- Privy Council (Großbritannien)
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Her Majesty's Most Honourable Privy Council (kurz: Privy Council; deutsch: Geheimer Rat) ist ein politisches Beratungsgremium des britischen Monarchen. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit das höchste legislative und judikative Regierungsorgan Englands unter dem König, nimmt der Rat heute überwiegend zeremonielle Funktionen wahr. Sein Wirkungsbereich ist stark eingeschränkt, da seine früheren Befugnisse heute von zwei seiner Ausschüsse, dem Regierungskabinett unter dem Premierminister und dem Judicial Committee wahrgenommen werden.
Der Rat kann heute nur noch Entscheidungen vorbereiten, die britische Außengebiete ohne Selbstverwaltung betreffen oder diejenigen königlichen Prärogativen, in deren Rahmen der Premierminister ohne Konsultation des Parlaments exekutiv und legislativ tätig werden kann. Darüber hinaus ist er richterliche Letztentscheidungsinstanz in bestimmten Angelegenheiten (Sachgebiete oder Länder) des Commonwealth.
Wird der britische Monarch auf Ratschlag des Councils tätig, handelt er als King-in-Council oder Queen-in-Council (deutsch: König- oder Königin-im-Rat). Die Mitglieder des Kronrats werden als The Lords of Her Majesty's Most Honourable Privy Council bezeichnet. Sein Vorsitzender ist der Lord President of the Council, der gleichzeitig den vierthöchsten Rang unter den Great Officers of State einnimmt. Er ist kraft Amtes Mitglied des britischen Kabinetts und als solches meist Führer der stärksten Fraktion im Ober- oder im Unterhaus. Ein anderes wichtiges Amt ist das des Clerks (deutsch: Sekretär), der alle im Privy Council beschlossenen Anweisungen unterschreibt.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Während der Herrschaft der normannischen Monarchen wurde die Krone durch den königlichen Hof beraten, der aus den Magnaten, den Kirchenführern und hohen Beamten bestand. Der Hof beschäftigte sich damit, den Herrscher bei der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Rechtsprechung zu beraten. Später entwickelten sich aus dem königlichen Hof verschiedene Organe mit speziellen Funktionen. Der Gerichtshof übernahm die Aufgabe, Recht zu sprechen, während das Parlament sich zum höchsten Gesetzgebungsorgan des Königreichs entwickelte. Trotz alldem behielt der Kronrat die Befugnis, rechtliche Streitigkeiten anzuhören, entweder als Erstinstanz oder als Berufungsinstanz. Des Weiteren wurden Gesetze, die der Souverän auf Ratschlag des Kronrats statt auf Ratschlag des Parlaments erließ, als ebenfalls gültig angesehen.
Mächtige Herrscher nutzten den Privy Council häufig, um die Gerichtshöfe und das Parlament zu umgehen. Zum Beispiel hatte ein Ausschuss des Privy Council – der spätere Hof der Sternenkammer (Court of the Star Chamber) – während des 15. Jahrhunderts das Recht, jede Strafe zu erlassen mit Ausnahme der Todesstrafe, ohne dafür an irgendwelche Regeln betreffend der Beweise oder der Beweislast gebunden zu sein. Während der Herrschaft von Heinrich VIII. war es dem Souverän erlaubt, auf Ratschlag des Privy Council Gesetze durch deren bloße Verkündung in Kraft treten zu lassen. Der gesetzgeberische Vorrang des Parlaments konnte erst nach dem Tod Heinrichs VIII. wiederhergestellt werden.
Obwohl der Privy Council gesetzgeberische und rechtsprechende Funktionen behielt, entwickelte es sich vorwiegend zu einem Verwaltungsorgan. Der Privy Council war ein großes Organ – es bestand im Jahr 1553 aus 40 Mitgliedern – wodurch es schwierig war, ihn als Beratungsorgan zu führen. Deshalb setzte der Souverän auf einen kleinen Ausschuss, der sich später zum modernen Kabinett entwickelte. Jakob I. und Karl I. versuchten, als absolute Monarchen zu herrschen, was zu einem weiteren Machtverlust des Privy Council führte.
