Sauerstofftoxikose

Sauerstofftoxikose
Klassifikation nach ICD-10
T41.5 Toxische Wirkung sonstiger näher bezeichneter Gase etc.
ICD-10 online (WHO-Version 2011)
Paul Bert, Erstbeschreiber der Sauerstofftoxikose im Jahr 1878

Unter einer Sauerstoffvergiftung (Sauerstofftoxikose) versteht man die schädigende Wirkung hoher Sauerstoffkonzentration in der Atemluft auf den Körper. Diese treten vor allem unter erhöhtem Druck ein, aber auch über längere Zeit bei normalem Druck, wenn der Teildruck (Partialdruck) des Sauerstoffs durch die Abwesenheit anderer Gase erhöht ist.

Inhaltsverzeichnis

Ursache

Die Erkrankung tritt vor allem im Rahmen einer intensivmedizinischen Überdruckbeatmung oder auch beim Gerätetauchen unter Verwendung von mit Sauerstoff angereicherter Luft (Nitrox) oder einer Tauchtiefe ab 67m bei einem Luftdruck von circa 1 bar und einem Partialdruck zwischen 1,4 bar bis 1,6 bar auf. Die hierbei freiwerdenden Sauerstoffradikale führen nach Erschöpfung der Antioxidationssysteme zur Symptomatik an zentralem Nervensystem, Lunge und Auge.

In der Raumfahrt wurde und wird teilweise reine Sauerstoffatmosphäre verwendet (Gemini-Programm, Apollo-Programm, Außenbordeinsatz), allerdings unter vermindertem Druck von nicht mehr als etwa 0,3 bar (30 kPa). Darüber beginnt die toxische Wirkung bei chronischer Anwendung.[1] Der normale Luftdruck liegt bei etwa 1 bar (100 kPa) und der Sauerstoff-Partialdruck (pO2) bei etwa 0,21 bar (21 kPa).[2]

Klinische Erscheinungen

Zentrales Nervensystem

Atmet man bei funktionierender Lunge ein Gasgemisch mit erhöhtem Sauerstoffanteil, so steigt der arterielle Sauerstoff-Partialdruck (pO2) an. Kurzfristig kommt es hierdurch zu zentralnervösen Symptomen (Paul-Bert-Effekt) wie Tunnelblick, Ohrgeräusche, Übelkeit, Schwindel, Erbrechen, Persönlichkeitsveränderungen, Erregung, Angst, Verwirrtheit, Sauerstoffkrämpfen und Fieber. Diese Problematik sollte im Rahmen moderner intensivmedizinischer Maßnahmen durch regelmäßige Kontrolle des pO2 im Rahmen einer Blutgasanalyse vermeidbar sein. Beim Tauchsport mit Nitrox muss zur Verhinderung der Symptomatik die maximale Tauchtiefe eingehalten werden.

Lunge

Ist bei einer schweren respiratorischen Insuffizienz mit verminderter Sauerstoffaufnahme eine längerfristige Beatmung mit hohem Sauerstoffanteil notwendig, kann es über eine Schädigung der Alveolarmembran zu einem toxischen Lungenödem und chronischer Beatmungslunge kommen (Lorrain-Smith-Effekt). Im Weiteren können bronchopulmonale Dysplasie auftreten.

Augen

Beim unreifen Auge des Frühgeborenen kann es durch unkontrollierte Neubildung von Gefäßen in der Netzhaut zur Retinopathia praematurorum kommen.

Siehe auch

Literatur und Quellen

  • Roche Lexikon Medizin, 5. Auflage; Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag; München/Jena 2003; ISBN 3-437-15072-3; Online-Version Stichwort: Sauerstofftoxikose
  • Pschyrembel Klinisches Wörterbuch - CD-ROM Version 259. Auflage; Walter de Gruyter Verlag; Berlin/New York 2002; ISBN 3-11-016523-6
  • Englische Wikipedia (2009): Oxygen toxicity (englisch) (html). Abgerufen am 17. März 2009. Empfehlenswerter, sehr ausführlicher Artikel.

Einzelnachweise

  1. Webb, James T.; Olson, R.M.; Krutz, R.W.; Dixon, G.; Barnicott, P.T.: Human tolerance to 100% oxygen at 9.5 psia during five daily simulated 8-hour EVA exposures. In: Aviation Space and Environmental Medicine. 60, Nr. 5, 1989, S. 415–21. PMID 2730484.
  2. Clark, John M.; Lambertsen, Christian J. (1970): Pulmonary oxygen tolerance in man and derivation of pulmonary oxygen tolerance curves. Environmental Biomedical Stress Data Center, Institute for Environmental Medicine, University of Pennsylvania Medical Center. Abgerufen am 29. April 2008.
Gesundheitshinweis Bitte den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Sauerstoffvergiftung — Klassifikation nach ICD 10 T41.5 Vergiftung durch therapeutische Gase …   Deutsch Wikipedia

  • CO₂-Narkose — Klassifikation nach ICD 10 T59 Toxische Wirkung sonstiger Gase, Dämpfe oder sonstigen Rauches T59.7 Kohlendioxid …   Deutsch Wikipedia

  • Kohlendioxidnarkose — Klassifikation nach ICD 10 T59 Toxische Wirkung sonstiger Gase, Dämpfe oder sonstigen Rauches T59.7 Kohlendioxid …   Deutsch Wikipedia

  • Lorraine-Smith-Effekt — Der Lorraine Smith Effekt ist eine Schädigung der Lunge, die durch die langzeitliche Einwirkung eines erhöhten Sauerstoff Partialdrucks hervorgerufen wird. Er ist eine Teilform der Sauerstofftoxikose. Beim Tauchen wird die Lunge einem höheren… …   Deutsch Wikipedia

  • Neurotoxischer Effekt — Der Paul Bert Effekt oder auch Neurotoxischer Effekt ist eine Vergiftung des Zentralen Nervensystems (ZNS) beim Atmen von hohen Sauerstoffkonzentrationen z. B. beim Tauchen unter Verwendung von Sauerstoff angereicherter Luft (Nitrox). Er ist eine …   Deutsch Wikipedia

  • Paul-Bert-Effekt — Der Paul Bert Effekt oder auch Neurotoxischer Effekt ist eine reversible Vergiftung des Zentralnervensystems beim Atmen von Atemgasgemischen mit hohem Sauerstoffpartialdruck, beispielsweise beim Tauchen unter Verwendung von reinem Sauerstoff oder …   Deutsch Wikipedia

  • ZNS Vergiftung — Der Paul Bert Effekt oder auch Neurotoxischer Effekt ist eine Vergiftung des Zentralen Nervensystems (ZNS) beim Atmen von hohen Sauerstoffkonzentrationen z. B. beim Tauchen unter Verwendung von Sauerstoff angereicherter Luft (Nitrox). Er ist eine …   Deutsch Wikipedia

  • CO2-Narkose — Klassifikation nach ICD 10 T59 Toxische Wirkung sonstiger Gase, Dämpfe oder sonstigen Rauches T59.7 Kohlenstoffdioxid …   Deutsch Wikipedia

  • Hyperbare Oxygenierung — Druckkammer für die hyperbare Oxygenierung Die hyperbare Oxygenierung (HBO) (Alternativbezeichnungen: hyperbare Sauerstofftherapie, HBO Therapie; englisch: hyperbaric oxygen therapy; HBO2, HBOT) ist eine Therapieform, bei der Sauerstoff (zumeist… …   Deutsch Wikipedia

  • Sauerstoff — Eigenschaften …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”