Quartodezimaner

Quartodezimaner

Mit Quartodezimaner oder Quartodecimaner (von lateinisch quartodecimani abgeleitet von quarta decima der Vierzehnte, griechisch tessareskaidekatitai mit der gleichen Bedeutung) wurden in der Alten Kirche Christen bezeichnet, die Ostern nach dem Tod von Jesus Christus zum jüdischen Pessachfest, am vierzehnten Tag des Monats Nisan datierten.

Die Quartodecimaner standen im Gegensatz zur vorherrschenden Praxis der Alten Kirche, wo Ostern immer am Sonntag gefeiert wurde, weil Jesus Christus am ersten Tag der Woche auferstanden war. Bei der Kontroverse ging es nicht um das historische Datum des Todes von Jesus Christus, worüber sich beide Parteien einig waren, sondern um die Grundlage für die Datierung des jährlichen Osterfests. Die Kontroverse entstand in der Praxis daraus, dass Christen der einen Partei noch in der vorösterlichen Fastenzeit waren, während die andern bereits Ostern, das höchste Fest des Jahres feierten.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Die Quartodezimaner waren keine geschlossene Gruppe. Es war eine Bezeichnung für alle, die Karfreitag und Ostern nach dieser Datierung feierten.

Quartodezimaner waren in den ersten Jahrhunderten besonders in Palästina, Syrien und Kleinasien verbreitet, während in Rom und Alexandria die Sonntags-Datierung praktiziert wurde. Es sind keine weiteren durchgehenden Lehrunterschiede zwischen den beiden Gruppen bekannt und in den ersten Jahrhunderten lebten beide Gruppen gewöhnlich in voller Kirchengemeinschaft.

In Kleinasien gab es eine besondere Liturgie für den Todestag des Herrn und Gedächtnis der Erlösung mit einer Agape und Eucharistie feierten, der die Lesung und Erklärung von Ex 12 LUT vorausging. In dieser zeitlichen Festlegung und liturgischen Form lebte wahrscheinlich die christliche Pessachfeier der Jerusalemer Urgemeinde weiter.

Vertreter der Quartodezimaner

Einer der ersten bekannten Vertreter der Quartodezimaner war Polycarp von Smyrna, der nach Irenäus von Lyon ein direkter Schüler des Apostels Johannes gewesen war.

Polykrates, Bischof von Ephesus, wurde als Führer der Quartodezimaner angesehen. In einem Brief an den Bischof Viktor von Rom schrieb Polykrates:

„Unverfälscht begehen wir den Tag; wir tun nichts dazu und nichts hinweg. Denn auch in Asien haben große Sterne ihre Ruhestätte gefunden, welche am Tage der Wiederkunft des Herrn auferstehen werden … Diese alle haben gemäß dem Evangelium das Pessachfest ab dem 14. Tage gefeiert; sie sind keine eigenen Wege gegangen, sondern der vom Glauben gewiesenen Richtung gefolgt.“

Polykrates bezog sich in seinem Brief unter anderem auf Melito von Sardes, einen der einflussreichsten Bischöfe in der Mitte des zweiten Jahrhunderts.

Von Tertullian gibt es Schriften, die aussagen, dass Irenäus von Lyon Quartodezimaner gewesen sei. Eusebius erwähnt einen Brief von Irenäus an einen Blastus, der Führer der Quartodezimaner in Rom war.[1]

Eusebius von Caesarea erwähnt einen Florinus, der Quartodezimaner gewesen sei.

Den Montanisten und Novatianern wurde vorgeworfen, Quartodezimaner zu sein.

Aufgrund eines Osterkalenders, den Patrick von Irland nach Irland mitgebracht haben soll, wird auch Patrick und mit ihm die Iroschottische Kirche von einigen Autoren als Quartodezimaner gesehen.

Im 6. Jahrhundert waren die Quartodezimaner verschwunden.

Konflikte

In der Mitte des zweiten Jahrhunderts kam Polycarp von Smyrna († ca. 155) nach Rom, um mit Anicetus, dem Bischof von Rom (154–166), eine Einigung zu suchen. Sie konnten sich nicht einigen, akzeptierten jedoch beide den Standpunkt des andern und nahmen sogar das Abendmahl gemeinsam ein. Berichtet wird das in einem Brief von Irenäus von Lyon, den Eusebius in seiner Kirchengeschichte zitiert.[2]

Um 170 kam es zu einem weiteren Konflikt mit dem Zentrum Laodicea, in dem Melito von Sardes eine Rolle spielte. Berichtet wird das in zwei Fragmenten von Apollinaris von Hierapolis, die im Chronicon Paschale erhalten sind. Apollinaris schildert die quartodezimale Praxis als einen chronologischen und exegetischen Fehler, aber nicht als Häresie.

Viktor I. von Rom (189–199) exkommunizierte Polykrates von Ephesus wegen der Differenz in der Osterdatierung. Polykrates von Ephesus protestierte im Namen einer asiatischen Synode und führte eine eindrückliche Liste von Autoritäten für seine Sichtweise auf (Eusebius, Kirchengeschichte, 24). Irenäus von Lyon und viele Bischöfe von Asien (ob Quartodecimaner oder nicht) traten energisch gegen diese Exkommunikation auf, worauf Viktor sie zurückzog.

Das Konzil von Nicäa im Jahre 325 legte das Osterdatum nach der Sonntagsmethode fest.

In den Konzilien von Antiochia (341), Laodicea (364) und Konstantinopel (381) werden die Quartodezimaner als Häretiker bezeichnet und gebannt.

Historischer Hintergrund

Neben dem Sonntag als dem ersten und wöchentlichen Gedächtnistag der Auferstehung Jesu hat es schon sehr früh auch eine Jahresgedächtnisfeier des Todes Jesu gegeben. Paulus lässt in 1 Kor 5,7f. LUT keinen Zweifel daran, dass im damaligen Bewusstsein der Christen das jüdische Pessachfest einen neuen Sinn bekommen hat. Seine Ausführungen lassen erkennen, dass schon die apostolischen Gemeinden es in neuer Sinnfüllung begingen. Für diese Vermutung gibt neben mehreren literarischen Zeugnissen des 2. Jahrhunderts der Osterfeststreit in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts eine Bestätigung.

Was den Festinhalt betrifft, so bedeutete Ostern eine neue Sinngebung des urchristlichen Pessach. Während bei den Quartodezimanern stellvertretendes Fasten für die Juden und die Erwartung der Parusie im Mittelpunkt ihres Festes standen, galt das Ostern der römischen Kirche dem Gedächtnis der Auferstehung.

Siehe auch

Literatur

  • Eusebius v. Cäsarea: Kirchengeschichte (Historia ecclesiastica), hrsg. von Heinrich Kraft; Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1997. Nachdruck der 3. Auflage (Besonders V. 14–24)
  • Matthias Wünsche: Der Ausgang der urchristlichen Prophetie in der frühkatholischen Kirche; Calwer theologische Monographien B/14; Diss. Kiel 1992; Stuttgart: Calwer, 1997.
  • Artikel Die Quartodezimaner; in: RGG4 6, Sp. 1862.
  • Bernhard Lohse: Das Passafest der Quartadecimaner; Beiträge zur Förderung christlicher Theologie, 54; Gütersloh: Bertelsmann, 1953.
  • Philip Schaff: History of the Christian Church, Band 2, §62. The Paschal Controversies

Quellenangaben

  1. Eusebius, Kirchengeschichte, Band 20
  2. Eusebius, Kirchengeschichte, Band 24

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