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Hyaluronsäure (nach neuerer Nomenklatur: Hyaluronan, Abkürzung HA) ist ein Glykosaminoglykan, das einen wichtigen Bestandteil des Bindegewebes darstellt und auch eine Rolle bei der Zellproliferation, Zellmigration und Tumorentstehung spielt.
Inhaltsverzeichnis
Funktionen
Hyaluronsäure ist ein Bestandteil der extrazellulären Matrix (EZM) von Wirbeltieren. Es liegt in vielerlei Geweben als langkettiges, lineares Polysaccharid vor und erfüllt viele Funktionen, wobei die zahlreichen verschiedenen chemisch-physikalischen Eigenschaften dieser Verbindung eine Rolle spielen. Nicht selten erreichen die einzelnen Ketten eine molare Masse von mehreren Millionen atomaren Masseneinheiten.
Mechanische Funktionen
Wasserspeicherung
Die Hyaluronsäure besitzt die Fähigkeit, relativ zu ihrer Masse sehr große Mengen an Wasser zu binden (bis zu sechs Liter Wasser pro Gramm). Der Glaskörper des Auges z.B. besteht zu 98 % aus Wasser, das an nur 2 % Hyaluronsäure gebunden ist.
Druckbeständigkeit
Wasser ist nicht komprimierbar und gibt diese Eigenschaft auch an hyaluronsäurehaltiges Gewebe weiter, in dem wie oben erwähnt sehr viel Wasser gebunden werden kann. Dies gilt allgemein für große Teile des Bindegewebes. Eine besondere Bedeutung hat diese Tatsache während der Embryonalentwicklung, wenn feste Strukturen noch nicht entwickelt sind. Ein weiteres bekanntes Beispiel ist der Nucleus pulposus, der Gallertkern der Bandscheiben, der so große Teile des Körpergewichts tragen kann.
Schmiermittel
Die Hyaluronsäure ist Hauptbestandteil der Synovia (Gelenkflüssigkeit) und wirkt als Schmiermittel bei allen Gelenkbewegungen. Sie zeichnet sich hier zusätzlich durch strukturviskose Eigenschaften aus: Ihre Viskosität verändert sich mit einwirkenden mechanischen Kräften, genauer nimmt die Viskosität ab, je stärker die Scherkräfte werden. Zudem ist sie zwar flüssig, aber durch ihre hochmolekulare Gestalt viskos genug, dass sie nicht wie Wasser aus dem Gelenk herausgepresst wird. Zudem "haftet" sie durch chemische Wechselwirkungen und die äußere Form besonders gut am Knorpel des Gelenks.
Wirken nun im Anfang einer Bewegung, zum Beispiel im Kniegelenk bei Absprung oder beim Stehen, starke Druckkräfte auf ein Gelenk, knäulen sich die Moleküle zu Kugeln zusammen und hängen wie in einem Kugellager an der Knorpeloberfläche. Wenn aber eine schnelle Scherbewegung nötig ist, so zum Beispiel beim Lauf, wird die Zähigkeit der Hyaluronsäure wegen ihrer Strukturviskosität herabgesetzt und die Reibung verringert.
Freihalten von Wegen
Für wandernde Zellen hält die Hyaluronsäure die „Verkehrswege“ frei. Durch Erweiterung der Zellzwischenräume (Abstände zwischen den Zellen) wird die Migration (Wanderung) der Zellen unterstützt.
Biochemische Funktion
Während sich die bisher genannten Funktionen auf frei vorliegende Hyaluronsäure beziehen, ist sie auch an der Bildung weiterer, noch größerer Riesenmoleküle beteiligt, den Proteoglykanen. Insbesondere verknüpft sie bestimmte Proteoglykane (Aggrecan im hyalinen Knorpel) zu riesigen Proteoglykan-Aggregaten.
Interaktion mit Rezeptoren
Eine Reihe von Zelloberflächenrezeptoren interagieren mit Hyaluronsäure und lösen bestimmte Reaktionen der Zelle aus, vor allem die Proliferation und die Wanderung. In der Embryonalentwicklung sind diese Stimulationen notwendig, bei Kontakt mit Tumorzellen können sie allerdings auch entsprechend für den Organismus nachteilige Auswirkungen haben.
