- Hot money
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Als hot money (heißes Geld) bezeichnet man auf den Finanzmärkten Kapital, das aus einem Land in ein anderes verlagert wird, um aus unterschiedlichen Zinsniveaus und/oder erwarteten Änderungen von Wechselkursen kurzfristig Gewinne zu erzielen. Diese spekulativen Kapitalbewegungen nennt man deshalb „hot money“, weil sie sehr rasch in Märkte hinein- und wieder herausgehen und dabei zu Marktinstabilitäten führen können.[1]
Inhaltsverzeichnis
Zur Illustration
Ein einfaches Beispiel: Anfang 2011 betrug der durchschnittliche Zinssatz für Termingeld mit einjähriger Laufzeit in den USA 0,95 %, in China dagegen 3 %. Dazu kommt, dass man weithin der Meinung ist, der chinesische Renminbi sei im Vergleich zu anderen bedeutenden Handelswährungen deutlich unterbewertet und werde in den nächsten Jahren gegenüber dem US-Dollar aufholen. Davon ausgehend kann ein Investor einen höheren Ertrag erwarten, wenn er sein Geld auf einer chinesischen anstatt einer amerikanischen Bank deponiert. Dies macht China zu einem bevorzugten Ziel für den Zufluss von Hot money. Dies ist nur ein Beispiel – in der Realität wird Hot money auf viele verschiedene Arten angelegt.
In einer Fachzeitschrift wurde das Phänomen Hot money so beschrieben: „Ein Land oder ein Sektor der Weltwirtschaft durchläuft eine Wirtschaftskrise, das Kapital fließt in Panik davon, Investoren suchen attraktivere Orte, um ihr Geld anzulegen. Am nächsten Investitionsort erzeugt der Kapitalzufluss einen Boom, begleitet von steigender Verschuldung, steigenden Preisen für Anlageprodukte und boomendem Konsum – für einige Zeit. Allzu oft folgt aber auf diese Kapitalzuflüsse eine neue Krise. Einige Kommentatoren beschreiben dieses Muster der Kapitalbewegung als ‚Hot money‘, das von einem Wirtschaftssektor oder Land zum nächsten fließt und eine Spur der Zerstörung hinter sich herzieht.“[2]
Andere sind jedoch der Auffassung, dass die eigentliche Ursache für diese Art von Geldflüssen und ihre destruktiven Auswirkungen in außermarktlichen Aktivitäten zu suchen ist, nämlich in der Marktbeeinflussung durch die Zentralbanken, die so dauerhafte Nichtgleichgewichtsbedingungen hervorrufen und sie entgegen den Marktkräften aufrechterhalten, die sonst die Anreize für solche Geldflüsse rasch beseitigen würden.
Arten von Hot money
Folgende Formen von Kapital können als Hot money bezeichnet werden:
- Kurzfristige ausländische Portfolioinvestition, darunter Investitionen in Eigenkapitalanteilen, Verzinslichen Wertpapieren und Derivaten,
- Kurzfristige ausländische Bankkredite
- Ausländische Bankkredite mit kurzem Investitionshorizont
Was diese Arten von Kapital gemeinsam haben, ist ihre Kurzfristigkeit. Sie kommen rasch und sie gehen rasch wieder.
Schätzung der Gesamtmenge
Es gibt keine wohldefinierte Methode, um zu bestimmen, wieviel Hot money während einer Zeitspanne in ein Land hineinströmt, da Hot money sich rasch bewegt und kaum beobachtet wird. Dazu kommt, dass die Menge an Hot money, wenn man sie ermittelt hat, plötzlich wieder steigen oder fallen kann, je nachdem, welche wirtschaftlichen Bedingungen den Geldfluss antreiben. Eine übliche Methode, den Fluss von Hot money näherungsweise zu bestimmen, ist diese: Man nimmt die Änderung der Devisenreserven des Landes und subtrahiert davon den Außenhandelsüberschuss (bzw. das Außenhandelsdefizit) und den Nettozufluss an ausländischen Direktinvestitionen.[1]
Herkunft und Ursachen
Hot money hat seinen Ausgangspunkt normalerweise in den reichen, entwickelten Ländern, deren Bruttoinlandsprodukt GDP langsamer wächst und deren Zinsniveau niedriger liegt als in Emerging-Market-Ländern wie etwa Indien, Brasilien, China, Türkei, Malaysia usw. Die genauen Ursachen den Fluss von Hot money sind zwar verschieden, aber allgemein lassen sich dafür die folgenden Gründe angeben[3]:
- Anhaltend sinkende Zinsen in den hochindustrialisierten, entwickelten Ländern sorgen dafür, dass Investoren von den höheren Erträgen und den sich verbessernden ökonomischen Zukunftsaussichten in Asien und Lateinamerika angezogen werden.
