Reinhard Schulze

Reinhard Schulze

Reinhard Schulze (* 29. Januar 1953 in Berlin) ist ein deutscher Islamwissenschaftler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Schulze studierte von 1974 bis 1981 Orientalistik und Islamwissenschaft, Romanistik und Linguistik an der Universität Bonn. Er promovierte 1981 dort mit einer Dissertation über die Rebellion der ägyptischen Fallahin. Seine Lehrer in Bonn waren Werner Schmucker und Stefan Wild. Seine Habilitation erfolgte mit Hilfe eines DFG-Stipendiums 1987 mit Untersuchungen zur Geschichte der Islamischen Weltliga. Das Thema wurde ihm von Werner Ende vorgeschlagen. Von 1987 bis 1992 wirkte er als Professor für Orientalische Philologie an der Ruhr-Universität Bochum, zwischen 1992 und 1995 als Professor für Islamwissenschaft und Arabistik an der Universität Bamberg. Seit 1995 ist er Ordentlicher Professor für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie an der Universität Bern.

Positionen und Kritik

Schulze fordert eine „kulturtheoretische Neubestimmung“ der deutschen Islamwissenschaft. Kultur sei heute „der Ordnungsbegriff par excellence“.[1]

Schulzes These, man finde in der islamischen Welt des 18. und 19. Jahrhunderts eine Aufklärung, die der westlichen ähnele, wurde stark kritisiert, nicht nur von Bernd Radtke (Utrecht), einem Schüler von Fritz Meier, und in einem Aufsatz der beiden Islamwissenschaftler Gottfried Hagen (Ann Arbor, Michigan) und Tilman Seidensticker (Jena). Auch Tilman Nagel meinte, bei der These handele es sich „um die – z.T. philologisch unhaltbare, ja sogar kraß falsche – Auslegung einiger weniger aus dem Zusammenhang gerissener Sätze oder Verszeilen arabischer Autoren des 18. Jahrhunderts nach Maßgabe“ ebendieser These.[2] Während Schulze einerseits für eine Eintragung der europäischen Epochenbezeichnung „Aufklärung“ in die Geschichte der islamischen Welt plädiert, kritisiert er andererseits die Übertragung des christlichen Begriffs „Fundamentalismus“ auf die islamischen Bewegungen der Moderne.[3]

Auch Schulzes Geschichte der islamischen Welt im 20. Jahrhundert wurde von Tilman Nagel verrissen. Sie sei „ein beklemmendes Beispiel“ dafür, „dass an der Stelle gesicherten, aus den einschlägigen Quellen ermittelten Wissens ideologische Versatzstücke schlichtesten Zuschnitts zur Grundlage weitreichender Deutungen gewählt werden“.[4] Nagel warf Schulze einen Mangel an Kenntnis der Quellen vor. Schulze deute „in der zur Zeit geforderten politisch korrekten Manier den sogenannten islamischen Fundamentalismus als die giftige Frucht allein des kolonialen Griffs europäischer Mächte nach der islamischen Welt (...), der die dort abrollende, der europäischen analoge Entwicklung zur ‚Selbstbefreiung des Menschen‘ störte und die islamischen Intellektuellen nötigte, den ‚Islam in seiner idealisierten Urform (...) als Gegengewicht zur europäischen Identität‘ aufzubauen“.[5] Nagel hält diese Deutung für falsch.

Werke

  • Die Rebellion der ägyptischen Fallahin 1919. Zum Konflikt zwischen der agrarisch-orientalischen Gesellschaft und dem kolonialen Staat in Ägypten 1820–1919 (= Diss. Bonn 1981). Baalbek, Berlin 1981
  • Islamischer Internationalismus im 20. Jahrhundert. Untersuchungen zur Geschichte der Islamischen Weltliga (= Habil. Bonn 1987). Brill, Leiden 1990, ISBN 90-04-08286-7
  • Geschichte der islamischen Welt im 20. Jahrhundert. Beck, München 1994; erweiterte Fassung 2002, ISBN 3-406-48873-0