Chemischer Aufbau
Die Hyaluronsäure ist eine makromolekulare Kette aus Disacchariden, die wiederum aus je zwei Glukosederivaten bestehen: D-Glucuronsäure und N-Acetyl-D-glucosamin. Beide unterscheiden von der β-D-Glucose nur durch eine Substitution am 6. bzw. am 2. Kohlenstoff. Im Disaccharid wird die Glucuronsäure glykosidisch β(1→3) an das N-Acetylglucosamin geknüpft, das wiederum mit der nächsten Glucuronsäure in der polymeren Kette β(1→4) verbunden ist. Eine Kette besteht typischerweise aus 250 bis 50.000 Disaccharideinheiten.
In neutraler wässriger Lösung bilden sich Wasserstoffbrückenbindungen hauptsächlich mit den Carboxyl- und den N-Acetylgruppen.
Biosynthese
Im Gegensatz zu allen anderen Glykosaminoglykanen wird die Hyaluronsäure nicht im endoplasmatischen Retikulum oder Golgi-Apparat zusammengesetzt, sondern von integralen Membranproteinen. Von diesen HA-Synthasen besitzen Wirbeltiere drei Typen, HAS1, HAS2 und HAS3. Diese Enzyme hängen in der Zelle immer neue Monosaccharidbausteine an die Kette an, die so immer länger wird und durch ABC-Transporter durch die Membran aus der Zelle heraus transportiert wird.
Einsatz in der Humanmedizin
Medizinisch verwendet wird das Natrium-Salz der Hyaluronsäure (Natriumhyaluronat). Hyaluronsäure wird aus tierischem Ausgangsmaterial (z. B. Hahnenkamm) oder biotechnologisch aus Streptokokken-Kulturen gewonnen. Eine spezielle Modifikation stellen stabilisierte Hyaluronsäuren - beispielsweise mittels der sogenannten NASHA-Technologie (NASHA steht für „Nicht animalische stabilisierte Hyaluronsäure“) - dar, die je nach Hersteller zwischen weniger als 1 % und bis zu ca. 20–30 % verändert werden. Für die Haltbarkeit der Produkte spielt der Prozentsatz der Stabilisierung keine große Rolle, wichtig ist die Art der Stabilisierung. Bei aus Hahnenkämmen gewonnenen Hyaluronsäureprodukten kann es zu allergischen Reaktionen kommen, wenn eine Allergie gegen Vogelproteine besteht.
Hyaluronsäurepräparate werden in arthrosegeschädigte Gelenke gespritzt, um das Gelenk zu schmieren und als „Stoßdämpfer“ zu wirken (sogenannte Viscosupplementation). Die Halbwertszeit von Hyaluronsäure-Produkten liegt bei maximal 1,5 Tagen.[1]
Sie wirken vergleichbar wie NSAR-Einnahme oder Cortison-Injektionen, jedoch war die Wirksamkeit in verschiedenen Studien unterschiedlich[2], oft war die Nutzen-Schaden-Bilanz negativ[3]. Ein therapeutischer Stellenwert bei Arthrose ist nach dem Stand der Metaanalyse 2003/04 nicht belegt[4].
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Behandlungskosten in der Regel nicht.
Einige Nasensprays gegen Schnupfen enthalten Hyaluronsäure, um der Austrocknung der Nasenschleimhäute vorzubeugen.
Auch in Augentropfen zur Behandlung des „trockenen Auges“ findet die Hyaluronsäure Verwendung. Die viskoelastische Eigenschaft der Hyaluronsäure sorgt für einen stabilen und langanhaltenden Tränenfilm ohne Beeinträchtigung des Sehens. Daher wird Hyaluron auch in Reinigungs- und Pflegelösungen für Kontaktlinsen verwendet. Sie soll das Auge auch beim längeren Tragen formstabiler und weicher Linsen vor dem Austrocknen bewahren, was den Tragekomfort erhöhen soll. In der Ophthalmochirurgie werden viskoelastische Natriumhyaluronat-Lösungen zur Auffüllung des Glaskörpers verwendet.