- Allgemeiner Trend zu internationaler Verteilung von Investitionen auf größere Finanzzentren und zum stärkeren Zusammenwachsen der Kapitalmärkte der Welt.
- Emerging-Market-Länder haben begonnen, solide Geld- und Steuerpolitik und marktorientierte Reformen umzusetzen, einschließlich der Liberalisierung von Handel und Kapitalmärkten. Solche und andere politische Reformen haben zu einer verlässlichen Erhöhung der Erträge von Investitionen geführt.
Hot money kann, wie oben gesagt, in unterschiedlicher Form auftreten. Hedgefonds, andere Portfolio-Fonds und internationale Geldbeschaffung durch heimische Institutionen gelten allgemein als die Vehikel des Hot money. Während der Asienkrise 1997/98 und der Russlandkrise 1998/99 kam das Hot money hauptsächlich von Banken und nicht von Portfolio-Investoren.[4]
Auswirkungen
Wenn Kapital aus der reichen entwickelten Welt in Entwicklungsländer und Emerging markets strömt, so kann dies Investitionen finanzieren, das Wirtschaftswachstum anregen und so dazu betragen, den Lebensstandard zu erhöhen. Den entwickelten Ländern kann dieser Kapitaltransfer helfen, ihre Portfolios auf mehr Länder zu streuen.[3]
Großer und plötzlicher Zufluss von Kapital mit kurzem Investitionshorizont kann jedoch negative makroökonomische Auswirkungen haben: rasche Vergrößerung der Geldmenge, Inflationsdruck, reale Aufwertung und wachsendes Leistungsbilanz-Defizit. Besonders, wenn viel Kapital in kleine und seichte lokale Finanzmärkte fließt, besteht eine Tendenz zum Steigen der Wechselkurse, zur Rallye bei den Preisen für Anlageprodukte und zum Boom bei den Güterpreisen. Die günstigen Preisbewegungen für Anlageprodukte verbessern die Steuerindikatoren der Volkswirtschaft und begünstigen die Ausweitung des inländischen Kreditgeschäfts. Das wiederum wirkt verschlimmernd auf strukturelle Schwächen des einheimischen Bankensektors. Wenn die globalen Investoren ihre Einstellung gegenüber den emerging Markets ändern, kehrt sich die Richtung der Kapitalströme um, die Preise der Anlagegüter fallen wieder auf ihr Ausgangsniveau und zwingen die Wirtschaft oft zu schmerzhafter Anpassung. [5] Im Folgenden werden die Risiken, die Hot money für die Wirtschaft des Empfängerlandes mit sich bringt, im Einzelnen dargestellt.
- Massiver Zustrom von Kapital mit kurzem Investitionshorizont (Hot money) kann zu einer Rallye bei den Preisen für Anlageprodukte[5] und wachsender Inflation führen. Der plötzliche Zustrom von viel ausländischem Geld würde nämlich die Geldbasis des Empfängerlandes vergrößern und so zu einem Kreditboom beitragen. Die Auswirkung wäre eine Situation, in der „zu viel Geld hinter zu wenig Gütern herjagt“, und folglich Inflation.
Darüber hinaus könnte Hot money den Wechselkurs der heimischen Währung steigen oder sogar überschießen lassen. Wenn dieses Wechselkurs-Hoch anhält, würde es die Wettbewerbsfähigkeit des Exportsektors des Landes schwächen, weil es die Exporte gegenüber entsprechenden ausländischen Gütern und Dienstleistungen verteuert[6].