Literatur

  • Gottfried Hagen/Tilman Seidensticker: Reinhard Schulzes Hypothese einer islamischen Aufklärung. Kritik einer historiographischen Kritik. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 148 (1998), S. 83–110
  • Bernd Radtke: Autochthone islamische Aufklärung im 18. Jahrhundert. Theoretische und filologische Bemerkungen. Fortführung einer Debatte. Utrecht 2000

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.dradio.de/download/68536/
  2. http://menadoc.bibliothek.uni-halle.de/dmg/periodical/pageview/139577
  3. R. Schulze: Islamische Kultur und soziale Bewegung, in: Peripherie 18/19 (1984/85) 60-84, hier 60.
  4. http://menadoc.bibliothek.uni-halle.de/dmg/periodical/pageview/139577
  5. http://menadoc.bibliothek.uni-halle.de/dmg/periodical/pageview/139577

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Reinhard Schulze-Stapen — (* 19. November 1867 in Stapen; † 22. Oktober 1944 ebenda) war ein deutscher Landwirt und Politiker (DNVP). Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Schulze — ist ein, auf das mittelalterliche Schulzenamt zurückgehender Familienname. Herkunft und Bedeutung Schulze ist eine Variante des Familiennamens Schultheiß. Varianten Schulz, Schultz, Schultze, Schulzeck, Schulte, Schulten, Schuldt, Schultes… …   Deutsch Wikipedia

  • Schulze-Stapen — ist der Name folgender Personen: Christoph Schulze Stapen (1917–2003), deutscher Politiker (CDU) Reinhard Schulze Stapen (1867–1944), deutscher Landwirt und Politiker (DNVP), MdR Diese Seite ist eine Begriffsklärung …   Deutsch Wikipedia

  • Reinhard Zimmermann — (* 10. Oktober 1952 in Hamburg) ist ein deutscher Jurist. Seit 2002 ist er Direktor am Max Planck Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Wirken 3 Kritik …   Deutsch Wikipedia

  • Reinhard Pfundt — (* 1951 in Burgstädt) ist ein deutscher Komponist. Reinhard Pfundt erhielt 1969 seinen ersten Kompositionsunterricht bei Paul Kurzbach in Chemnitz (damals Karl Marx Stadt). Von 1969 bis 1975 studierte er Komposition und Klavier an der Hochschule… …   Deutsch Wikipedia

  • Schulze-Kossens — Richard Schulze Kossens (* 2. Oktober 1914 in Berlin Spandau[1]; † 3. Juli 1988[2] in Düsseldorf) war ein deutscher SS Offizier. Er wurde vor allem bekannt als zeitweiliger SS Adjutant Adolf Hitlers, als Adjutant Joachim von Ribbentrops und als… …   Deutsch Wikipedia

  • Christoph Schulze-Stapen — (* 9. Oktober 1917 in Ratibor; † 31. Juli 2003) war ein deutscher Politiker und Landtagsabgeordneter (CDU). Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Beruf 2 Abgeordneter 3 Weblinks …   Deutsch Wikipedia

  • Richard Schulze-Kossens — (* 2. Oktober 1914 in Berlin Spandau;[1] † 3. Juli 1988[2] in Düsseldorf) war ein deutscher SS Offizier. Er wurde vor allem bekannt als zeitweiliger SS Adjutant Adolf Hitlers, als Adjutant Joachim von Ribbentrops und als Leiter der SS… …   Deutsch Wikipedia

  • Hans-Joachim Schulze (Musikwissenschaftler) — Hans Joachim Schulze (* 1934 in Leipzig) ist ein deutscher Musikwissenschaftler. Biographie Hans Joachim Schulze belegte ein Studium der Musikwissenschaft und Germanistik an der Hochschule für Musik Leipzig von 1952 bis 1954 und an der… …   Deutsch Wikipedia

  • Augustin Reinhard Stricker — (* um 1680; † 1718/19? in Heidelberg) war ein deutscher Kantaten und Opernkomponist und Vorgänger Bachs als Kapellmeister am Köthener Fürstenhof. Leben Strickers Jugendjahre sind noch in Dunkel gehüllt. Möglicherweise verbrachte er einige Zeit in …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”