Orosius

Orosius

Paulus Orosius (* um 385; † um 418), war ein in Hispanien (möglicherweise in Braga in der Provinz Galaecia) geborener spätantiker Historiker und christlicher Theologe.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Als christlicher Priester zeigte Orosius Interesse an der Auseinandersetzung um den Priscillianismus, die in seinem Geburtsland tobte, und es ist möglich, dass er aufgrund dessen Augustinus in Hippo im Jahr 413 oder 414 aufsuchte. Nachdem er einige Zeit in Africa als sein Schüler geblieben war, wurde er von ihm 415 mit einem Empfehlungsbrief an den Kirchenvater Hieronymus nach Palästina gesandt, dann nach Betlehem.

Der vordergründige Zweck seiner Mission (abgesehen von einer Pilgerfahrt und vielleicht dem Erwerb von Reliquien) war, weitere Unterweisung von Hieronymus zu den von den Priscillianern und Origenisten aufgeworfenen Fragen zu erhalten; tatsächlich aber sollte Orosius offenbar Hieronymus und andere gegen Augustinus' Gegner Pelagius in Stellung bringen, der seit der Synode von Karthago 411 in Palästina lebte und dort auch einige Akzeptanz fand.

Das Ergebnis von Orosius' Ankunft war, dass Johannes, der Bischof von Jerusalem, sich veranlasst sah, in seiner Residenz für Juni 415 eine Synode einzuberufen, auf der Orosius über die Entscheidungen von Karthago berichtete und aus Augustinus' Schriften jene Abschnitte verlas, die sich gegen Pelagius richteten. Erfolg war schwerlich zu erwarten bei den orientalischen Christen, die vielfach kaum Latein verstanden und deren Sinn für Pietät zuvor durch Pelagius' Frage et quis est mihi Augustinus? berührt worden war.

Alles, was Orosius erreichte, war Johannes' Zusage, einen Brief und eine Gesandtschaft nach Rom zum dortigen Bischof Innozenz I. zu schicken. Nachdem er lange genug gewartet hatte, um die unvorteilhaften Entscheidungen der Synode von Diospolis oder Lydda vom Dezember des gleichen Jahres zur Kenntnis zu nehmen, kehrte Orosius nach Nordafrika zurück, wo er vermutlich gestorben ist. Nach Gennadius brachte er kürzlich entdeckte Reliquien des Märtyrers Stephan von Palästina nach Menorca, wo sie bei der Konversion der Juden eingesetzt wurden.

Das früheste Werk des Orosius, Consultatio sive commonitorium ad Augustinum de errore Priscillianistarum et Origenistarum, erklärt sein Ziel im Titel; es wurde bald nach seiner Ankunft in Africa geschrieben, und wird üblicherweise in den Werken des Augustinus vor dessen Antwort Contra Priscillianistas et Origenistas liber ad Orosium gedruckt.

Seine nächste Abhandlung, Liber apologeticus de arbitrii libertate, schrieb er während seines Aufenthalts in Palästina und in Verbindung mit der Kontroverse, die ihn dort beschäftigte. Es ist eine scharfe und nicht immer gerechte Kritik des Pelagianismus vom Standpunkt des Augustinus aus.

Orosius' mit Abstand berühmtestes Werk, die Historiae adversum Paganos, wurde auf Augustinus’ Anregung hin begonnen, dem die Schrift auch gewidmet ist. Als Augustinus diese Aufgabe vorschlug, hatte er schon sein eigens Werk De civitate Dei begonnen, und es sind dann vielfach die gleichen Argumente, die von seinem Schüler Orosius weiter ausgearbeitet wurden - vor allem der anhand der Geschichte versuchte "Beweis", dass die Welt mit dem Auftritt des Christentums nicht schlechter geworden sei. Das Projekt war notwendig geworden, da sich aufgrund des offenkundigen Verfalls des weströmischen Reiches seit etwa 400 und insbesondere seit der Eroberung Roms durch Alarich I. im Jahr 410 die Stimmen gemehrt hatten, die die Abkehr von den alten Göttern für die schwierige Lage verantwortlich machten. Augustinus und Orosius ging es darum, darzulegen, dass die Römer auch in früherer Zeit von Katastrophen getroffen worden waren, weshalb das Christentum nicht für die aktuellen Probleme verantwortlich zu machen sei, deren Bedeutung zudem teils heruntergespielt wird.

In diesem Werk war auch ein Abschnitt, der sich mit der Kosmographie befasste. Er wurde auch als eigenes Werk veröffentlicht, oft auch zusammen mit einer Kosmographie des Julius Honorius. Sie war weit verbreitet und wurde von vielen späteren Schriftstellern benutzt, so von Jordanes, Isidor von Sevilla, Beda Venerabilis, Adam von Bremen, Honorius Augustodunensis, Otto von Freising und anderen.