Nach dem Englischen Bürgerkrieg wurde Karl I. hingerichtet, die Monarchie und das House of Lords abgeschafft. Die verbleibende Kammer des Parlaments, das House of Commons, setzte einen Staatsrat ein, um Gesetze auszuführen und die Verwaltung zu steuern. Die 41 Mitglieder des Staatsrats wurden durch das House of Commons gewählt. Das Organ wurde von Oliver Cromwell geleitet, der faktisch der militärische Diktator der Nation war. Im Jahr 1653 wurde Cromwell jedoch zum Lord Protector, und der Privy Council wurde auf zwischen 13 und 21 Mitgliedern verkleinert, die alle vom House of Commons gewählt wurden. Im Jahr 1657 gewährte das Unterhaus Cromwell noch größere Befugnisse, von denen manche an die Zeit der Monarchie erinnerten. Der Rat änderte seine Bezeichnung in Protector's Privy Council. Die Mitglieder waren durch den Lord Protector ernannt und bedurften lediglich der Zustimmung durch das Parlament.
Kurz vor der Restauration der Monarchie im Jahr 1659 wurde der Rat des Protektors abgeschafft. Karl II. führte den Privy Council wieder ein, verließ sich jedoch auf einen kleinen Ausschuss von Beratern, wie auch andere Stuart-Herrscher zuvor. Unter Georg I., der kaum Englisch sprach, gewann der nun als Kabinett bekannte Ausschuss des Privy Council noch größere Macht. Damit endete die Rolle des Privy Council als Ganzem, ein Organ vertraulicher Berater des Monarchen zu sein. Diese Rolle übernahm nun ein kleiner Ausschuss des Privy Council, das Kabinett.
Zusammensetzung
Der Souverän kann alle Privy Counsellors ernennen. In der Praxis tut er es auf Vorschlag der Regierung. Der Thronfolger und der Gemahl des Souveräns sind stets Mitglieder des Privy Councils. Auch die drei höchsten Kirchenführer der Church of England, der Erzbischof von Canterbury, der Erzbischof von York und der Bischof von London gehören dem Council an. Weiter gehören mehrere oberste Richter dazu. Die überwiegende Zahl der Kronräte sind jedoch Politiker. Dies sind der Premierminister, Kabinettsminister, einige höhere Minister außerhalb des Kabinetts, der Oppositionsführer und die Fraktionsführer der großen Parteien im House of Commons. Obwohl das Privy Council vorrangig eine britische Institution ist, werden bestimmte Vertreter anderer Commonwealth-Realms ebenfalls zu Geheimen Räten ernannt.
Die Geheimen Räte beeiden bei ihrem Amtsantritt mit folgender Formel:
- Sie schwören beim Allmächtigen Gott, ein ehrlicher und treuer Diener Ihrer Majestät der Königin zu sein als einer Ihrer Majestäts Geheimen Räte. Sie werden nicht wissen oder verstehen von irgendwelcher Art Angelegenheit, die versucht werden, getan oder gesprochen werden soll gegen die Person, Ehre, Krone oder Würde Ihrer Majestät, sondern Sie werden dergleichen widerstehen mit all ihrer Macht, und entweder dergleichen gegenüber Ihrer Majestät enthüllen oder gegenüber denjenigen in Ihrem Geheimen Rat, die Ihrer Majestät davon gewahr werden lassen. Sie werden in allen Angelegenheiten, die im Rat bewegt, behandelt und debattiert werden, treu und wahrheitsgemäß ihre Gedanken und Meinung erklären, wie es ihnen ihr Herz und ihr Gewissen gebietet; und sie werden alle Angelegenheiten geheim halten, die ihnen anvertraut und enthüllt werden oder die unter Geheimhaltung im Rat behandelt werden. Und sofern irgendwelche der besagten Verträge oder Ratschläge irgendwelche der Räte betreffen werden, werden sie es diesen gegenüber nicht enthüllen, sondern sie werden es bis zu der bestimmten Zeit für sich behalten, zu der mit der Zustimmung Ihrer Majestät oder des Rates die Veröffentlichung erfolgen wird. Sie werden bis zum Äußersten Treue und Gefolgschaft zu Ihrer Majestät der Königin wahren; und sie werden dabei helfen, alle Rechtsprechungen, Vorränge und Befugnisse zu verteidigen, die Ihrer Majestät gewährt oder von der Krone durch Parlamentsgesetze oder sonstwie übernommen wurden, gegenüber allen ausländischen Fürsten, Personen, Prälaten, Staaten oder Potentaten. Und allgemein werden sie in allen Angelegenheiten so handeln, wie ein treuer und wahrhaftiger Diener es gegenüber Ihrer Majestät tun sollte. So wahr ihnen Gott helfe.