Seit einigen Jahren sind Produkte auf dem Markt, die Patientinnen mit Belastungsharninkontinenz eine Behandlung mit stabilisierter Hyaluronsäure ermöglicht. Hier werden vier Hyaluronsäure-Depots um die Harnröhre injiziert. Der Eingriff erfolgt in der Regel unter örtlicher Betäubung. Männliche Inkontinenz-Patienten (z. B. nach radikaler Prostatektomie) können auch behandelt werden.
Für Kinder mit vesikorenalem Reflux (VUR) sind schon seit längerem Präparate auf Basis stabilisierter Hyaluronsäure auf dem Markt, die eine gute Alternative zur medikamentösen Langzeittherapie abgeben. Die Ergebnisse hier sind vielversprechend.
Hyaluronan wird auch als Nahrungsergänzungsmittel oder ergänzend bilanzierte Diät angeboten. Bei einem japanischen Verfahren (Injuv®) werden die Molekülketten aufgespalten, um leichter absorbierbar zu sein.[5]
Einsatz in der ästhetischen Medizin
Hyaluronsäurepräparate werden auch zur Faltenunterspritzung, zum Modellieren der Lippen (Vergrößerung, „aufspritzen“), zur Hautauffrischung oder auch zum Aufbau von Gesichtskonturen verwendet. Je nach Stabilisierung der Hyaluronsäure bleibt der so gewonnene Effekt 6–12 Monate erhalten. Für die verschiedenen Anwendungen gibt es Präparate mit speziell angepassten Gelpartikelgrößen auf dem Markt.
Neu sind Präparate basierend auf nicht animalischer, stabilisierter Hyaluronsäure (NASHA), die speziell für die Behandlung von Körperdeformationen entwickelt wurden. So können damit die Rundungen des Gesäßes geformt oder den Waden neue Konturen verliehen werden. Auch können Unebenheiten in Hautoberflächen oder eingesunkene Narben ausgeglichen werden, wie sie beispielsweise nach einer Fettabsaugung (Liposuktion) oder Operation auftreten können. Das eingesetzte Hyaluronsäure-Gel kann sehr große Volumina auffüllen. Erste Behandlungsergebnisse weisen auf eine Haltbarkeit von einigen Jahren hin.
Bei einem anderen Verfahren werden die HA-Moleküle mit UV-Licht aufgebrochen, in die Haut einmassiert, und anschließend mit einem Infrarot-Kaltlicht-Flächenlaser behandelt, wodurch die einmassierten Hyaluronsäurebruchstücke in der Haut angeblich wieder zu Makromolekülen reagieren sollen und die Wirkung auf mehrere Wochen verlängert werden soll. Einen medizinischen und chemischen Nachweis für dieses Verfahren gibt es bisher nicht. Die Wirkung des Laserlichts auf die Hyaluronsäure ist nicht belegt. Bedenklicher ist ein ähnliches Verfahren mit enzymatisch gespaltenem HA-Molekül, da hier Stabilisatoren und Konservierungsmittel beigefügt sind.
Bei Produkten auf Basis nicht-animalischer (aus Bakterien) gewonnener Hyaluronsäure sind keine Tests vorab notwendig, da sie keine tierischen Eiweiße enthält und daher allergische Reaktionen ausgeschlossen sind. Bei Produkten auf Basis von aus Hahnenkämmen gewonnener Hyaluronsäure können jedoch allergische Reaktionen auftreten.
Ebenfalls ist diese Säure in speziellen Antifaltencremes oder Hyaluron-Serum enthalten, die der äußerlichen Behandlung dienen. Hier dringt die Hyaluronsäure in die oberen Schichten der interzellulären Hautmatrix ein. Durch das Wasserbindungsvermögen tritt eine Quellwirkung ein, welche temporär die Faltentiefe reduzieren kann. Die Wirkung ist stärker bei jüngerer, dünnerer Haut und Lippen.
Einzelnachweise
- ↑ Arznei-Telegramm 2002, Nr. 4
- ↑ Bellamy N, Campbell J, Robinson V, Gee T, Bourne R, Wells G. Viscosupplementation for the treatment of osteoarthritis of the knee. Cochrane Database of Systematic Reviews 2006, Issue 2. Art. No.:CD005321. doi:10.1002/14651858.CD005321.pub2 PMID 16625635
- ↑ Arznei-Telegramm 2002, Nr. 4, Fazit
- ↑ Arznei-Telegramm 1/2004
- ↑ [1]
Weblinks
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