- Scheidemünze
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Scheidemünzen wurden Münzen zur Zeit des Kurantgeldes - in Deutschland und Österreich bis Anfang August 1914, dem Beginn des 1. Weltkrieges - genannt, deren innerer Münz-Metallwert geringer als ihr gesetzlich aufgeprägter Währungsnominalwert war. Sie stellen - wie Notgeld - Kreditgeld dar. Der Begriff „Scheidemünze“ bedeutete das „Scheiden von Käufer und Verkäufer auf Heller und Pfennig beim Kaufvorgang“. Er bezeichnet somit das geringwertige bis mittlere Wechselgeld. Seit 1915 sind in Deutschland alle geprägten Kursmünzen einschließlich der heutigen Euromünzen „Scheidemünzen“.
Inhaltsverzeichnis
Annahmezwang
Scheidemünzen waren nur in begrenzter Höhe gesetzliche Zahlungsmittel im privaten Zahlungsverkehr. Es galt für diese Münzart ein begrenzter schuldbefreiender Annahmezwang. Staatliche Kassen mussten allerdings Scheidemünzen (meist) unbegrenzt in Friedenszeiten bei Zahlungen an den Staat zurücknehmen. Es galt dabei meist vor 1871 die Vorschrift, dass kein Privater mehr Scheidemünzen als bis zum Betrag der kleinsten Kurantmünze anzunehmen brauchte. Damit es nicht zu abgewerteten Kursen zur Kurantmünze kommen sollte, war vielfach auf Münzen, neben der Aufschrift „Scheidemünze“, auch noch das gesetzliche Verhältnis zur Kurantmünze aufgeprägt. Siehe Bild: „3 Pfenning 120 einen Thaler“.
Silber-Scheidemünzen brauchten in Deutschland von 1871 bis 1914 nur bis zur Höhe von 20 Mark von Privaten in Zahlung genommen zu werden, für Pfennig-Münzen galt in Bronze- bzw. Kupfer-Nickellegierung nur ein Betrag von maximal 1 Mark.
Allerdings waren die bis 1907 noch gültigen Vereinstaler (= 3 Mark) auf Grund ihres Silberwertes bis etwa 1878 ebenfalls praktisch noch „Kurantmünzen“ (Bimetallismus). Danach verfiel der Silberpreis. Trotzdem hielt man formal am Status der „Kurantmünze“, beim Taler bis zu seiner endgültigen Verrufung ab 1. Januar 1910 fest, obwohl er zur „Scheidemünze“ absank. Taler konnten daher auch bis dahin an Stelle von Goldmünzen beim Umwechseln von Scheidegeld oder Banknoten an den von der Reichsbank festgelegten Hauptkassen ausgegeben werden. Viele zeitgenössische Ökonomen bezeichneten daher die deutsche Goldstandardwährung wegen der zu den Goldmünzen parallel umlaufenden ehemaligen Kurant-Silbertaler als eine hinkende Goldwährung.
In der auf offiziellem Bimetallismus beruhenden Lateinischen Münzunion waren die silbernen 5-Frankenstücke neben den Goldmünzen ebenfalls Kurantmünzen, die kleineren Silbermünzen ab 2 Franken wiesen einen relativ geringeren Feingehalt auf und waren daher Scheidemünzen. Wegen des Silberpreisverfalls ab etwa 1878, konnte der (lateinische) Bimetallismus nicht mehr aufrechterhalten werden. Es wurde daher einfach die Ausprägezahl der 5-Frankenstücke zu Gunsten der kleineren silbernen Scheidemünzen ab 2 Franken bis ½ Franken stark reduziert.
Heute gilt für Euro- und Euro-Cent-Münzen ein begrenzter privater Annahmezwang von insgesamt 50 Münzen unabhängig vom Nominalwert.
Antike
In der Antike gab es Vorläufer der modernen Scheidemünze, z. B. das römische As (als 1/16 des Denars ab 27 v. Chr.), die jedoch alle mit dem Zusammenbruch des römischen Reiches in seinen Inflationen untergingen und in den späteren Nachfolgestaaten daher auch keine Akzeptanz mangels staatlicher dauerhafter Autorität wieder erlangen konnten. Bei antiken Scheidemünzen gab es meist keinen begrenzten Annahmezwang dieser Münzart, d.h. ein Schuldner konnte eine Schuld von 100 Aureus durch physische 10.000 Sesterzen aus Messing ablösen, sofern er diese aus dem Umlauf entnehmen konnte.
Auch die in (Indo-)China, Korea und Japan seit etwa dem 6. Jahrhundert v. Chr. bis Anfang des 20. Jahrhunderts umlaufenden „Käsch-Münzen“ aus Kupfer, Messing oder Bronze mit meist viereckigem Loch sind als Scheidemünzen anzusehen, obwohl sie zeitweise auch als Parallelwährung zu den Tael-Silberbarrenmünzen angesehen werden können, die für höherwertige Zahlungen vorbehalten waren.