Die Mitgliedschaft endet mit der Auflösung des Geheimen Rats. Dies geschieht automatisch sechs Monate nach dem Ableben des Monarchen. Bis zu einem unter der Herrschaft der Königin Anne erlassenen Statut, das dies änderte, wurde der Kronrat mit dem Ableben des Monarchen automatisch aufgelöst. Nach Gewohnheitsrecht ernennt der neue Souverän alle Angehörigen des Geheimen Rats wieder, so dass in der Praxis die Mitgliedschaft lebenslang andauert.
Der Souverän kann jedoch Einzelne aus dem Privy Council ausschließen, und Mitglieder können zurücktreten, um einem Ausschluss zuvorzukommen. Der letzte, der den Privy Council freiwillig verließ, war Jonathan Aitken, der 1997 nach Anschuldigungen der Veruntreuung sein Amt niederlegte. Er war damit einer der drei Kronräte, die im 20. Jahrhundert zurücktraten. Als letzter unfreiwillig ausgeschlossen wurde 1921 Sir Edgar Speyer wegen pro-deutscher Aktivitäten während des Ersten Weltkrieges.
Zusammenkünfte
Die Zusammenkünfte des Kronrates finden normalerweise einmal monatlich dort statt, wo sich der Monarch gerade aufhält. Der Monarch ist bei der Zusammenkunft anwesend, er kann dabei jedoch von zwei oder mehr Staatsräten vertreten werden. Unter der Regentschaftsakte von 1937 sind solche Staatsräte der Gemahl des Souveräns sowie die vier Personen, die in der Thronfolge am nächsten stehen, sofern sie das 21. Lebensjahr vollendet haben.
Bei den Treffen des Privy Council verliest der Lordpräsident eine Liste von Anweisungen, die erteilt werden sollen, und der Monarch sagt dazu bloß „bestätigt“. Nur wenige Minister der Krone sind bei solchen Treffen anwesend, die selten lange dauern. Vollversammlungen des Privy Councils finden nur statt, wenn der herrschende Souverän seine eigene Heirat bekannt gibt oder wenn der Monarch verstirbt. Im letzteren Fall proklamiert der Accession Council, bestehend aus Privy Council, den geistlichen Lords (lords spiritual), den weltlichen Lords (lord temporal), dem Lord Mayor of London, den Stadträten der City of London sowie den Vertretern der Commonwealthnationen, die Thronbesteigung des neuen Souveräns.
Funktionen
Der Souverän übt die ausführende Gewalt aus, indem es „Anweisungen auf Ratschlag“ nach Beratung mit dem Privy Council erteilt. Diese Anweisungen auf Ratschlag werden von der Regierung vorgefertigt und werden verwendet, um einfache Regierungsbeschlüsse umzusetzen. Des Weiteren dienen sie zur Erteilung der königlichen Zustimmung zu Gesetzen, die in den britischen Krongebieten von deren Legislativorganen verabschiedet wurden. Auch Ernennungen durch die Regierung erfolgen durch Anweisungen auf Ratschlag.
Von den Anweisungen auf Ratschlag zu unterscheiden sind die Anweisungen des Rates. Während die erstgenannten vom Souverän auf Ratschlag des Rates vorgenommen werden, ergehen die letzteren ohne Beteiligung des Souveräns. Diese ergehen aufgrund spezieller Kompetenzzuweisungen eines Parlamentsgesetzes und werden normalerweise dazu verwendet, öffentliche Institutionen zu regeln.
Der Souverän begibt außerdem Royal Charters (Königliche Satzungen) auf Ratschlag des Privy Council. Diese Satzungen verleihen verfassten Körperschaften besonderen Status; sie werden zum Beispiel erteilt, um Ansiedlungen den Status von Städten und Gemeinden zu verleihen.
Auch füllt die Krone-in-Beratung bestimmte Aufgaben der Justiz aus. Innerhalb des Vereinigten Königreichs dient die Krone-in-Beratung als Berufungsinstanz der Kirchengerichte, des Admiralitätsgerichts der Cinque Ports sowie weiterer Gerichte. Weiter fallen Berufungen aufgrund von bestimmter Parlamentsakte unter diese Befugnis. Weiter hört die Krone-in-Beratung Berufungsverfahren aus mehreren Commonwealth-Realms, Britischen Überseeterritorien, kronunmittelbaren Militärbasen (z.B auf Zypern) sowie Krongebieten an. Diese Fälle fallen theoretisch in die Entscheidungsgewalt des Privy Councils, werden in der Praxis jedoch an den Justizausschuss des Privy Council delegiert, der aus den oberen Richtern besteht, die Kronräte sind. Der Justizausschuss hat direkte rechtsprechende Gewalt über Fälle, die sich aus der Schottlandakte von 1998, der Regierung-von-Wales-Akte von 1998 sowie aus der Nordirlandakte von 1998 ergeben.
