Rote Erde (Westfalen)

Rote Erde (Westfalen)

Rote Erde oder rothe Erde ist eine seit dem Mittelalter belegte Bezeichnung für die historische Landschaft Westfalen.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft des Begriffs

Bereits eine Urkunde von 1404 über die Bestellung von Freischöffen bestimmt: „Er möge noch solle ... gemacht werden auff der roten erden, das ist zu Westphalen[1]. Nach einer älteren Theorie des 19. Jh. hängt die Ausdrucksweise „auf der roten Erde“ mit dem Blutbann zusammen und meint blutgetränkte Erde[2]. Das Gericht über Leben und Tod wurde in Westfalen noch lange vom Femegericht an einem „Freistuhl“ ausgeübt; der angesehenste Freistuhl befand sich in Dortmund.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Ausdruck rote oder rothe Erde etymologisch mit gerodeter Erde zusammenhängt; im Westfälischen wird das Partizip Perfekt ohne das Morphemge-“ gebildet.

Flurbezeichnung

Die Flur- oder Straßenbezeichnung Rot(h)e Erde gibt es in vielen Orten im Umfeld Westfalens (Bielefeld, Dülmen, Lengerich, Medebach, Münster, Neuenkirchen Krs. Steinfurt, Oelde, Steinhagen, Preußisch Oldendorf, Bad Salzuflen, Vlotho, Bad Wildungen), aber - z.B. aufgrund tatsächlicher roter Bodenfärbung - auch darüber hinaus (Althengstett, Ebsdorfergrund, Göttingen, Großmonra, Kobern-Gondorf, Marienrachdorf, Mechernich, Mörlen, Nörvenich, Pegnitz, Reinheim, Stolberg, Tirschenreuth).

Mentalitätsgeschichlicher Wandel des Begriffs

In der Arbeiterbewegung des Ruhrgebietes wurde „rote Erde“ mentalitätsgeschichlich umgedeutet und in Aufnahme der Blut- und Kampfmetaphorik zunehmend als Hinweis auf eine sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische Prägung der Region verstanden (vgl. die TV-Serie Rote Erde). Außerdem bedeutet rote Erde einen hohen Eisen-Anteil und verweist auf die Eisen- und Stahlindustrie. Eine starke Unterstützung erfuhr die Verbreitung des Begriffs in Dortmund offensichtlich auch dadurch, dass die Bezeichnung aus dem Aachener Industrieviertel Rothe Erde vermutlich 1861 von dem Kölner Unternehmer Carl Ruëtz (1822-1881) durch seine „Kommanditgesellschaft auf Aktien Carl Ruetz & Co. Zur Rothen Erde“ (heute Rothe Erde GmbH) nach Dortmund übertragen wurde.

Viele Vereine oder Siedlungsbezeichungen in Westfalen, besonders im östlichen Ruhrgebiet, nahmen den Namen Rote Erde auf. Bekannt sind etwa das Stadion „Kampfbahn Rothe Erde“ von 1926 an der Strobelallee in Dortmund oder das Wohngebiet Rote Erde im Westen der Stadt Beckum. Auch in der DDR wurden einige Sporteinrichtungen Rote Erde benannt, u.a. in Meerane (1946-1957), Neustadt (Orla) oder Rostock.

Die NSDAP versuchte mit dem Namen ihrer Parteizeitung für den Gau Westfalen-SüdWestfälische Landeszeitung – Rote Erde“, dem übernommenen und enteigneten General-Anzeiger für Dortmund, an die Tradition der Roten Erde anzuknüpfen.

Sportvereine „Rot(h)e Erde

Andere Vereinigungen „Rote Erde

  • Männergesangverein (MGV) Höchsten Rote Erde 1909/1873, gegründet 1873 in Berghofermark
  • Schaustellerverein Rote Erde e.V. (Dortmund), gegründet 1897 als Verein „Rote Erde“ für Markt-, Messreisende und Berufsgenossen von Westfalen (Weblink zur Vereins-Homepage)
  • Motorsportclub (MSC) Rote Erde Dortmund e.V. [Lederclub], gegründet 1990
  • Johannis-Freimaurerloge „Eiche auf roter Erde“ Herne e. V., gegründet 1920 (Weblink zur Vereins-Homepage)
  • Brieftauben-Reisevereinigung "Rote Erde" e.V. Kamen
  • Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft Rote Erde GmbH Münster, gegründet 1916
  • Rassetaubenzuchtverein (RTZV) Rote Erde e.V. Sitz Unna, gegründet 1952 (Weblink zur Vereins-Homepage)
  • Künstlerwerkstatt Rote Erde e.V. (Steinhagen) (Weblink zur Vereins-Homepage)

Zitat

„Behüt' dich Gott, du rote Erde, du Land von Wittekind und Teut.“

Emil Rittershaus, Westfalenlied von 1869, Strophe 4

Einzelnachweise

  1. Christian Gottlob Haltaus: Glossarium Germanicum medii aevi, Leipzig 1758 (Ndr. Hildesheim u. a. 1973), Sp. 1558; zitiert nach: Christiane Wanzeck, Zur Etymologie Lexikalisierter Farbwortverbindungen (diss. phil. München 1996), Amsterdam 2003, S. 63. Nach anderen Autoren datiert der erste Beleg von 1490.
  2. Vgl. Carl Georg von Wächter: Beiträge zur deutschen Geschichte, insbesondere zur Geschichte des deutschen Strafrechts, Tübingen 1845, S. 178f.

Weblinks

Literatur

  • Jacob Grimm: Deutsche Rechtsalterthümer, 4., verm. Ausg. besorgt durch Andreas Heusler, Bd. 2, Leipzig 1899, S. 457f.
  • Michael Käding: Rot(h)e Erden, in: Rohstoffbasis und Absatzmarkt. Die Schwerindustrie des Großherzogtums Luxemburg und das Aachener Revier (= Aachener Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2), Aachen 2005, S. 13-20.

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