- Provinzialität
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Der Provinzialismus wird als Einstellung von Menschen gesehen, die darauf abzielt, die eigene Tradition als das Maß aller Dinge anzusehen. Das Eigene, höherwertig eingestuft, wird zum Richtmaß für die Bewältigung des Alltags genommen. Der Begriff des Provinzialismus leitet sich von der lateinischen Bezeichnung für Provinz (lat. provincia) ab.
Inhaltsverzeichnis
Historische Entwicklung
Provinzialität zeichnete jene Menschen aus, die in dörflich-ländlichen Verhältnissen lebten. Deren tagtägliches Leben war buchstäblich vom Kirchturmhorizont begrenzt. Es wird als Dasein abseits der sogenannten großen Welt verstanden, als die Bevölkerung nur über eine sehr eingeschränkte Mobilität verfügte. Der ländlichen Bevölkerung wurde meist ein begrenzter Horizont hinsichtlich ihrer Denkart nachgesagt.
Eigenschaften
Anhänger des Provinzialismus sind meist nicht gewillt, über das Hier und Jetzt hinaus zu denken. Grundsätzlich wird von diesen ein Blick über den eigenen Tellerrand vermieden. Die Welt eines Provinzialisten ist zwar von einem größeren Ganzen umgeben, muss aber seiner Meinung nach nicht das Seine sein. Die Europäische Union beispielsweise wird von Provinzialisten vorsätzlich ignoriert bzw. offenkundig als störend zur Kenntnis genommen. Anhänger des Provinzialismus haben überdies zumeist ein gestörtes Verhältnis zu Eliten, was sich daran erkennen lässt, dass diese entweder für überflüssig empfunden werden oder deren Verantwortungsbewusstsein für das Ganze bewusst nicht wahrgenommen wird.
Provinzialisten hegen oft Ressentiments gegenüber zugewanderten Personen bzw. fehlt ihnen das Bewusstsein dafür, dass als "echt" eingestufte Einheimische nicht schon immer in der betreffenden Gegend heimisch waren. Fremdenfeindlichkeit ist ein weit-verbreitetes Symptom unter Provinzialisten. Ebenso ablehnend ist deren Einstellung gegenüber Fremdsprachen, ausländischer Presse oder Auslandsaufenthalten zu Fortbildungszwecken.
Der Begriff der Heimat, bzw. daheim zu sein, nimmt einen hohen Stellenwert im Verständnis eines Provinzialisten ein (vgl. Lokalpatriotismus). Vertraute Bezugspunkte in unmittelbarer Nähe des Wohnortes sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Nahversorger wie etwa der Tante-Emma-Laden ums Eck, die Trafik, die nächste Bierstube, das Postamt machen den Lokalkolorit entscheidend aus. Provinzialisten engagieren sich daher oft aktiv in der der Kommunal- oder Regionalpolitik, da sie in diesen Bereichen eine direkte Betroffenheit empfinden. Solidarität wird ebenso lediglich auf lokaler Ebene angestrebt. Machtansprüche werden von Provinzialisten nur begrenzt zur Geltung gebracht, da individuelle Macht bzw. Bereicherung nicht im Vordergrund stehen.
Angesichts der Schnellebigkeit der Zeit stoßen Provinzialisten zunehmends auf die Schwierigkeit, mit dem Dasein zurechtzukommen. Sie streben daher oft eine Flucht in extreme bzw. unnachgiebige Ansichten und zeigen sich daher populistischen Ideen gegenüber als sehr empfänglich (vgl. "Ruf nach dem starken Mann", Kampagnen der Freiheitlichen Partei Österreichs, Leserbriefe der Kronen Zeitung).
Konträres
Das Gegenteil zum Provinzialismus ist der Kosmopolitismus. Provinzialisten empfinden das Stadtleben als vernachlässigenswerte Gegenwelt. Technische Neuerungen, Innovationen und der Modernismus stehen ebenfalls im Gegensatz zum wahrhaftigen Provinzialismus. Die Globalisierung wird grundsätzlich nicht zur Kenntnis genommen bzw. abgelehnt.
Siehe auch
Weblinks
- Harald Heppner: Abschied vom Provinzialismus. In: Wiener Zeitung (25. April 2009).
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