Rechte und Privilegien der Mitglieder
Die Anrede des Privy Councils in seiner Gesamtheit lautet The Most Honourable (Höchst ehrenwerter Privy Council), während die einzelnen Kronräte den Anspruch auf die Anrede The Right Honourable (der sehr ehrenwerte Geheimrat) haben. Peers, die Privy Counsellors sind, dürfen auch ihrem Namen die Abkürzung „PC“ nachstellen. Dies ist den nichtadligen Commoners verwehrt. Alle Peers haben bereits als solche den Anspruch auf die Anrede The Right Honourable, selbst wenn sie keine Geheimräte sind. Manche haben sogar Anspruch auf eine höherrangige Anrede. Deshalb wird das Kürzel „PC“ benötigt, um die Mitgliedschaft im Privy Council anzuzeigen. Für Commoners ist die Anrede ausreichend, um auf die Mitgliedschaft im Privy Council hinzudeuten.
Kronräte haben eigene Positionen im diplomatischen Protokoll Großbritanniens (order of precedence). Vor dem Beginn jeder Legislaturperiode dürfen Mitglieder des House of Commons, die Geheimräte sind, den Amtseid vor allen anderen Abgeordneten außer dem Parlamentspräsidenten und dem Parlamentsältesten ablegen. Früher war es zudem üblich, dass, sofern sich zwei Abgeordnete gleichzeitig erhoben, um zu sprechen, der Parlamentspräsident einem Geheimrat bevorzugt das Wort erteilte. Diese Praxis wurde jedoch 1998 eingestellt.
Kronräten ist es gestattet, auf den Stufen des Thrones des Souveräns während der Debatten im House of Lords zu sitzen. Sie teilen dieses Privileg mit den Peers, die keine Mitglieder des House of Lords sind, Diözesanbischöfen der Kirche von England, pensionierten Bischöfen, die zuvor dem House of Lords angehörten, dem Dekan von Westminster, dem Schreiber der Krone in der Kanzlei und dem Gentleman Usher of the Black Rod.
Jeder Geheimrat hat ein persönliches Audienzrecht beim Souverän. Auch Peers haben jeder selbst dieses Recht. Die Mitglieder des House of Commons haben dieses Recht bloß im Kollektiv. In jedem Fall darf das Recht auf persönlichen Zugang nur verwendet werden, um in öffentlichen Angelegenheiten zu beraten.
Andere Räte
Der Privy Council ist einer der vier Haupträte des Souveräns. Die anderen drei sind die Gerichtshöfe, die commune concilium (common council oder Parlament), und das magnum concilium (Großer Rat oder die Generalversammlung aller Peers des Königreichs). Alle existieren formal weiter, doch wurde die Generalversammlung aller Peers zum letzten Mal im Jahr 1640 offiziell einberufen.
England und Schottland hatten früher eigenständige Privy Councils. Diese wurden durch die Unionsakte von 1707 mit in einem Organ vereinigt. Irland dagegen hatte auch nach der Unionsakte von 1800 weiterhin einen eigenständigen Privy Council. Er wurde jedoch nach der Unabhängigkeit der Irischen Republik 1922 abgeschafft. Seine Nachfolge trat der Privy Council für Nordirland an, dessen Befugnisse jedoch nach der Auflösung des nordirischen Parlaments ruhten.
Kanada verfügt seit 1867 über einen eigenen Privy Council (siehe Kanadischer Privy Council). Die vergleichbaren Staatsorgane in anderen Commonwealth-Ländern nennen sich Executive Council.
Literatur
- Blackstone, W. (1765). Commentaries on the Laws of England. Oxford: Clarendon Press.
- Davies, M. (2003). Companion to the Standing Orders and guide to the Proceedings of the House of Lords, 19th ed.
- „Privy Council.“ (1911). Encyclopædia Britannica, 11th ed. London: Cambridge University Press.
- Voigt , Stefan, Michael Ebeling und Lorenz Blume. Improving Credibility by Delegating Judicial Competence - the Case of the Judicial Committee of the Privy Council. Erschienen in: Journal of Development Economics, Vol. 82 (2007), Heft 2, S. 348-373.
Eine frühere working-paper Version findet sich hier: http://www.ivwl.uni-kassel.de/diskussionsbeitraege/workingpaper/papier6704.pdf
Weblinks
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