Deutschland
16. bis 19. Jahrhundert
Die ersten Vorläufer der deutschen Scheidemünzen entstanden im ausgehenden 16. Jahrhundert, als der Münzfuß der „Noch“-Kurantkleinmünzen, wie Kreuzer, sich zum Reichstaler merklich verschlechterte und die gesetzliche Nominalparität zur Großsilbermünze sich praktisch nicht mehr einhalten ließ. Es entstanden Kursverschlechterungen der Kleinmünzen zur Großmünze, die ihren Höhepunkt in der Kipper- und Wipperzeit um 1621 bis 1623 fanden. Erst als der Staat sich verpflichtete, diese wertminderen Kleinmünzen wieder zum „vollen“ Nennwert an den öffentlichen Kassen in Kurantgeld auf Verlangen umzuwechseln, war die eigentliche moderne „Scheidemünze“ geboren, was um etwa 1700 abgeschlossen war. In der Münzvereinbarung von Kloster Zinna im Jahre 1667 wurde z.B. zwischen Kurbrandenburg und Kursachsen der "Schiede-Müntz"-Fuß auf den geringeren Münzfuß von 10 1/2 Taler zu 9 Taler für die Kurantmünzen festgelegt.
Viele ältere Münzen geringeren Nominals mit den Gepräge „Landmünze“ oder „Stadtmünze“ waren praktisch ebenfalls „Scheidemünzen“, da sie meist in einem geringeren als im vorgeschriebenen „Reichsfuß“ ausgeprägt wurden. Das galt allerdings oft nicht für die größeren Stadtmünzen, wie z. B. für die Städtetaler (Moneta civitas), die häufig nach dem Reichsfuß vollwertig waren. Siehe auch Valvationstabelle. Notgeld und Belagerungsmünzen waren praktisch immer „Scheidemünzen“, sofern sie nicht aus hochwertigem requiriertem Kirchenedelmetall bestanden.
Der Begriff „Landmünze“ darf nicht mit dem Begriff „Landesmünzen“ verwechselt werden, der alle Münzen eines Landes umfasste.
In Notzeiten unterlagen Scheidemünzen einem wesentlich höherem Wertverfall als Kurantmünzen, so dass gesetzliche Kurse zwischen verschiedenen Nominalen (Sorten) bedeutungslos wurden, siehe Kipper- und Wipperzeit um 1621-23. Auch wurden in Notzeiten Scheidemünzen (und Banknoten) nicht mehr zum Nennwert von den Staatskassen in Kurantmünzen umgetauscht, so dass Kurantgeld sogar zur Ware mit Aufgeld (Agio) werden konnte. Ursprünglich war das Umlaufgebiet der Scheidemünzen nur auf das Emissionsgebiet begrenzt („Landmünze“). Wurde dieses Geld aber anstandslos vom Emissionsland wieder zurückgenommen und dort in Kurantgeld getauscht, war es häufig auch in den Nachbarländern kursfähig wenn dort Kleingeldmangel herrschte, gelegentlich aber mit abgewertetem Kurs. Meist wurde der Kurs immer ungünstiger je weiter das Emissionsland geographisch entfernt war oder gar Zweifel an der Rücknahme bestanden. Die Kursfähigkeit oder auch der Verruf fremder Scheidemünzen wurde in Münzedikten und in Valvationstabellen durch die jeweiligen Landesherrn bekannt gemacht.
Häufig wurden Scheidemünzen und besonders wertgeminderte Kurantmünzen zur Soldatenbesoldung bzw. zum Ausverkauf anderer Länder extra geprägt. Das geschah besonders häufig in den Kriegszeiten des 17. und 18 Jahrhunderts. Das wurde aber sehr schnell vom örtlichen Kaufmann erkannt und dann wurde dieses Geld stark abgewertet oder abgewiesen und schließlich gesetzlich verrufen. Siehe Ephraimiten.
Als letzte deutsche „Scheidemünzen“ oder besser vielleicht als Pseudomünzen bezeichnet, die zum Ausverkauf dienten, können die um 1820 geprägten sog. „Judenpfennige“ angesehen werden. Sie kursierten besonders zur Messezeit im Frankfurter Raum und werden heute noch gern gesammelt. Diese Kupferkleinmünzen waren eigentlich in Wirklichkeit „Scheinmünzen“, die keine Länderwappen – dafür aber Symbole, wie Hahn, Tonpfeife u. a., trugen; sowie teilweise anstelle einer Währungsbezeichnung, wie „1 Pfennig“, eine Fantasiewährungsbezeichnung hatten, wie z. B. „1 Halbac“. Der Ursprung dieser Münzen ist unklar und soll privat sein (vermutet wird Birmingham oder Holland). Wären diese Münzen Spielmarken gewesen, hätten sie – wie damals vorgeschrieben – aus einer Messinglegierung bestanden, da damals Kupfer ausschließlich den kleinen Währungsmünzen vorbehalten war.
