Pädagogischer Verlag des Lehrerinnen- und Lehrervereins Zürich

Pädagogischer Verlag des Lehrerinnen- und Lehrervereins Zürich
Edwin Morf um 1918

Der Pädagogische Verlag des Lehrerinnen- und Lehrervereins Zürich wurde 1919 vom Zürcher Lehrer Edwin Morf (1887-1937) gegründet. Der Verlag vertreibt ausschliesslich Modellbaubogen, in der Schweiz auch Bastelbogen genannt. Der Sitz des Verlags ist in Zumikon im Kanton Zürich.

Der Verlag versteht sich als ein idealistisches Unternehmen, das nur soweit nach kaufmännischen Kriterien arbeitet, als der Fortbestand gewährleistet ist; ein Gewinn wird nicht angestrebt. Der Verlag betreibt keine Werbung, beschäftigt keine Mitarbeiter im Aussendienst und nimmt nicht an Ausstellungen teil. Er wird von Lehrerinnen und Lehrern ehrenamtlich geleitet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der erste Modellbogen: Davoser Bauernhaus

Der erste Bastelbogen des Pädagogischen Verlags erschien 1919. Er stammte vom Zürcher Primarlehrer und Verlagsgründer Edwin Morf, der, durch die spanische Grippe zur Untätigkeit verurteilt, eine schweizerische Version der Modellbogen ersann. Als Vorbild hatte Morf die «B. G. Teubner Künstler-Modellierbogen» vor Augen, die seit 1907 mehr als 58 Modelle herausgaben.

Edwin Morf

Das Grendeltor, zweite Fassung

Edwin Morf (1887-1937) wuchs am Münsterhof in der Stadt Zürich auf. nach dem Besuch des Seminar Küsnacht unterrichtete er viele Jahre im Schulhaus Mühlebach in Zürich, ab 1934 im Schulhaus Langmatt in Zürich-Witikon. Er hatte grosses Interesse an volkskundlichen Themen, machte Stadtführungen und schrieb an einem Stadtführer. Morf, ein dezidierter Antialkoholiker und exzellenter Violinspieler, galt als äusserst hilfsbereiter, feiner, eher scheuer Mensch und war beliebt bei Schülern, Lehrern und Eltern. Er starb während eines Gottesdienstes in der Kirche Witikon.

Morf ging es darum, ein hochwertiges und billiges Lehrmittel und Spielzeug zuhanden der Jugend zu schaffen; auf persönlichem Ruhm und kommerziellen Erfolg legte er keinen Wert. Die Modelle sollten kindergerecht und lehrreich sein und schweizerischen Verhältnissen und Bedürfnissen Rechnung tragen. Davon zeugt ein Rundschreiben Morfs aus Jahre 1933:

Wenn die Abende früher hereinbrechen, taucht für alle, die sich für das Wohl der Jugend verantwortlich fühlen, die wichtige Frage auf: Wie beschäftigen wir unsere Jungmannschaft, besonders das tatendurstige Bubenvolk, unterhaltend und nutzbringend? Die jungen Leute sollen lesen! höre ich sagen. Nur lesen? Nein, auch mit Hand und Werkzeug will und soll unsere Jugend tüchtig werden, soll Genauigkeit und Ausdauer üben und dies auf eine Weise, als ob's Spiel wäre. Unmerklich soll ihr die Freude an sauberer Arbeit aufgehen. Sie möchte gerne etwas Schönes entstehen sehen, das noch nach Jahren Zeuge ihres Fleisses, ihrer Ausdauer und Erfindungsgabe sei, darauf hat sie ein Recht.

Als erste Modelle entwarf Morf ein Davoser Bauernhaus und aus Zürich das Grendeltor, den Wellenberg, den Hardturm und das Rennwegtor. Die Zürcher Liederbuchanstalt unterstützte den Druck der ersten vier Bögen mit 4000 Franken. Der Preis betrug anfänglich 1.50 Franken, später wurde er auf 1 Franken gesenkt. Die Darstellung von zum Teil schon längst abgerissenen Gebäuden und später regionaltypischer Bauernhäuser kam sowohl den Bedürfnissen der Heimatkunde als auch des Werkunterrichts entgegen. Die Modelle der Verkehrsmittel waren auch als Spielgeräte gedacht. Bis zu seinem Tod hatte Morf 30 Bastelbogen entworfen. Sein Nachfolger war Heinrich Pfenninger.

Heinrich Pfenninger

Heinrich Pfenninger (1899-1968) wuchs in Stäfa als Sohn eines Malermeisters auf. Wie sein Vorgänger besuchte auch er das Seminar Küsnacht und unterrichtete anschliessend im Schulhaus Bläsi in Zürich-Höngg. Als Workaholic arbeitete er pausenlos, auch in den Ferien, die er vorzugsweise in Mittelmeerländern verbrachte, wo er Aquarelle malte und fotografierte. Später war er viele Jahre Didaktiklehrer für Werken am Seminar Unterstrass. Pfenninger war, ähnlich wie Morf, eher scheu, zurückhaltend und hilfsbereit. Ab 1940 entwarf der äusserst kreative Pfenninger 80 Bogen, vom einfachen Märchen bis zum kniffligen Schloss Greyerz. Seine Zeichnung des Schloss Sargans diente gar der St. Galler Denkmalpflege als Vorlage zur Restauration der Kantonswappen an der verwitterten Schlossmauer. [1] Neben den Modellbogen schrieb Pfenninger auch SJW-Hefte, Bastelbücher, machte Schulfunksendungen und arbeitete an der Schweizerischen Landesausstellung 1939 mit. Pfenninger, ein starker Raucher, starb an einem Lungenödem.

