Rhonegletscher

Rhonegletscher
Rhonegletscher 2008

Der Rhonegletscher (teilweise auch Rottengletscher genannt) ist ein Talgletscher im Quellgebiet der Rhone, im äussersten Nordosten des Kantons Wallis, in den Zentralalpen der Schweiz. Er ist knapp 10 km lang, weist eine durchschnittliche Breite von etwas mehr als einem 1 km auf und bedeckt eine Fläche von 17 km². Der Rhonegletscher war vor allem im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts aufgrund seiner damals noch weit ins Tal bei Gletsch hinunter reichenden Zunge eine grosse Touristenattraktion. Der Rhonegletscher schmilzt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts kontinuierlich. Experten gehen davon aus, dass er bis ins Jahr 2100 beinahe vollständig verschwunden sein wird.[1]

Inhaltsverzeichnis

Lage

Luftbild vom Rhonegletscher im September 2011

Der Rhonegletscher entsteht am verhältnismässig flachen Südwesthang des Winterbergmassivs am Dammastock auf rund 3'600 m ü. M. Auf den ersten 2,5 km trägt das Eisfeld den Namen Eggfirn und überwindet eine Höhendifferenz von etwa 600 m. Auf 3'080 m ist der Gletscher durch die firnbedeckte Untere Triftlücke mit dem nördlich angrenzenden Triftgletscher verbunden. Der Rhonegletscher fliesst nun mit leichten Windungen und einem Gefälle von durchschnittlich 14 % nach Süden, flankiert vom Tieralplistock (3'383 m) und den Gärstenhörnern (3'189 m) im Westen sowie vom Galenstock (3'586 m) im Osten. Die Gletscherzunge befindet sich derzeit auf 2'250 m oberhalb eines steilen Felshangs. Hier entspringt die Rhone. Aufgrund des stetigen Rückzugs des Gletschers begann sich in den Jahren 2006/2007 hinter der Schwelle des Steilhangs ein kleiner See zu bilden. Dieser Gletscherzungensee wird sich bei weiterem Abschmelzen des Rhonegletschers noch deutlich vergrößern.

Ausdehnung im 19. Jahrhundert

Während des Hochstadiums der Kleinen Eiszeit im 19. Jahrhundert und noch bis zum Anfang des 20. Jahrhundert reichte der Rhonegletscher über den Steilhang unterhalb der heutigen Zunge hinunter bis in die Talebene von Gletsch auf rund 1'800 m, und zwar zeitweise bis kurz vor die Hotels von Gletsch. Die maximale Ausdehnung im Jahre 1856 ist noch heute gut zu erkennen anhand der glattgeschliffenen kahlen Felsen sowie des abgelagerten Moränenmaterials.

Erschliessung

Weil der Rhonegletscher an der Furkapassstrasse liegt, einer klassischen Reiseroute durch die Schweizer Alpen, ist er der am leichtesten zugängliche Gletscher der Schweiz. Vom Hotel Belvédère an der Passstrasse ist die Gletscherzunge durch einen wenige 100 m langen kostenpflichtigen Fussweg erschlossen. Hier kann man eine Eisgrotte besuchen. Im Tal von Gletsch kennzeichnen etwa 1,5 m hohe pyramidenförmige Säulen mit Jahreszahlen (ab 1815) den Gletscherschwund im 19. Jahrhundert.

Wissenschaftliche Untersuchungen

Längenveränderung des Rhonegletschers seit 1880. Die dicke grüne Linie stellt die absolute und die dünne rote die jährliche Veränderung dar

Der Rhonegletscher ist einer der am besten erforschten Gletscher; mit ersten geodätischen Messungen begann man 1874. Seither existiert eine fast durchgehende Beobachtungsreihe, sowohl Längen- als auch Eisdickenänderungen wurden systematisch erfasst. Auch die Fliessgeschwindigkeiten und die Fliessrichtungen in den verschiedenen Abschnitten des Gletschers wurden untersucht. Ein Ergebnis der frühen Gletscheruntersuchungen ist das 1916 erschienene Buch Vermessungen am Rhonegletscher 1874-1915 von P.L. Mercanton, ein Standardwerk der Gletscherkunde. Im Durchschnitt hat sich der Rhonegletscher seit 1874 jährlich um 8,5 m zurückgezogen und dabei ebenfalls jährlich etwa 25 cm an Eisdicke eingebüsst.

Im Rahmen einer Projektstudie des Geographischen Instituts der Johannes Gutenberg Universität Mainz, wurde im August 2008 ein Testwindfang errichtet, mit dem folgende These untersucht werden sollte: Bei Strahlungswetterlagen fließen sog. katabatische Fallwinde (kalte Fallwinde) über das Gletschereis talabwärts. Wenn es mit einem Windfang gelingen würde, diese kalten Fallwinde aufzustauen, müsste ein Kaltluftpolster entstehen, welches die Gletscheroberfläche abkühlen soll. Die Projektstudie konnte von dem Forscherteam um den physischen Geographen Prof. Dr. Hans-Joachim Fuchs als Erfolg verzeichnet werden. Der Windfang erzielte die Kühlwirkung. Über sechs Tage lang sammelten elf Messstationen um den Windfang herum rund 100.000 Einzelmesswerte. Diese belegen eine maximale Kühlwirkung des Windfanges von 3 °C. Im Bereich des Windfanges wurde ein Kaltluftpolster erzeugt.[2]

Der eiszeitliche Rhonegletscher

Während der Eiszeiten erreichte der Rhonegletscher zusammen mit seinen Seitengletschern jeweils die grösste Eismasse aller alpinen Gletscher. Er füllte das gesamte Walliser Rhonetal mit einer bis zu 2000 m mächtigen Eismasse und vereinigte sich mit den Gletschern aus den Berner und Walliser Alpen. Im Bereich des Genfersees teilte er sich in zwei Arme, von denen der eine weiter rhonetalabwärts bis in die Gegend östlich von Lyon reichte. Der andere Arm dehnte sich nach Nordosten aus, wobei er das ganze westliche Mittelland mit Eis bedeckte und sich in der Region Bern mit dem Aaregletscher vereinigte. Während der Hochstadien der Riss- und Würmeiszeit wurde zum Teil auch die dem Schweizer Mittelland am nächsten gelegene Jurakette im Bereich des Mont Tendre vom Eis des Rhonegletschers überdeckt. In der Würmeiszeit stiess der Rhonegletscher bis in die Gegend von Wangen an der Aare zwischen Solothurn und Olten vor, was durch Überreste einstiger Moränen bezeugt wird. Findlinge bestehend aus Granit oder Gneis der Walliser Alpen sind im westlichen Mittelland verbreitet anzutreffen. Einige haben derart grosse Ausmasse, dass ein Transport allein durch Wasserkraft physikalisch nicht möglich ist. Sie konnten nur durch einen Gletscher transportiert werden und lieferten einen der Schlüssel für die Begründung der Eiszeittheorie (u.a. durch Louis Agassiz).

Blick auf den Rhonegletscher im Jahr 2007

Weblinks

 Commons: Rhonegletscher – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. TagesAnzeiger: In 90 Jahren ist der Rhonegletscher fort
  2. Projektstudie 2008: Auswirkungen des Klimawandels an den Schweizer Alpengletschern - Windfang am Rhône-Gletscher
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