- Ein plötzliches Hinausfließen von Hot money, womit zu rechnen ist, würde die Preise für Anlageprodukte sinken lassen und könnte den Wechselkurs der Landeswährung zusammenbrechen lassen. Das gilt insbesondere für Länder mit vergleichsweise geringer internationaler Liquidität. Es besteht zunehmend Einigkeit darüber, dass dies bei der Asienkrise von 1997 der Fall war. Im Vorfeld der Krise hatten Firmen in Südkorea, Thailand und Indonesien in großem Umfang kurzfristige Kredite im Ausland aufgenommen (was einen Typ von Hot money darstellt). Was diese drei Länder gemeinsam hatten, waren große kurzfristige Auslandsschulden, gemessen an den vorhandenen Devisenreserven. Als das Kapital abzufließen begann, verursachte dies einen Zusammenbruch der Anlagegüterpreise und der Währungen. Die Finanzpanik schaukelte sich auf. Ausländische Gläubiger forderten ihre Kredite ein und Konteninhaber zogen ihre Guthaben von den Banken ab. All dies verschlimmerte die Liquiditätskrise der einheimischen Finanzsysteme und verursachte weitere verlustreiche Auflösungen von Anlagen und Preisdeflation. In allen drei Ländern gerieten die einheimischen Geldinstitute mit ihren kurzfristigen ausländischen Verpflichtungen an den Rand des Zahlungsausfalles[7].
Einige Ökonomen und Finanzfachleute vertreten jedoch die Meinung, dass das Hot money auch eine positive Rolle spielen könne, nämlich in Ländern, die relativ geringe ausländische Devisenreserven haben. Der Kapitalzustrom könne solchen Ländern eine nützliche Gelegenheit bieten, die Reserven ihrer Zentralbanken aufzustocken.[8].
Regulierung
Allgemein kann man sagen, dass Hot money in Emerging-market-Ökonomien fließt, da dort die Zinsen höher sind als in entwickelten Martwirtschaften. Die Emerging-market-Ökonomien begrüßen zwar, wenn ihnen Kapital in Form ausländischer Direktinvestitionen zufließt, aber wegen der negativen wirtschaftlichen Auswirkungen von Hot money wenden sie verschiedene Methoden an, um es aus ihren Ländern ferzuhalten und um seine Folgen zu beseitigen. Diese Methoden sind von Land zu Land verschieden. Im Folgenden werden die wichtigsten davon beschrieben.[8].
- Anheben des Wechselkurses: Der Wechselkurs kann als Werkzeug benutzt werden, um den Zustrom an Hot money zu steuern. Wenn die Währung als unterbewertet gilt, dann kann dies eine Ursache für den Zustrom von Hot money sein. Unter diesen Umständen raten Ökonomen normalerweise eher zu einer einmaligen und deutlichen als zu einer allmählichen Wechselkursanhebung. Eine allmähliche Anhebung würde nur noch mehr Hot money ins Land ziehen. Ein Nachteil dieses Vorgehens ist aber, dass die Wechselkursanhebung die Wettbewerbsfähigkeit des Exportsektors schwächt.
- Zinssenkung: Länder, die diese Politik verfolgen, würden den Leitzins ihrer Zentralbank senken, um den Anreiz zum Zustrom zu verringern. Zum Beispiel überraschte die türkische Zentralbank die Märkte am 16. Dezember 2010, indem sie die Zinsen zu einer Zeit steigender Inflation und relativ starken Wirtschaftswachstums senkte. Erdem Basci, der stellvertretende Leiter der türkischen Zentralbank, begründete dies damit, dass allmähliche Zinssenkungen der beste Weg seien, um übermäßigen Kapitalzustrom, der Investitionsblasen und Wechselkursanstieg anheizen würde, zu verhindern.[9] Am 14. Februar 2011 sagte Mehmet Simsek, der Finanzminister der Türkei: „Mehr als acht Milliarden Dollar an kurzfristigen Investitionen haben das Land verlassen, nachdem die Zentralbank die Zinsen gekürzt und Maßnahmen ergriffen hat, um das Wachstum der Kredite zu verlangsamen. Die Märkte haben die Mitteilung erhalten, dass die Türkei keinen Zufluss von Hot money wünscht.“[10]
- Kapitalverkehrskontrollen: Die Volksrepublik China gestattet ausländischen Fonds nicht, direkt in den chinesischen Kapitalmarkt zu investieren. Den einheimischen Geldinstituten setzt die chinesische Zentralbank Quoten, die die Verwendung kurzfristiger Auslandskredite begrenzen.[11] Die Regierung von Chile machte im Juni 1991 Firmen, die direkt Kredite in ausländischer Währung aufnahmen, zur Vorschrift, bei der Zentralbank für ein Jahr ein Bardepot in Höhe von 20 % zu hinterlegen.[12] (Siehe auch: das deutsche Bardepotgesetz von 1971.)
