Salvianus, sowie Hyginus von Cordoba; sie und die anderen führenden Anhänger Priscillians wurden vor die Synode der spanischen und aquitanischen Bischöfe in Saragossa im Oktober 380 geladen und dort folgerichtig auf Betreiben des Ithacius von Ossonoba exkommuniziert, als sie dort nicht erschienen. Da Priscillian jedoch in der Zwischenzeit Bischof von Ávila geworden war, wandten sich seine Gegner an Kaiser Gratian, der daraufhin ein Edikt erließ, in dem den Anführern der Bewegung die Verbannung angedroht wurde. Priscillian, Instantius und Salvianus gelang es jedoch, die Rücknahme des Edikts zu erreichen.

Nach der Ermordung Gratians und der Thronbesteigung von Magnus Maximus (383) floh Ithacius nach Trier, wo er gegen Priscillian mit ihm verbundenen Bischöfen auftrat. Daraufhin wurde 384 in Bordeaux eine weitere Synode abgehalten, auf der Instantius abgesetzt wurde. Priscillian appellierte an den Kaiser mit dem zu erwartendem Ergebnis, dass er und einige seiner Glaubensgenossen 385 oder 386 zum Tode verurteilt wurden – die ersten christlichen Märtyrer, die durch Christen ums Leben kamen.

Die nun folgende erste Anwendung des theodosianischen Gesetzes gegen Häretiker wurde von der Synode von Trier im selben Jahr genehmigt. Ambrosius von Mailand und Martin von Tours haben dafür gesorgt, dass die Verfolgung der Priscillianer in Grenzen gehalten wurde.

Teilweise wird die Meinung vertreten, die von Ambrosius, Martin und Papst Siricius erhobenen starken Proteste gegen die Hinrichtung ihres innerkirchlichen Gegners Priscillian richteten sich vor allem gegen den dadurch geschaffenen Präzedenzfall, dass ein kirchlicher Fall vor einem weltlichen Tribunal verhandelt wurde.

Die Lehre Priscillians nach seinem Tode

Ungeachtet der harten Maßnahmen, die gegen sie ergriffen wurde, breitete sich die angebliche Häresie in Spanien und Frankreich weiter aus; im Jahr 412 wurden Lazarus, Bischof von Aix-en-Provence und Herod, Bischof von Arles, unter der Anklage des Manichäismus abgesetzt. Proculus, der Metropolit von Marseille und die Metropoliten von Vienne und Narbonensis II zählten ebenfalls zu den Anhängern der Lehre, wegen der Priscillian hingerichtet worden war.

Jahrzehnte später wurden zwei Synoden abgehalten, um den Priscillianismus zu bekämpfen; die eine 446 von Turibius von Astorga, die andere 447 in Toledo. Erneut wurde die Lehre des Priscillian durch die zweite Synode von Braga 563 zur Häresie erklärt, ein Indiz dafür, dass die priscillianistische Richtung nach seiner Hinrichtung weiterhin existierte.

„Die offizielle Kirche“, schreibt F. C. Conybeare, hier unkommentiert, trotzdem sehr parteilich, „hatte den asketischen Geist in dem Ausmaß zu respektieren, in dem er das Zölibat seinen Priestern auferlegte, und Verständnis oder besser Umklammerung denjenigen Laien gegenüber zu bekunden, die nach dem alten asketischen Ideal zu leben wünschten. Aber die offizielle Lehre Roms würde nicht erlauben, dies zum Ideal und zur Pflicht jedes Christen zu machen. Priscillian starb für sein Beharren darauf; und sieben Jahrhunderte später begann die Kirche die Katharer zu Tausenden zu verbrennen, weil sie eine ähnliche Ansicht vom christlichen Leben hatten.“

Die lang vorherrschende Beurteilung Priscillians als Häretiker und Manichäer stützte sich auf Augustinus von Hippo, Turibius von Astorga, Leo den Großen und Paulus Orosius, der ein Fragment eines Briefs von Priscillian zitierte, obwohl sich auf dem Konzil von Toledo im Jahr 400, als sein Fall wiederaufgerollt wurde, herausstellte, dass der schwerste Vorwurf gegen ihn auf einem sprachlichen Fehler beruhte. Er war u.a. verurteilt worden, weil der das Wort innascibilis (etwa nicht erzeugbar) in einem bestimmten Zusammenhang angewandt hätte. Dennoch sagten sich eine Reihe priscillianistischer Bischöfe von ihm los, um die kirchliche Einheit nicht zu gefährden.

Die Wissenschaft ging davon aus, dass alle Schriften von Priscillian verschwunden seien, bis 1885 G. Schepss in Würzburg elf originale Teile entdeckte, die danach im Vienna Corpus veröffentlicht wurden. Obwohl sie Priscillians Namen tragen, können sie auch von einem seiner Anhänger geschrieben worden sein. Sie enthalten nichts, was nicht orthodox oder Gemeinplatz ist, nichts, das Hieronymus nicht auch geschrieben haben könnte. Schepps schreibt, den Akt als Solchen weit übertreibend, Priscillian sei der erste Märtyrer, der von der Spanischen Inquisition verbrannt wurde gewesen. Interessierte Historiker und die Volkstradition haben auch aufgrund dieses Falles die Schwarze Legende des angeblichen spanischen Fanatismus begründet.

Priscillian wurde besonders in Galicien lange als Märtyrer verehrt. Es gibt Forscher, die behaupten, die im 8. Jahrhundert in der heutigen Jakobsweg-Pilgerstätte Santiago de Compostela gefundenen Reliquien seien diejenigen Priscillians und nicht die des Jakobus des Älteren. Andere, eher den katholischen Traditionen verpflichtete Wissenschaftler, bestreiten dies. Gleichzeitig entbehrt jedoch auch die offizielle katholische Jakobus-Legende jeder empirisch gesicherten, wissenschaftlichen Grundlage.

Siehe auch

Literatur

  • Henry Chadwick: Priscillian of Avila. The Occult and the Charismatic in the Early Church. Clarendon, Oxford 1997.

Einzelnachweise

  1. Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit´. C.H.Beck, 1995, ISBN 3406363164

Weblinks


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