- Fasten
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Fasten ist die willentliche, völlige oder teilweise Enthaltung von Speisen, Getränken und Genussmitteln. Unter striktem Fasten versteht man den völligen Verzicht auf Speisen und Getränke über einen bestimmten Zeitraum hinweg, üblicherweise für einen oder mehrere Tage. Das Wort kommt vom althochdt. fastēn, das ursprünglich bedeutet „(an den Geboten der Enthaltsamkeit) festhalten“, vgl. auch gotisch fastan „(fest)halten, beobachten, bewachen“. Wird nur eine bestimmte Art der Nahrung – beispielsweise Fleisch – oder ein Genussmittel weggelassen oder eingeschränkt, spricht man von Enthaltung oder Abstinenz.
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Fasten als Gestaltungselement des Lebens ist historisch in zahlreichen Religionen belegt und kommt in vielfältigen Formen sowie in teilweise festgelegten Ritualen vor: für bestimmte Jahreszeiten oder Zeitabschnitte, kollektiv oder individuell, als völliger oder teilweiser Verzicht auf Nahrungsmittel sowie auf Genussmittel, Fleisch, Alkohol, Sexualität u. a. Kulturhistorisch überwiegen Fastenzeiten im Frühling, wo sie neben religiösen Aspekten besonders auch der Darmreinigung nützlich sind. Dazu sagte Hippokrates von Kos: „Sei mäßig in allem, atme reine Luft, treibe täglich Hautpflege und Körperübung … und heile ein kleines Weh eher durch Fasten als durch Arznei.“
In der Neuzeit finden sich Formen des therapeutischen Fastens, etwa eine Diät begleitend oder in der Trauerarbeit, bis hin zu Formen des Protestes im Hungerstreik und des politischen Fastens, z. B. eines Mahatma Gandhi. Andererseits lässt sich der Trend erkennen, alte medizinische oder religiöse Traditionen neu zu entdecken.
Im religiösen Kontext schließlich dient das Fasten unter anderem der Reinigung der Seele, der Buße im Christentum, der Abwehr des Bösen, dem Streben nach Konzentration, Erleuchtung oder Erlösung.
Allgemein soll das Fasten mittels Verzicht oder reduzierter Nahrungsaufnahme mehreren Zwecken dienen:
- der religiösen Praxis, u. a. in der christlichen Fastenzeit und im muslimischen Fastenmonat Ramadan
- in mehreren Religionen der Vorbereitung auf religiöse Feste
- einem Gewinn an seelischer Harmonie und an Demut
- einer Förderung der Wahrnehmung und der eigenen Aufmerksamkeit
- einer Erhöhung der Willenskraft und Vorbereitung auf spezielle Herausforderungen
- der Trauer über einen Todesfall oder sonstigen Verlust
- dem Zuwachs an psychischer und sozialer Kontrolle bzw. Macht (siehe z. B. Mahatma Gandhi oder allgemein Hungerstreik)
- der Erhöhung der Lebenserwartung und einer Verzögerung des Alterungsprozesses (siehe Hauptartikel → Kalorienrestriktion beziehungsweise intermittierendes Fasten)
- (bei gezielter Methodik) dem Abnehmen bzw. der Kontrolle des Körpergewichts
Der zeitweilige Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel während des Fastens wird nicht als Nahrungstabu behandelt.
Religiös motiviertes Fasten
Viele Religionen kennen Tage oder Perioden des Fastens. Im alten Ägypten war das Fasten bekannt. Die Fastenkultur umfasste unter anderem den Verzicht auf Fischgerichte in der Laichzeit. Die 40-tägige Fastenzeit vor Ostern sollen die ägyptischen Kopten so von ihren Vorfahren übernommen haben.
Auch die Bahai-Religion kennt eine Fastenzeit im Monat Ala (2. bis 20. März). In der Askese-Kultur Ostasiens und im Hinduismus spielt die Enthaltsamkeit auch im Yoga eine Rolle.
Judentum
Das Judentum kennt mehrere Fasttage, während denen 24 oder 25 Stunden auf jegliche Nahrungsaufnahme verzichtet wird. Diejenigen, die an bestimmte Ereignisse wie die Zerstörung des Tempels in Jerusalem am neunten Tag des Monats Av erinnern, werden nur von strenggläubigen Juden eingehalten. Der auf den 10. Tag des Monats Tischri fallende Versöhnungstag Jom Kippur, der höchste Feiertag im jüdischen Kalender, wird auch von weniger religiösen Juden – Mädchen ab 12, Knaben ab 13 Jahren – als 25-stündiger Fasttag begangen, an dem von Sonnenuntergang bis Einbruch der Nacht (ca. 1 h nach Sonnenuntergang) des folgenden Tages weder feste noch flüssige Nahrung eingenommen wird.
