- Restriktive Fiskalpolitik
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Die restriktive Fiskalpolitik (auch als kontraktive Fiskalpolitik bekannt) ist ein Teilbereich der Festlegung von Staatseinnahmen sowie Staatsausgaben. Ihr Gegenstück ist die expansive Fiskalpolitik. Die restriktive Fiskalpolitik hat, gemäß dem Begriff, einschränkende Wirkung auf die Volkswirtschaft. Es bestehen zwei Möglichkeiten, diese Politikform umzusetzen: durch eine Verringerung der Staatsausgaben oder eine Steuererhöhung.
In anderen Worten ausgedrückt, trifft restriktive Fiskalpolitik zu, wenn sich die Differenz aus Staatsausgaben und Steuersumme, im Vergleich zur letzten Periode, verringert oder gar negativ wird.[1]
Inhaltsverzeichnis
Ziele
Im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StabG) ist die Fiskalpolitik als Instrument zur Erreichung der vier gesamtwirtschaftlichen Ziele erwähnt. Die Ziele sind laut § 1 StabG: Preisniveaustabilität, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht sowie stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum. Dabei soll mit restriktiven fiskalpolitischen Maßnahmen - insbesondere in Hochkonjunkturzeiten - eine Nachfragesenkung erreicht werden, um Preisniveaustabilität zu gewährleisten. Weiterhin ist kontraktive Fiskalpolitik ein wirkungsvolles Mittel zur Staatshaushaltskonsolidierung, d.h. Senkung der Staatsverschuldung.
Erläuterung am AS-AD-Modell
Wie bereits erwähnt, soll restriktive Fiskalpolitik Preisstabilität, die weiteren gesamtwirtschaftlichen Ziele, aber vor allem eine Reduzierung der Staatsverschuldung herbeiführen. Um die folgenden Ausführungen verstehen zu können, ist es notwendig, den Begriff des natürlichen Produktionsniveaus zu kennen. Dieses kann auch als normale Auslastung der Produktionskapazität umschrieben werden. Eine Bestimmung kann beispielsweise durch Trendermittlung aus vergangenheitsbezogenen Daten erfolgen.
Zunächst wird das AS-AD-Modell betrachtet. Hiermit kann das Gesamtangebot und die Gesamtnachfrage am Markt dargestellt werden. Im Folgenden werden die Funktionen des Gesamtangebotes (oder zusammengefassten Angebotes) und der Gesamtnachfrage (oder zusammengefasster Nachfrage) erläutert. Anhand dieser theoretischen Grundlagen sollen anschließend die Auswirkungen einer Senkung der Staatsnachfrage erläutert werden.
Das zusammengefasste Angebot stellt sich wie folgt dar:
- P = tatsächliches Preisniveau
- Pe = erwartetes Preisniveau
- μ = Ausdruck der Vollständigkeit / Unvollständigkeit des Wettbewerbes am Markt
- Y = Einkommen
- L = Gesamtzahl der Erwerbspersonen (zu unterscheiden von der Zahl der Erwerbstätigen!)
- z = Strukturvariable des Arbeitsmarktes (Aspekte wie Arbeitszeitregelungen, Kündigungsschutz etc.)
Dies ist die Aufstellung zur Gesamtnachfrage:
- Y = Produktionsniveau
- M = nominale Geldmenge
- P = tatsächliches Preisniveau
- G = Staatsausgaben
- T = Steuern
Nun zur Ablaufbeschreibung am AS-AD-Modell:
- Ausgangspunkt der Betrachtung ist eine Produktionsmenge in Höhe des natürlichen Produktionsniveaus.
- Anschließend werden restriktive fiskalpolitische Maßnahmen ergriffen, also beispielsweise eine Senkung der Staatsausgaben.
- Auf Grund der nun niedrigeren Staatsnachfrage (G) muss eine Linksverschiebung der Gesamtnachfrage (AD) erfolgen. Die Staatsausgaben G sind Teil der Gesamtnachfragefunktion. Oder in anderen Worten ausgedrückt: es wird zu jedem Preis weniger nachgefragt.
- Nun bildet sich ein neues kurzfristiges Gleichgewicht zwischen der gegebenen Kurve des Gesamtangebotes (AS) und der verschobenen Gesamtnachfrage. Man erkennt sowohl eine Preissenkung, als auch ein geringeres Produktionsniveau. Das bedeutet, dass kurzfristig eine Nachfragesenkung erreicht wird, was beispielsweise in Zeiten konjunktureller Überhitzung relevant ist.
