Radiosonde

Radiosonde
Wasserstoffballon mit Reflektor

Eine Radiosonde dient der Meteorologie und Aerologie zur Messung von Parametern der Erdatmosphäre bis in Höhen von etwa 20 bis 30 km (Stratosphäre). Sie wird von einem Wetterballon getragen und übermittelt die Messwerte (Lufttemperatur und ihr Gradient, Dampfdruck, Höhenwinde etc.) drahtlos an eine Bodenstation. Die Höhenbestimmung erfolgt meist durch laufende Messung des Luftdrucks.

Ballongetragene Sonden werden auch in anderen Fachgebieten verwendet - siehe Ballonsonde (Messinstrument), die zum Teil noch größere Höhen erreichen. Der Höhenrekord für Radiosonden liegt bei ~39 km bzw. 2,5 hPa (Deutscher Wetterdienst).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Seit den frühen 1890er Jahren trugen unbemannte Wetterballons selbstregistrierende Messinstrumente in die freie Atmosphäre. Gegenüber bemannten Ballonfahrten hatten diese einen deutlichen Kostenvorteil. Außerdem waren Höhen erreichbar, die für Menschen im offenen Korb trotz Sauerstoffzufuhr nicht zugänglich waren. Die Messwerte konnten aber nur mit zeitlicher Verzögerung abgelesen werden und auch nur dann, wenn das zum Boden zurückgekehrte Instrument auch gefunden wurde. Einer der Pioniere der Atmosphärensondierung mit Wetterballons war der deutsche Meteorologe Hugo Hergesell. Als Leiter der Internationalen Kommission für wissenschaftliche Luftfahrt forderte er die Konstruktion leichter ballontauglicher Instrumente. Das Potential der drahtlosen Telegrafie frühzeitig erkennend stellte er bereits 1908 Versuche an, Aufzeichnungen registrierender Balloninstrumente per Funk zu übertragen, scheiterte aber an den noch unzureichenden technischen Möglichkeiten. Die Bezeichnung „Radiosonde“ geht auf Hergesell zurück.

Im Jahre 1917 gelang es Max Robitzsch und Friedrich Herath (1889–1974) in Deutschland und Pierre Idrac (1885–1935) in Frankreich, Messwerte von Instrumenten, die an Wetterdrachen angebracht waren, über den Drachendraht zum Boden zu senden. Drachen konnte man aber nicht in die von Wetterballons erreichbare Höhe bringen, und sie waren nicht bei jeder Wetterlage einsetzbar.

1921 begann Paul Duckert (1900–1966) am Aeronautischen Observatorium Lindenberg, dessen Leiter inzwischen Hergesell war, sich mit der Entwicklung der Radiosonde zu befassen. Ein erster Schritt war 1926 die Doppelanpeilung eines am Ballon befestigten Funksenders, um dessen Flugbahn und -geschwindigkeit zu bestimmen. Ähnliche Experimente wurden auch von William Blair in den Vereinigten Staaten durchgeführt. Am Ende der 1920er Jahre arbeiteten mehrere Meteorologen mit ersten Prototypen von Radiosonden.

Am 7. Januar 1929 gelang es Robert Bureau (1892–1965) in Trappes erstmals, die Signale einer Radiosonde zu empfangen, die Temperaturwerte aus der freien Atmosphäre übermittelte. Im Frühjahr desselben Jahres ergänzte er die Sonde um ein Barometer. Als Erfinder der Radiosonde wird aber häufig der sowjetische Meteorologe Pawel Moltschanow (1893–1941) angesehen, dessen erstmals am 30. Januar 1930 erfolgreich gestartete Radiosonde zum Standard für die künftige Entwicklung wurde. Die Sonde maß Temperatur und Druck und funkte die Werte kodiert als Morse-Zeichen zum Empfänger. Am 22. Mai 1930 folgte Duckert mit einer unabhängig entwickelten Sonde, die neben Temperatur und Druck auch die Luftfeuchte messen konnte. Die Sonde übermittelte Messwerte bis zum Platzen des Ballons in über 15 km Höhe.

Auf der Arktisfahrt des Zeppelins LZ 127 startete Moltschanow im Juli 1931 mehrere Radiosonden. Zu einem umfangreichen und systematischen Einsatz der neuen Technik kam es im Internationalen Polarjahr 1932/33. Der Finne Vilho Väisälä, der am 30. Dezember 1931 seine erste Radiosonde gestartet hatte, begann 1936 mit der kommerziellen Produktion.

Eine Weiterentwicklung erfuhr die Radiosonde 1942 durch den Berliner Josef Graw. Die Umwandlung der Messwerte in Morse-Zeichen erfolgt in der Graw-Sonde dadurch, dass die Zeiger der Messgeräte ein Muster aus leitendem Material abtasten, das auf eine sich drehende Walze, die Grawsche Morsewalze, aufgebracht ist.[1]

Technik

Sensor- und Codierteil einer älteren Radiosonde

Messfühler an der Radiosonde messen Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit während der Ballon in die Höhe steigt. Periodisch werden die gesammelten Daten per Funk (in Deutschland bei ca. 400 MHz) an die Bodenstation gesendet.