Christentum
Das Christentum kennt vornehmlich die 40 Tage der Fastenzeit im Frühjahr, die der Vorbereitung auf Ostern dienen und an die 40 Tage erinnern, die Jesus Christus fastend und betend in der Wüste verbrachte. Demgegenüber tritt der Aspekt des Nahrungsverzichts bei der Adventszeit, die ebenfalls eine Buß- und Fastenzeit darstellt, mehr in den Hintergrund. Mehrfach berichtet auch das Alte Testament vom Fasten als Zeichen der Trauer; so fastete König David nach dem Tod seines Sohnes Abschalom. Es entwickelte sich eine Praxis, dass man zweimal pro Woche, Mittwoch und Freitag, (teil)fastete. Das Fasten der Katechumenen vor der Taufe gab es schon im Frühchristentum, die Fastenzeiten vor den höchsten Festen Ostern und Weihnachten kamen später hinzu.
Jesus Christus rief in der Bergpredigt (Mt 6,16-18 EU) zur Demut bei der Übung des Fastens auf:
„Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler. Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten. Amen, das sage ich euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Du aber salbe dein Haar, wenn du fastest, und wasche dein Gesicht, damit die Leute nicht merken, dass Du fastest, sondern nur dein Vater, der auch das Verborgene sieht; und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“
Fasten bei Katholiken und Orthodoxen
Hauptartikel Fastenzeit
Die katholische Kirche hat körperlichen Zeichen von jeher viel Beachtung geschenkt. Doch wurde seit etwa 1960 die entsprechende kirchliche Bußpraxis gelockert – als strenge Fast- und Abstinenztage gelten verpflichtend nur noch Aschermittwoch und Karfreitag (einmalige Sättigung und eine kleine Stärkung). Hingegen ist eine persönliche Form des Opfers bzw. der Abstinenz an jedem Freitag geboten, die viele Katholiken zusätzlich auch am Mittwoch pflegen (vgl. Artikel Freitagsopfer).
In asketisch lebenden Ordensgemeinschaften verzichten die Mitglieder völlig oder zumindest wöchentlich an mehreren Tagen auf tierische Nahrung, teils auch auf Milchprodukte, Öl und Eier. In den Klöstern des Mittelalters führte dies auch zur Entwicklung medizinisch wertvoller Fastenbiere.
Die orthodoxen Kirchen kennen vier mehrwöchige Fastenperioden pro Jahr, mit völligem Verzicht auf tierische Nahrungsmittel, Alkohol sowie Fett und Öl; dazu kommt auch hier das Fasten am Mittwoch und Freitag. Aktuell finden sich die strengsten Fastenregeln in der russisch-, rumänisch-, serbisch-, und griechisch-orthodoxen Kirche, wo während der Fastenzeiten auf Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, Eier, Milchprodukte, Alkohol und Olivenöl verzichtet wird. Lediglich an Gedenktagen der Heiligen sind Wein, Olivenöl und Fisch erlaubt. In der koptischen, der äthiopisch-orthodoxen und der syrisch-orthodoxen Kirche hingegen fasten die Gläubigen mittwochs und freitags, indem sie auf Fleisch-, Eier- und Milchprodukte verzichten. Fischprodukte, Meeresfrüchte und Honig bilden eine Ausnahme.
Von der Mystikerin und Kirchenlehrerin Teresa von Ávila (1515–1582) ist der Ausspruch überliefert: „Wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn – wenn Fasten, dann Fasten“. Ebenfalls der heiligen Teresa wird auch der Ausspruch zugeschrieben: „Sei freundlich zu deinem Leib, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.“ Er dient dem traditionellen, teils wieder neu entdeckten religiösen Fasten, teils als Heilfasten in Gruppen im kirchlich-volksnahen Umfeld, als Richtschnur, z. B. durch geeignete Getränke den fastenden Körper zu unterstützen.
Zur Nüchternheit vor dem Empfang der Kommunion siehe Eucharistische Nüchternheit.
Einflüsse der Reformation
Die Reformatoren des 16. Jahrhunderts kritisierten die kirchlichen Fastengebote als reine Äußerlichkeiten, durch die das Wohlwollen Gottes nicht erlangt werden könne. Ulrich Zwinglis Reformation in der Schweiz begann mit einem demonstrativen Wurstessen während der Fastenzeit.
Martin Luther hat zwar auch gefastet, das Fasten aber zugleich als „Gutes Werk“ abgelehnt: Der Mensch werde nicht durch das Fasten angenehm bei Gott, sondern allein durch die Gnade, allein durch den Glauben.
