Rechtsschein

Rechtsschein
Deutschlandlastige Artikel Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern.

Ein Rechtsschein ist die von bestimmten Tatsachen getragene Vermutung, dass ein bestimmtes rechtliches Verhältnis besteht. Diese Vermutung schützt den guten Glauben der am Rechtsverkehr Beteiligten. Häufig dienen öffentliche Urkunden oder öffentliche Register als Anknüpfungspunkt für den Rechtsschein.

Inhaltsverzeichnis

Bürgerliches Recht

Der Begriff wird in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. Wichtige Rechtsscheinstatbestände sind:

  • Es wird vermutet, dass der Besitzer einer beweglichen Sache auch Eigentümer ist, wenn er sich als Eigentümer ausgibt (§ 1006 BGB). Vom Besitzer kann jeder gutgläubige Dritte Eigentum erwerben (§ 932 ff. BGB).
  • Es wird vermutet, dass ein Kaufmann als Besitzer auch verfügungsbefugt ist, wenn er dies behauptet (§ 366 HGB). Von ihm kann jeder gutgläubige Dritte Eigentum erwerben.
  • Es wird vermutet, dass der im Grundbuch als Grundstücksberechtigter Eingetragene tatsächlich Grundstücksberechtigter ist (§ 891 BGB). Vom Bucheigentümer kann jeder gutgläubige Dritte Eigentum erwerben (§ 892 BGB).
  • Es wird vermutet, dass jemand, der für einen anderen Geschäfte tätigt, dazu vertretungsbefugt ist, wenn der unbefugt Vertretene die Vertretung hätte erkennen müssen oder verhindern können (Anscheinsvollmacht) (streitig).
  • Es wird vermutet, dass jemand, der für einen anderen Geschäfte tätigt, dazu vertretungsbefugt ist, wenn er dies mit bestimmter Dauer und Häufigkeit tut und der andere ohne etwas zu unternehmen von diesem Verhalten weiß. (Duldungsvollmacht) (streitig).
  • Es wird vermutet, dass jemand, der im Erbschein als Erbe ausgewiesen ist, auch tatsächlich Erbe ist (§ 2365 BGB).
  • Es wird vermutet, dass jemand, der im Handelsregister als Gesellschafter einer Gesellschaft eingetragen ist, auch tatsächlich Gesellschafter ist (§ 15 HGB).

Allen Rechtsscheinstatbeständen ist gemeinsam, dass sich ein Bösgläubiger nicht auf den Rechtsschein berufen kann. Unterschiedlich ist jedoch, wo die Grenze zwischen Gut- und Bösgläubigkeit angesetzt wird. Während beim Besitz als Anknüpfungspunkt für den Rechtsschein bereits das grob-fahrlässige Nicht-Kennen der tatsächlichen Umstände für Bösgläubigkeit ausreicht, ist der Rechtsschein der meisten öffentlichen Register so stark, dass erst die positive Kenntnis der tatsächlichen – abweichenden – Umstände Bösgläubigkeit begründet.

Öffentliches Recht

Im öffentlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland spielt der Begriff des Rechtsscheins eine geringere Rolle, da die Verwaltung an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz); sie darf also in der Regel ihr Handeln nicht bloß auf einen Anschein stützen, sondern ist zur Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet (siehe aber: Anscheinsgefahr). Die Probleme des Vertrauens auf bestimmte Umstände werden üblicherweise unter dem Begriff des Vertrauensschutzes behandelt. Gemeint ist hier stets das Vertrauen des Bürgers auf das Bestehen einer bestimmten Rechtsposition. Die Verwaltung selbst kann sich nicht auf einen Vertrauensschutz zu Lasten des Bürgers berufen.

So kann zum Beispiel der "Rechtsschein eines Verwaltungsakts" bestehen, wenn behördliches Handeln eigentlich keinen Verwaltungsakt darstellt, es jedoch so aussieht, als ob ein Verwaltungsakt erlassen werden sollte (z. B. ein Schreiben wird ausdrücklich als Verwaltungsakt bezeichnet). Dann sind die gleichen Rechtsschutzmöglichkeiten gegeben wie bei einem Verwaltungsakt.

In engen Grenzen hat die deutsche Rechtsprechung auch anerkannt, dass nichtige Gesetze einen Rechtsschein erzeugen können, auf den sich ein Vertrauen des Bürgers gründen kann.[1]

Literatur

  • Georg Borges: Rechtsscheinhaftung im Internet, NJW 33/2010, 2400

Einzelnachweise

  1. vgl. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 53, 115.
Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Rechtsschein — Rechts|schein,   der durch bestimmte Tatsachen erweckte bloße äußere Anschein eines (nicht bestehenden) Rechts. In einer Reihe von Fällen muss sich derjenige, der in zurechenbarer Weise einen Rechtsscheintatbestand geschaffen hat, von einem… …   Universal-Lexikon

  • Bona fide — Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern …   Deutsch Wikipedia

  • Bona fides — Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern …   Deutsch Wikipedia

  • Gutglaubensschutz — Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern …   Deutsch Wikipedia

  • Gutgläubigkeit — Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern …   Deutsch Wikipedia

  • Anscheinsvollmacht — Die Anscheinsvollmacht schützt den Vertragsschließenden in seinem Vertrauen, der ihm gegenüber als Stellvertreter eines anderen Auftretende sei bevollmächtigt, im Namen dieses anderen rechtsgeschäftlich tätig zu werden. Der Vertragsschließende… …   Deutsch Wikipedia

  • Brevi manu traditio — Unter Übereignung versteht man im Sachenrecht die Übertragung des Eigentums an einer Sache von einer Person an eine andere Person. Die Übereignung ist somit ein Verfügungsgeschäft. Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland… …   Deutsch Wikipedia

  • Eigentumsübertragung — Unter Übereignung versteht man im Sachenrecht die Übertragung des Eigentums an einer Sache von einer Person an eine andere Person. Die Übereignung ist somit ein Verfügungsgeschäft. Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland… …   Deutsch Wikipedia

  • Geheißerwerb — Unter Übereignung versteht man im Sachenrecht die Übertragung des Eigentums an einer Sache von einer Person an eine andere Person. Die Übereignung ist somit ein Verfügungsgeschäft. Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland… …   Deutsch Wikipedia

  • Gesetzliche Vermutung — In der Rechtswissenschaft kann eine Vermutung den Beweis gestützt auf Erfahrungen ermöglichen (tatsächliche Vermutung), die Beweislast von Gesetzes wegen verschieben (widerlegliche gesetzliche Vermutung) oder ein Beweiserfordernis ganz beseitigen …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”