- Die Preissenkungen bleibt jedoch nicht ohne Auswirkung auf das Gesamtangebot, schließlich ändern sich 2 Variablen, die in der AS-Funktion vorkommen. Das ist einerseits das erwartete Preisniveau (Pe) und andererseits die Lohnhöhe (im Ausdruck 1 − Y / L enthalten). Sinkt der Preis, wird natürlich auch die Preiserwartung einen Rückgang verzeichnen. Zudem gleichen sich die Löhne nach unten an, bis die reale Kaufkraft wieder das ursprüngliche Niveau erreicht hat. Das ergibt sich aus der Modellannahme, dass die Lohnsetzer (also konkret die Tarifparteien) in ihren Lohnverhandlungen direkt die Preiserwartungen umsetzen. Praktisch betrachtet bedeutet dies, dass Gewerkschaft bei einem gestiegenen erwarteten Preisniveau auch eine Lohnsteigerung durchsetzen können. In diesem Fall aber, können die Arbeitgeberverbände die gesunkenen Preiserwartungen auf die Löhne übertragen. Fasst man diese beiden Punkte zusammen, ist die Produktion nominal (nicht real) günstiger geworden. Das verursacht eine Rechtsverschiebung der AS-Kurve, nunmehr kann zu jedem Preis mehr produziert werden.
- Mit den eben beschriebenen Schritten wurde eine sich abwärts bewegende Preisspirale ausgelöst, die erst beim natürlichen Produktionsniveau (also Normalauslastung) ihr Ende findet. Modelltheoretisch beschrieben erfolgen also so viele Rechtsverschiebungen von AS, bis der Schnittpunkt von AS und AD wieder im natürlichen Produktionsniveau zu finden ist.
Am AS-AD-Modell betrachtet, muss man die Wirkung einer Staatsausgabensenkungen also in kurze Frist und mittlere Frist differenzieren. Zwar ist die Preissenkung kontinuierlich vorhanden, doch im Bereich der Nachfrage- und Produktionsmenge gibt es durchaus Unterschiede. Kurzfristig wird eine Nachfragesenkung und dementsprechend ein Rückgang des Produktionsniveaus erreicht. Mittelfristig wird die Produktion wieder ihr natürliches Niveau erreichen, da die niedrigere staatliche Nachfrage durch zusätzliche private Nachfrage kompensiert wird. Dieser Prozess wird auch als crowding-in bezeichnet.
Anwendung am IS-LM-Modell
Die Frage, weshalb der eben beschriebene Rückgang der Staatsausgaben durch zusätzliche private Nachfrage aufgefangen wird, lässt sich am IS-LM-Modell beantworten. Es erläutert das Gleichgewicht zwischen Gütermarkt (IS) und Geldmarkt (LM) und ermöglicht somit Rückschlüsse des Zusammenhanges von Produktionsmenge und Zinssatz.[2] Analog zur eben beschriebenen Wirkung am AS-AD-Modell, werden zunächst wieder die Funktionen erläutert, um das praktische Beispiel einer Staatsausgabensenkung am IS-LM-Modell beschreiben zu können.
Das Gleichgewicht am Gütermarkt wird erreicht, wenn folgendes gilt:
- Y = Produktionsniveau
- C = Konsum (Steuererhöhungen wirken sich Konsum senkend aus)
- I = (private) Investitionen
- G = Staatsausgaben
Die Formel des Geldmarktes lautet:
- M = nominale Geldmenge
- P = Preisniveau
- Y = Einkommen
- L = Geldnachfrage
- i = Zinssatz
Nun wird erneut das Szenario einer Staatsausgabenverminderung betrachtet.
- Nach Durchführung der Maßnahme wird sich die Gütermarktkurve (IS) nach links verschieben. Auf Grund der gesunkenen Nachfrage wird bei jedem Zinssatz weniger produziert.
- Die Geldmarktkurve (LM)ist kurzfristig keiner Änderung ausgesetzt. Mittelfristig betrachtet hingegen schon. Am AS-AD-Modell war zu erkennen, dass das tatsächliche Preisniveau - als eines der ersten Resultat der Staatsnachfragesenkung - geringer wurde. Dadurch steigt die reale Geldmenge M/P. Liquidität ist nunmehr weniger knapp als zuvor, das lässt die "Preise" dafür sinken. In anderen Worten ausgedrückt, der Zins verringert sich.
- Die Variablen der Gleichgewichtsbedingung des Geldmarktes haben sich geändert, was in diesem Fall zur Rechtsverschiebung der LM-Kurve führt. Oder etwas weniger theoretisch formuliert: zu jedem Zins wird eine höhere Geldmenge angeboten.
Wie am AS-AD-Modell erklärt, wird eine Abwärtsspirale des Preises ausgelöst, bis das natürliche Produktionsniveau erreicht wird. Parallel dazu wird natürlich auch der Zinssatz bis zum Ende der Preisspirale sinken, die Abhängigkeit zum Preis wurde eben beschrieben.
Durchführungsmaßnahmen
Es gibt verschiedene praktische Anwendungsbeispiele für restriktive Fiskalpolitik. Hier sollen lediglich wenige Beispiele betrachtet werden.