Die Sonden sind zur Wärmeisolation in einem Schaum-Polystyrol-Gehäuse untergebracht, außen sind lediglich eine Drahtantenne und Sensoren. Die Sonde besteht mindestens aus einer Batterie, Sensoren für Druck (barometrische Höhenmessung), Temperatur, Feuchtigkeit usw. und einem Telemetrie-Sender.

Der rechts abgebildete Sensor- und Codierteil einer Radiosonde (DDR, ca. 1960) zeigt

  • Temperatursensor (oben, Bimetall)
  • Druckmessdose (links unter dem Blechwinkel)
  • Zeitbasis (Taschenuhrwerk, rechts außen)
  • Codierer für Temperatur und Feuchte (roter PVC-Zylinder mit Kontaktdraht-Wendel)
  • Codierer für Luftdruck (Pertinax-Balken mit Kontaktstreifen, rechts hinter dem Zylinder)

Der Feuchtesensor (Haar-Hygrometer), die Batterie und der Telemetriesender (UHF-Röhrensender mit einer Triode) sind im Bild nicht zu sehen.

Heute kommen Einmal-Radiosonden zum Einsatz, ein Finderlohn wird nicht ausgezahlt. In der DDR wurde zeitweise ein Finderlohn von fünf Mark gezahlt. Ein Radiosondenaufstieg kostet mit wasserstoffgefülltem Ballon und Radiosonde heute ca. 300 €.

Per Radar kann die Position einer Radiosonde bestimmt werden, dies ist hilfreich um die Windrichtung der Höhenwinde zu bestimmen, die wiederum bei der Wettervorhersage immens wichtig ist. Die Sonde trägt dafür einen wegen des geringen Gewichts aus mit reflektierender Folie beschichteter Pappe bestehenden Radarreflektor, der die ausgesendeten Funkwellen wieder zurückwirft und damit Rückschlüsse auf die Position zulässt. Aktuelle Radiosonden nutzen zur Positionsbestimmung allerdings einen GPS-Empfänger, dessen Rohdaten per Funk übertragen und an der Empfangsstation in die Position umgerechnet werden. Andere moderne Radiosonden arbeiten mit einem vollständigen GPS-Empfänger, dessen aufbereitete Positionsdaten direkt gesendet werden.

Die MeteoSchweiz resp. die Schweizer Armee verwendet keine GPS-Peilung für ihre Wettersonde SRS400. Die Gründe hierfür sind, dass die Radar-Peilung genauer ist als die GPS-Peilung und man nicht von den GPS-Betreibern abhängig ist. Ob sich aber doch irgendwann GPS durchsetzen wird, ist noch ungewiss.

Die Sonde gleitet an einem Fallschirm zu Boden. Es hat sich aber herausgestellt, dass der kleine Fallschirm meist wenig nützt und sich oft auch mit den Schnüren verknotet und sich nicht entfaltet. Es heißt, dass er aus Versicherungsgründen trotzdem verwendet werden muss.

Spezielle Ozonsonden können zusätzlich auch die Ozonkonzentration messen. Diese Messdaten sind für die Beobachtung des Ozonloches nötig.

Regelmäßige Sondenaufstiege

Viele Stationen lassen alle zwölf Stunden eine Sonde steigen, meist zu Mittag und Mitternacht. In Deutschland erfolgt dies auf ca. zehn Stationen (zwei davon Bundeswehr). Die vorhergehende Sonde ist zu diesem Zeitpunkt zumeist nicht mehr aktiv, also bereits am Boden.

Damit die Sonde überhaupt fliegen kann, wird ein schlaff gefüllter großer Helium- oder Wasserstoffballon aus Latex daran befestigt. Mit zunehmender Höhe wird der Ballon durch den abnehmenden Luftdruck immer praller und platzt schließlich, da sich das Gas im Innern auf ein Vielfaches des Volumens am Boden ausgedehnt hat.

Nun beginnt die Sonde wieder zur Erde zurück zu fallen. Damit sie nicht einfach auf den Boden prallt, ist sie oft mit einem kleinen Fallschirm ausgerüstet.

„Sondenjäger“

Manche Menschen machen sich den Spaß und die Mühe, den Flug der Sonden zu beobachten, sie zu verfolgen und nach Herunterfallen möglichst aufzusammeln. Teilweise kommt es zu regelrechten Kopf-an-Kopf-Rennen dieser sogenannten Sondenjäger.

Im Abendlicht erscheinen die Sonden wie ein heller Stern 1. Größe, manchmal auch so hell wie die Venus. Im Feldstecher ist die Ballonform meist erkennbar, ebenso der Moment des Platzens (in etwa 20-30 km Höhe) und die herabschwebenden Teile.

Die Entfernung vom Startort einer Radiosonde zum Landungspunkt ist im Durchschnitt etwa 100 km, kann aber auch bis zu 300 km erreichen. Für die Sondenjagd ist ein gutes Wissen rund um Funk und Richtfunk hilfreich, denn hier gibt es viele Schwierigkeiten (Reflexionen der Funkwellen an Bäumen, Gebäuden etc.).

Radiosonden auf anderen Planeten

Die sowjetische Raumsonde Vega setzte 1984 zwei Radiosonden in der Venusatmosphäre ab, die über zwei Tage hinweg verfolgt werden konnten.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

 Commons: Radiosonde – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gösta H. Liljequist, Konrad Cehak: Allgemeine Meteorologie, 3. Auflage, Springer, 2001, S. 80

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