Rheinromantik

Rheinromantik
Burg Rheinstein bei Trechtingshausen war die erste, die im 19. Jahrhundert wieder aufgebaut wurde
Schloss Stolzenfels, das herausragendste Werk der Rheinromantik
Wernerkapelle zu Bacharach

Die Rheinromantik war die zeitgemäße Umsetzung der landschaftlichen Gegebenheiten sowie der sagenumwobenen Geschichte des Rheintals in der kulturgeschichtlichen Epoche der Romantik, die vom Ende des 18. bis ins späte 19. Jahrhundert andauerte und in allen Kunstgattungen Ausdruck fand.

Inhaltsverzeichnis

Schlegels Reisenotizen als wesentlicher Beitrag

Als Reaktion auf die beginnende Industrialisierung mit ihren negativ empfundenen Begleiterscheinungen wandten sich anfänglich vor allem Literaten und Künstler der Natur und der Vergangenheit zu. Friedrich Schlegel beschreibt den Eindruck von seiner Rheinfahrt im Jahr 1806: „Für mich sind nur die Gegenden schön, welche man gewöhnlich rauh und wild nennt; denn nur diese sind erhaben, nur erhabene Gegenden können schön sein, nur diese erregen den Gedanken der Natur. [...] Nichts aber vermag den Eindruck so zu verschönern und zu verstärken als die Spuren menschlicher Kühnheit an den Ruinen der Natur, kühne Burgen auf wilden Felsen – Denkmale der menschlichen Heldenzeit, sich anschließend an jene höheren aus den Heldenzeiten der Natur.“[1]

Lord Byron machte die Rheinlandschaft mit seiner Verserzählung Childe Harold's Pilgrimage von 1818 in England enorm populär. Die deutsche Dichterin Adelheid von Stolterfoth schuf zahlreiche Rheindichtungen. In der bildenden Kunst sorgte William Turner durch seine auf mehreren Reisen entstandenen Bilder vor allem bei Engländern für Aufmerksamkeit. Die populärsten romantischen Rheinansichten, die in Reproduktionen unterschiedlichen Formats, darunter auch als Postkarten verbreitet waren, stammen von Nikolai von Astudin.

Vom Zwischenstop zur touristischen Adresse

Das Mittelrheintal wurde Ende des 18. Jahrhunderts von Reisenden wie dem Italiener Aurelio de' Giorgi Bertola (erste Reisebeschreibung im romantischen Stil) 1795 und dem Engländer John Gardnor (Radierungen) jeweils im Jahr 1787 bereist. 1802 bereisten Clemens Brentano und Achim von Arnim das Tal, das sich von der Durchreiseregion auf der klassischen Bildungsreise nach Italien zur touristischen Adresse ersten Ranges entwickelte.

Nach der Schweiz mit ihren rauen Alpentälern wurde das felsige Obere Mittelrheintal mit seinen vielen Burgruinen zum touristischen „Muss". Viele Fürsten und reiche Privatleute begannen mit dem Wiederaufbau der Burgen. Allen voran das preußische Königshaus, das gleich an mehreren Orten tätig war. Als herausragendstes Werk der Rheinromantik gilt das von König Friedrich Wilhelm IV. errichtete Schloss Stolzenfels bei Koblenz. Sogar bei absoluten Profanbauten wie Tunnelzugängen wurde im Zuge der Romantik neugotisch oder neuromanisch gebaut.

Populäre Druckgrafik

Interessanterweise wurde das populäre Bild vom romantischen Rhein in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht von der Malerei, sondern fast ausschließlich von der Druckgrafik geprägt. Aquatinten, Lithografien und Stiche illustrierten die Reisebeschreibungen oder wurden als Ansichtenfolgen herausgegeben. Zwischen 1820 und 1830 kamen mindestens 12 Veröffentlichungen mit eigenständigen neuen Ansichten heraus. Die Engländer waren führend auf dem Gebiet des 1826 in London patentierten Stahlstichverfahrens, das die Kupferstichtechnik ablöste und präzise Darstellungen und hohe Auflagen ermöglichte. Die besten Vorlagen lieferte zu der Zeit William Tombleson, und 50 Stecher setzten sie in den 1832 erstmals erschienenen "Views of the Rhine" in 68 Mittelrhein-Darstellungen um.

Ein Jahr darauf erschienen die "Traveling Sketches" von Clarkson Stanfield. Der Stahlstich mit dem Blick auf Bingen und das Rhein-Nahe-Eck von der anderen Seite des Rheins stammt aus dieser Publikation. Gekonnt verstärkt der englische Künstler mit Hilfe der im Gegenlicht erscheinenden Basilika sowie der spiegelnden Wasseroberfläche die Wirkung der Stadtansicht. Die geografische Wirklichkeit wurde dabei jedoch weitgehend auf dem Altar der Rheinromantik geopfert. Der Betrachter blickt nämlich genau nach Süden, und die tiefstehende Sonne bzw. einen Sonnenuntergang wird man in dieser Richtung wohl kaum erwarten dürfen. Trotzdem zählt diese reizvolle Ansicht zu den bekanntesten und meistkopierten Binger Veduten des gesamten 19. Jahrhunderts.