Steuerpolitische Möglichkeit ist vor allem die Festsetzung der Höhe von Einkommen- und Körperschaftsteuersätzen. Eine Erhöhung würde eine restriktive fiskalpolitische Maßnahme bedeuten. Kurzfristige fiskalpolitische Wirkungen haben auch Sonderabschreibungen und Änderung von Abschreibungssätze. Beide Arten haben gemeinsam, dass ein Ausgleich über die komplette Abschreibungsdauer erfolgt, denn die gesamte Abschreibungssumme ist gleichbleibend. D.h. eine Verringerung von Abschreibungssätzen wirkt nur sehr kurzfristig steuererhöhend, in den folgenden Jahren wird das durch geringere Steuerhöhe ausgeglichen.
Im Rahmen der Staatsausgabenpolitik kann unter anderem eine Verringerung der öffentlichen Investitionen erfolgen. Nicht zwingend notwendige Bauvorhaben könnten aufgeschoben oder komplett gestrichen werden. Die dadurch wenigeren Auftragseingänge bei Unternehmen hätten (zumindest in kurzer Frist) einen Nachfrage senkenden Effekt. Öffentliche Investitionen werden jedoch nicht nur vom Bund, sondern auch von den Ländern und Gemeinden durchgeführt. Eine Möglichkeit für die Bundesregierung auch die Ausgabenpolitik der Länder und Gemeinden zu regulieren, ist die Kreditlimitierung. Dabei wird die Kreditaufnahme der öffentlichen Haushalte begrenzt, was Implikationen auf deren Investitionsverhalten hat. Als letztes Beispiel soll die Verpflichtung zur Stilllegung von Einnahmen in die Konjunkturausgleichsrücklage genannt werden. Wie der Name bereits ausdrückt, wird damit die sofortige Wiederausgabe von staatlichen Einnahmen unterbunden. Stattdessen werden Teile des Budgetdefizits abgebaut.
Problemaspekte
Der tatsächliche Durchführung und Wirkung restriktiver Fiskalpolitik stehen einige praktische Schwierigkeiten gegenüber. Exemplarisch möchte ich auf die Implementierung kontraktiver Maßnahmen und auf die Wirkung restriktiver Fiskalpolitik in offenen Volkswirtschaften eingehen.
Die Umsetzung restriktiver Fiskalpolitik ist in der Praxis oft umstritten oder zumindest nicht sonderlich beliebt. Entscheidungen dieser Art gestalten sich deshalb auf politischer Ebene schwierig. Der Grund dafür ist in der zeitlich verschobenen Wirkung von Personalfreisetzungen und Preissenkung zu sehen. Im Folgenden wird angenommen, dass eine Verringerung der Staatsausgaben zur Preisniveaustabilität angewendet wird. Eine Staatsnachfragesenkung führt jedoch zunächst zu einem Rückgang der Gesamtnachfrage. Daraus resultieren Beschäftigungsrückgänge und erst dadurch wird der Preis sinken. Der Grund für die Unbeliebtheit solcher Entscheidungen ist also offenkundig: ein negativer Effekt (Entlassungen) geht dem gewünschten Ziel (Preisstabilität) voraus. Wie aber bereits beschrieben, könnte das crowding-in die Entlassungsauswirkungen (zumindest teilweise) ausgleichen.
Das Thema restriktiver Fiskalpolitik in offenen Volkswirtschaften ist noch sensibler, als bei geschlossener Betrachtung. Für das folgende Beispiel wird wieder das Ziel der Preisniveaustabilität angenommen. Will man diese erreichen, so ist ein mögliches Instrumentarium dazu die Staatsausgabensenkung. Diese führt bekanntlich zu einem niedrigeren Preis. In einer offenen Volkswirtschaft muss dann aber beachtet werden, dass durch den niedrigeren Preis zusätzliche ausländische Nachfrage "angelockt" wird. Dadurch wird wiederum eine Preissteigerung erreicht, die im Konflikt zum Ziel stabiler Preise steht. Demzufolge ist die Durchsetzung restriktiver Fiskalpolitik zur Preisniveaustabilität in einer offenen Volkswirtschaft ungleich schwerer, als ohne Auslandsbeachtung.
Einzelnachweise
- ↑ Klump, Rainer: Wirtschaftspolitik - Instrumente, Ziele und Institutionen, 2006, S. 150
- ↑ Blanchard, Olivier / Illing, Gerhard: Makroökonomie, 2006, S. 138ff
Literatur
- Olivier Blanchard / Gerhard Illing: Makroökonomie. 4. Auflage. Pearson Studium, München 2006, ISBN 3-8273-7209-7
- Hans-Jürgen Ahrns / Hans-Dieter Feser: Wirtschaftspolitik - Problemorientierte Einführung. 7. Auflage. Oldenbourg Verlag, München 1997, ISBN 3-486-23979-1
- Rainer Klump: Wirtschaftspolitik Pearson Studium, München 2006, ISBN 3-8273-7238-0
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