- Höhere vorgeschriebene Mindestreserven und Sterilisation: Einige Länder verfolgen eine Politik des festen Wechselkurses. Angesichts des Netto-Kapitalzustroms greifen diese Länder in den Devisenmarkt ein, um ein Steigen des Wechselkurses zu verhindern und neutralisieren dann die monetären Auswirkungen des Eingriffs, indem sie höhere Bankreserven fordern.[13] Als zum Beispiel Hot money aus den USA nach China kam, verkauften Investoren auf dem Devisenmarkt US-Dollars gegen chinesische Yuan. Das erzeugte einen Aufwärtsdruck auf den Wert des Yuan. Um eine Aufwertung der chinesischen Währung zu verhindern, druckte die chinesische Zentralbank Yuan, um damit Dollars zu kaufen. Dies erhöhte die Geldmenge in China und führte zur Inflation. Nun muss die chinesische Zentralbank höhere Mindestreserve vorschreiben oder chinesische Staatsanleihen herausgeben, um das Geld wieder zurückzuholen, das sie zuvor in den Markt ausgeschüttet hat, um wegen des Wechselkkurses zu intervenieren. Auch diese Herangehensweise hat, wie die anderen, ihre Grenzen. Erstens kann die Zentralbank nicht wachsende Bankreserven einbehalten, da dies die Profitabilität der Banken negativ beeinflussen würde. Zweitens ist der einheimische Geldmarkt in den Emerging market Ökonomien noch nicht tief genug, um eine wirksame Offenmarktpolitik zu ermöglichen.
- Restriktive Fiskalpolitik: Die Idee hierbei ist, durch restriktive fiskalpolitische Maßnahmen, insbesondere Ausgabenkürzungen bei nicht handelbaren Gütern, die Gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu verringern und so die inflationäre Wirkung des Kapitalzustroms zu dämpfen.[14]
Einzelnachweise
- ↑ a b CRS Report for Congress, July 21, 2008: China’s “Hot Money” Problems, by Micheal F. Martin and Wayne M. Morrison
- ↑ Hot Money and Serial Financial Crises, Anton Korinek, IMF Economic Review (2011)
- ↑ a b Inflows of Capital to Developing Countries in the 1990s, by Calvo, Leiderman, Reinhart, Journal of Economic Perspective 1996
- ↑ Hot Money, by Martin N.Baily, Diana Farrell, and Susan Lund, May 2000, McKinsey Quarterly
- ↑ a b Capital Flow Bonanzas: An Encompassing View of the Past and Present, by Carmen M. Reinhart and Vincent R. Reinhart, NBER Working Paper No. 14321, September 2008
- ↑ Ricardo J. Caballero, Guido Lorenzoni, 2007. Persistent Appreciation and Overshooting: A Normative Analysis. (MIT and NBER)
- ↑ Short Term Capital Flows, by Dani Rodrik, Andres Velasco, 1999 NBER
- ↑ a b Capital Inflows: The Role of Controls, IMF Staff Position Note, February 19, 2010
- ↑ Turkey surprises with interest rate cut, by Delphine Strauss, Financial Times, December 16, 2010
- ↑ Simsek Says $8 Billion ‘Hot Money’ Left Turkey, by Steve Bryant, Bloomberg News, Feb 14, 2011
- ↑ China enhances efforts to curb hot money inflow, China Daily, November 09, 2011
- ↑ Controls on Short-Term Capital Inflows - The Latin American Experience and Lessons For DMCs, by Pradumna B. Rana. Asian Development Bank, Economics and Development Resource Center Briefing Notes, 1998
- ↑ Capital Inflows: Macroeconomic Implications and Policy Responses, by Roberto Cardarelli, Selim Elekdag, M. Ayhan Kose, IMF Wroking Paper, March 2009
- ↑ Capital Flows in the APEC Region (book), edited by Mohsin S. Khan, Carmen M. Reinhart. International Monetary Fund, March 1995
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