Die Arbeit des Orosius, eine Art Chronik der Katastrophen, die der Menschheit bis zum Jahr 417 widerfahren seien, ist das früheste Beispiel von systematischem Gebrauch der Jahreszählung ab urbe condida (auch wenn diese von Varro berechnete Zählung bereits viel früher von Autoren wie Livius verwendet worden war). Das Werk ist leider wenig genau und nicht instruktiv; es gibt auch keinen Anlass zu literarischem Kommentar. Die historia war jedoch der erste Versuch, die Geschichte der Welt aus dezidiert christlicher Sicht als Geschichte einer von Gott geleiteten Menschheit zu schreiben. Ihre Absicht ist in den Augen der "Orthodoxen" auch ihr Wert, und die Hormesta, Ormesta oder Ormista, wie sie auch genannt wird, ohne dass man wüsste, warum, erreichte schnell eine große Popularität. Nahezu zweihundert Manuskripte dieses Werks sind erhalten geblieben, auch eine freie und gekürzte Übersetzung für den britischen König Alfred (altenglischer Text mit der lateinischen Vorlage, herausgegeben von H. Sweet, 1883). Die Quellen, derer sich Orosius bediente, wurde von Theodor von Mörner ermittelt: neben dem Alten und Neuen Testament scheint er vor allem Caesar, Livius, Junianus Justinus, Tacitus, Sueton, Florus und eine Kosmographie herangezogen und zudem großen Wert auf Hieronymus’ Übersetzung der Kirchengeschichte des Eusebius von Caesarea gelegt zu haben.

Die Geschichte des Orosius wurde unter Al-Hakam II. von Córdoba ins Arabische übersetzt und wurde später eine der Quellen für Ibn Khaldun.

Ausgaben und Übersetzungen

Editionen

  • Paulus Orosius: Commonitorium de errore Priscillianistarum et Origenistarum. ed. Georg Schepss. In: Corpus der Lateinischen Kirchenväter Bd. 18. Wien 1889, S. 149-157.
  • Paulus Orosius: Historiarum adversum paganos libri VII. Hrsg v. Carl Zangmeister. In: Corpus der Lateinischen Kirchenväter Bd. 5. Wien 1882, S. 149-157. 2. Aufl. Hildesheim 1967, 1-600.
  • Paulus Orosius: Liber apologeticus contra Pelagianos. Hrsg v. Carl Zangmeister. In: Corpus der Lateinischen Kirchenväter Bd. 5. Wien 1882, S. 149-157. 2. Aufl. Hildesheim 1967, 601-664.

Übersetzungen

  • A. T. Fear (Übers.): Orosius. Seven books of history against the pagans. Liverpool 2010.
  • Adolf Lippold (Hrsg. und Übers.): Orosius. Die antike Weltgeschichte in christlicher Sicht. 2 Bde. 1985/86

Literatur

  • Hartwin Brandt: Historia magistra vitae? Orosius und die spätantike Historiographie. In: Andreas Goltz, Hartmut Leppin, Heinrich Schlange-Schöningen (Hrsg.): Jenseits der Grenzen. Beiträge zur Geschichtsschreibung im Übergang von der Antike zum Mittelalter. Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-020646-3, S. 121–133.
  • Hans-Werner Goetz Die Geschichtstheologie des Orosius. Darmstadt 1980.
  • Hans-Werner Goetz: Orosius und die Barbaren. In: Historia. Band 29, 1980, S. 356–376.
  • Gerhard Hingst: Zu offenen Quellenfragen bei Orosius. Dissertation, Wien 1973.
  • Suzanne Karrer: Der Gallische Krieg bei Orosius. Zürich 1969.
  • Alfred Klotz: Beiträge zur Analyse des geographischen Kapitels im Geschichtswerk des Orosius In: Charisteria A. Rzach. Stiepel, Reichenberg 1930, S. 120–130.
  • Adolf Lippold: Rom und die Barbaren in der Beurteilung des Orosius. Dissertation, Erlangen 1952.
  • Adolf Lippold: Die Darstellung des ersten Punischen Krieges in den Historiarum adversum paganos libri VII des Orosius. In: Rheinisches Museum für Philologie. Neue Folge, Band 97, 1954, S. 254–286.
  • Adolf Lippold: Orosius, christlicher Apologet und römischer Bürger. In: Philologus. Band 113, 1969, S. 92–105.
  • Adolf Lippold: Griechisch-makedonische Geschichte bei Orosius. In: Chiron. Band 1, 1971, S. 437–455.
  • Max Manitius: Zu Plinius dem Älteren und Orosius. In: Rheinisches Museum für Philologie. Band 48, 1893, S. 477–479.

Weblinks


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