Zu den künstlerisch und technisch besonders anspruchsvollen Publikationen dieser Zeit gehört die von dem Schweizer Verleger und Maler Johann Ludwig Bleuler um 1827 herausgegebene druckgrafische, den gesamten Rheinlauf wiedergebende Vedutenfolge. Bleulers Hauptwerk, „Voyage pittoresque aux bords du Rhin et de la Suisse“, erschien um 1845. Beachtenswert sind ebenfalls die Publikationen von Karl Baedeker mit Rheinansichten von Rudolf Bodmer und Christian Meichelt.

Seit 2002 ist das Obere Mittelrheintal zum UNESCO-Welterbe ernannt worden.

Literatur

  • Bertola de' Giorgi, Aurelio: Viaggio sul Reno e ne' suoi contorni. Rimini, Albertini, 1795.
  • Carl Trog: Rheinlands Wunderhorn. Sagen Geschichten und Legenden, auch Ränke und Schwänke aus den alten Ritterburgen, Klöstern und Städten der Rheinufer und des Rheingebietes, von den Quellen bis zur Mündung des Stromes. Dem deutschen Volke gewidmet von Carl Trog. 15 Bde. Alfred Silbermann, Essen u. Leipzig 1882-83. Mikado, Atzbach 1980 (Reprint). ISBN 3-8124-0011-1 (Bd 1)
  • Michael Schmitt: Die illustrierten Rhein-Beschreibungen. Dokumentation der Werke und Ansichten von der Romantik bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Köln 1996. ISBN 3-412-15695-7
  • Hans Joachim Bodenbach: Christian Meichelt, Kupferstecher und Maler in Basel, Lehrer in Lörrach,- tätig auch für den Koblenzer Verlag Karl Bädeker (Baedeker), in: Badische Heimat, 4/2000, Freiburg i.Br. 2000, S.700-713. 7 Abb. ISSN 0930-7001, Herausgeber: Landesverein Badische Heimat e.V. Freiburg.
  • Hans Joachim Bodenbach: VUES DU BORDS DU RHIN. Ein Rheinalbum des frühen 19. Jahrhunderts mit Aquatinta-Stichen aus den Koblenzer Verlagen Fr. Röhling und K. Bädeker (Baedeker) in einem Band. - Die bei Röhling verlegten Ansichten. In: Bonner Geschichtsblätter, Band 49/50, Bonn 1999/2000 (2001), S. 285 - 304, mit 20 Abb. / davon 17 [im Original altkolorierte] Aquatinta-Stiche von Rudolf Bodmer. Bonn 2001
  • Karsten Keune (Hrsg.): Der Rhein - Strom der Romantik, Gemälde aus der Sammlung RheinRomantik, 174 Farbabbildungen, Bonn 2011, ISBN 978-3-86568-733-3.
  • Hans Joachim Bodenbach: 200 Jahre Rheinromantik - VUES DU BORDS DU RHIN - Rheinansichten aus dem Verlag Karl Bädeker (Baedeker) in Koblenz, in: Beiträge zur Rheinkunde (Rhein-Museum Koblenz), Heft 54/2002, Koblenz 2002, S. 26-55, 30 Abb.
  • Matthias Schmandt: Rheinromantik, Begleitpublikation zur Ausstellung im Historischen Museum am Strom - Hildegard von Bingen. Binger Museumshefte. Bd 2. Bad Kreuznach 2002. ISSN 1617-0415
  • Helga Arend: Konkurrierende Frauenbilder in den Rheinsagen. In: Rheinreise 2002. Romantik, Reisen, Realitäten. Frauenleben am Rhein. Hrsg. von Bettina Bab und Marianne Pitzen. Edition Lempertz, Bonn 2002, S. 70-75. ISBN 3-933070-29-5
  • Alexander Thon: Zwischen Kunst und Kommerz, Irene Haberland - rezensionen.ch. ISBN 978-7788778871 [1]
  • Klaus-Peter Hausberg: "Rheinische Sagen & Geschichten". Das Begleitbuch zum Rheinischen Sagenweg mit den bekanntesten und schönsten Sagen und Geschichten von Rhein, Mosel, Lahn und Nahe. Ergänzt durch touristische Informationen. J.P. Bachem Verlag, Köln 2005. ISBN 978-3-7616-1986-5
  • Der Rhein. Ein literarischer Reiseführer. Hrsg. v. Gertrude Cepl-Kaufmann, Hella S. Lange. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006. ISBN 978-3-534-18919-9
  • Karsten Keune (Hrsg.): Sehnsucht Rhein. Rheinlandschaften in der Malerei. Mit Beiträgen von Irene Haberland und Elmar Scheuren. Bouvier Verlag, Bonn 2007. ISBN 3-416-03096-6
  • Elisabeth Mick: "Mit der Maus auf Rheinreise - 2000 Jahre Geschichte von Düsseldorf bis Mainz". J.P. Bachem Verlag, Köln 2007. ISBN 978-3-7616-2069-4
  • Der Rhein - Strom der Romantik. Gemälde aus der Sammlung RheinRomantik. Hrsg. von Karsten Keune. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2011. ISBN 978-3-86568-733-3

Weblinks

 Commons: William Tombleson – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. in: Ernst Behler: Friedrich Schlegel in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 5. Auflage. Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek bei Hamburg 1988, ISBN 3-499-50123-6, S. 100f.

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