Bis 1968 stammten alle Bogen vom Gründer Edwin Morf und seinem Nachfolger Heinrich Pfenninger. Seit dem Tode Pfenningers werden die Modelle von mehreren Lehrern, Grafikern und Architekten ausgearbeitet.

Bogen

Alle Modellbogen bestehen aus starkem einseitig bedrucktem Bastelkarton. Sie sind gefaltet und haben ein Format von 49 cm x 34,5 cm. Einzelne Modelle sind dreiteilig und messen 73,5 cm x 34,5 cm. Der Massstab der Modelle ist unterschiedlich. Einigen Bogen sind Transparentpapier, farbiges Seidenpapier und Goldfolie beigegeben.

An den Bogen angeheftet ist ein Anleitungsblatt, das Informationen zum dargestellten Objekt und eine genaue bebilderte Konstruktionsanleitung enthält. Dieses Blatt ist teilweise auch in Französisch erhältlich. Die meisten Bogen erfordern für die Konstruktion nur Schere und Leim. In seltenen Fällen braucht es zusätzliches Material wie etwa eine Stecknadel, einen Nagel, etwas Schnur oder Musterklammern.

Sortiment

Grosser Modellbogen der Rhätischen Bahn

Das Sortiment umfasst gegenwärtig (März 2009) 102 Modellbogen. Die Themenauswahl der Modelle reicht von Märchen und Zoo über Festtage, Verkehr bis zu Geschichte und Geografie. Daneben werden einige Hefte mit Bastelvorschlägen angeboten. Einige Modelle sind seit Jahren oder gar Jahrzehnten praktisch unverändert geblieben. Dies führt dazu, dass manchmal Kinder mit ihren Vätern oder Müttern an Bogen basteln, die diese selber schon als Kinder zusammengesetzt hatten. Erschienen sind bisher 190 Bogen.

Das Sortiment wandelt sich langsam aber stetig: Jedes Jahr werden einige wenige Bogen ersetzt. Mit modernen Sujets wie neuen Verkehrsmitteln und Spielen versucht der Verlag, im Geschäft zu bleiben. Zum 90-Jahr-Jubiläum des Verlags soll ein BMW Sauber F1-Rennauto als Modellbogen erscheinen. Auch ein Buch über sämtliche bisher erschienenen Modelle ist geplant.

In einer «ewigen Bestenliste» belegt der «Adventskalender 1» mit 713'530 bestellten Bogen den Spitzenplatz. Es folgen die Bogen «Goldener Engel» (581'470) und die «Weihnachtskrippe» (528'430). Als erster nicht weihnachtlicher Bogen folgt das «Römerhaus Augst» mit 480'880 verkauften Bogen. die gesamte Auflagenzahl aller Bogen und Werkhefte innerhalb der 90 Jahre beträgt 20'677'270. [2]

Vertrieb

Appenzeller Haus

Der Vertrieb der Bogen erfolgt fast ausschliesslich über die Schulen; in der Adresskartei stehen über 2000 Schulen aus der ganzen Schweiz. Im Herbst wird jeweils an jedes Schulhaus eine Mustersendung verschickt. In den Klassen werden die Bestellungen gesammelt und von einer Vertrauensperson an den Verlag zurück geschickt. Jahr für Jahr werden über 250'000 Bogen bestellt. Während gut 75 Jahren betrug der Preis einen Franken pro Bogen, am 1. Januar 1995 wurde er auf zwei Franken erhöht. Themenspezifische Bogen sind auch in einzelnen Museen erhältlich wie zum Beispiel im Schweizerischen Landesmuseum.

Die Bestellung nimmt der gegenwärtige Verlagsleiter Rolf Müller im Keller seines Hauses in Zumikon per E-Mail, Fax und Telefon entgegen. Der Versand erfolgt über das Lager in Grüningen ZH. Müller übernahm das Amt von seinem Vater, der zusammen mit seiner Frau den Vertrieb der Modellbogen des Pädagogischen Verlags des Lehrervereins Zürich übernommen hatte. [3]

Im Herbst 2009 erschien anlässlich des 90jährigen Bestehens das Buch «90 Jahre Schweizer Modellbogen», das die Geschichte der Modellbogen in der Schweiz und seiner Verfasser auf 250 Seiten nachzeichnet.

Einzelnachweise

  1. Paul Schneeberger: Helvetische Errungenschaften, Verlag NZZ, Zürich 2009
  2. «90 Jahre Schweizer Modellbogen»
  3. Artikel im Tages Anzeiger vom 2. März 2009

Weblinks

Literatur

  • Paul Schneeberger: Helvetische Errungenschaften, Verlag NZZ, Zürich 2009
  • Dieter Nievergelt (Hrsg): 90 Jahre Schweizer Modellbogen, Pädagogischer Verlag des Lehrerinnen- und Lehrervereins Zürich, 2009

Siehe auch


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