In den vergangenen Jahren haben neben den großen christlichen Kirchen insbesondere evangelikale und charismatische Kreise das Fasten neu entdeckt und praktizieren oft auch bewussten Verzicht (auf Schlaf, um mehr Zeit für das Gebet zu haben, auf einzelne Mahlzeiten zugunsten von Hungernden usw.), allerdings nicht als Kirchengebote, sondern als freiwillige spirituelle Erfahrung. Ähnlichen Zwecken dient die in vielen Pfarreien praktizierte Fastensuppe anstelle des üblichen Mittagessens. Die kanadischen Mennoniten riefen vor dem letzten Golfkrieg zu weltweiten Fastentagen und Friedensgebeten auf. Dieses Fasten wurde inhaltlich von Jesaja 58,3–8 hergeleitet. In biblischer Tradition wird das Fasten vom Anlass (Kriegsgefahr) her begründet, nicht kirchenjahreszeitlich verankert.
Ebenfalls hat sich in den vergangenen Jahren auch bei vielen evangelischen Christen die Aktion „Sieben Wochen ohne – Verzicht, ein Gewinn“ durchgesetzt. Christen verzichten in der Fastenzeit bewusst auf Alkohol, Süßigkeiten oder Fernsehen. In vielen Gemeinden wird diese Aktion durch regelmäßige Treffen begleitet.
Islam
Hauptartikel Ramadan, Saum (Islam)
Im Islam ist das Fasten (Saum) eine der „fünf Säulen“. Während des Monats Ramadan besteht für Muslime, sowohl Frauen (außer in der Menstruation oder nach der Geburt) als auch Männer, die in vollem Besitz ihrer Geisteskräfte ('aqil), volljährig (baligh), körperlich dazu imstande (qadir) und nicht auf Reisen sind, die Pflicht, von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang dem Körper keinerlei Substanzen mit Nährwert zuzuführen, das heißt, auf die Aufnahme von Speisen und Getränken und auch auf das Rauchen zu verzichten.
Heilfasten
Siehe Heilfasten
Als Heilfasten wird ein Fasten verstanden, das zu einem höheren Wohlbefinden oder verbesserter Gesundheit führen soll. Seine vermuteten positiven gesundheitlichen Eigenschaften sind wissenschaftlich überwiegend nicht belegt. Es zählt daher mehr die psychologische Erfahrung des Fastens.
Neben einigen älteren Kur- und Fastenformen (siehe Pfarrer Kneipp) haben sich im 20. Jahrhundert zahlreiche ärztlich begleitete Formen des Fastens mit erwünschter „Entschlackung“ oder „Regeneration“ von Körper und Seele etabliert. Gemeinsam ist diesen, dass sie einige Tage der Vorbereitung erfordern, eine gezielte Darmentleerung anstreben und täglich etwa drei Liter zu trinken sind. Vorherige oder begleitende ärztliche Untersuchungen minimieren mögliche Risiken, und das Ende des Heilfastens (früher Fastenbrechen genannt) wird behutsam gestaltet.
Während der Fastenzeit kommt es zu einer Anpassung an den Nährstoffmangel – der sogenannten Hungeradaptation. Der Hungerstoffwechsel stellt eher eine Belastung und Mangel-(Selbst-)ernährung dar. Man kann sich eine solche Umstellung als ein Schalten zwischen zwei Körperbetriebsarten vorstellen: zum einen die Versorgung durch regelmäßige abwechslungsreiche Nahrungsaufnahme und zum anderen das Fasten mit keiner Nährstoffaufnahme und Versorgung durch wenige monotone Körperreserven mit der Ansammlung von Stoffwechselschlacken.
Siehe auch
- Intermittierendes Fasten
- Fastenwandern, Fastenbrechen
- Hungerstreik, Hungerstoffwechsel
- Fastnacht, Karneval
- Satyagraha
- Wüstentage, Kasteiung
Literatur
- Peter Gerlitz, Hugo Mantel, Stuart George Hall, Joseph H. Crehan: Fasten/Fasttage I. Religionsgeschichtlich II. Judentum III. Biblisch und kirchenhistorisch. In: Theologische Realenzyklopädie 11 (1983), S. 41–59 (histor. Überblick)
- Carolyn Walker Bynum: Holy Feast and Holy Fast. The Religious Significance of Food to Medieval Women. Berkeley 1987. (Zur mittelalterlichen Geschichte des Fastens)
- Hellmut Lützner: Wie neugeboren durch Fasten, Gräfe und Unzer, 2008
Weblinks
Wikiquote: Fasten – Zitate
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