Scheidemünzen brachten den Münzherren eine guten „Schlagschatz“ (= Münzgewinn) ein. Dies verleitete viele Münzherren dazu, diese in größeren Mengen auszugeben, und das nicht nur in Kriegszeiten. Begründet wurde die Ausgabe von Scheidemünzen durch die relativ höheren Prägekosten im Vergleich zur Kurantmünze – gemessen am jeweiligen Nominalwert. Dieses Argument ist nicht ganz unberechtigt. Außerdem wäre ein Pfennig (entsprechend seiner Kaufkraft gefertigt) aus reinem Gold oder Silber viel zu klein und deshalb unpraktisch für den Umlauf gewesen. Darüber hinaus hätte die verfügbare Edelmetallmenge niemals ausgereicht, um sämtliche Zahlungsmittel aus Gold und Silber herstellen zu können. Andernfalls wären ja auch deflationäre Verhältnisse entstanden und im übrigen waren die Regierenden zu allen Zeiten finanziell „klamm“, weil – von zeitlichen Ausnahmen mal abgesehen – die Edelmetallmenge immer langsamer als die verfügbare Warenmenge anstieg. Für eine stabile Währung war es daher wichtig, für eine gute Balance zwischen der Menge an Kurant-, Scheide-, Papier- und Buchgeld zu sorgen, was natürlich insgesamt im Einklang mit der allgemeinen materiellen Wirtschaftskraft des Landes und der mittleren Geldumlaufgeschwindigkeit stehen musste.
Vielfach waren Scheidemünzen früher sehr lange im Umlauf, so wurden nach der Einführung der Mark ab 1871 noch Münzen von bis zu 1750 in das neue Reichsgeld umgewechselt. Der sehr lange Umlauf vieler deutscher Scheidemünzen, der sich manchmal sogar auf fast 200 Jahre belief, erklärt heute die Vielzahl schlecht erhaltener Stücke deutscher Kleinmünzen und umgekehrt die hohe Sammlerbewertung von „prägefrischen“ Stücken.
Zu den Scheidemünzen zählten nicht nur Bronze- und Kupfermünzen sowie Münzen aus anderen unedlen Metallen, sondern sogar auch viele Silbermünzen, deren innerer Wert durch unedle Beilegierung teilweise stark zum Münznominalwert gemindert wurden. Dies galt beispielsweise für viele in Deutschland vor 1871 umlaufende Pfennig-, Kreuzer- und Groschenmünzen aus Silber. War der Silbergehalt einer Scheidemünze unter 50 Prozent, so spricht man von einer Billonmünze. Da diese Münzen schon merklich durch den dominanten Kupferanteil rötlich schimmerten, wurden Silberscheidemünzen vor der Auslieferung aus der Münzanstalt in einer Silbernitrat-Weinsteinlösung „weiß“ gesotten. Sie sah dann für eine kurze Umlaufzeit wie eine vollwertige Kurantmünze aus – bis die dünne oberflächliche Feinsilberschicht nach kurzer Zeit im Umlauf abgerieben war.
20. Jahrhundert
Im Deutschen Kaiserreich von 1871 bis 1918 mit seiner Goldwährung bzw. Goldmark-Währung (bis 1914) waren sogar alle Silbermünzen in Mark-Währung Scheidemünzen, die allerdings einen Feingehalt von 90 Prozent hatten und daher keine Billonmünzen waren. So entsprachen 10 Mark in Silbermünzen um 1875 einem Goldwert von 9 Mark bei dem damaligen Gold-Silber-Wertverhältnis von 1 : 15,5.
Ab 1915 sind in Deutschland alle geprägten Münzen bis einschließlich der heutigen Euromünzen „Scheidemünzen“. Konsequenterweise müsste auch Papier- und Buchgeld dazu gezählt werden, obwohl es hier um große Geldbeträge geht.
Durch Materialpreiserhöhungen oder Inflation kann es passieren, dass der innere Materialwert gültiger Scheidemünzen - aber auch der von silbernen Gedenkmünzen mit Währungsbezeichnungen - über den aufgeprägten Nominalwert steigt. Diese werden dann verrufen bzw. nicht mehr geprägt oder mit minderwertigem Material und/oder mit kleineren Abmessungen weiterhin geprägt bzw. von Privaten aus dem Umlauf entnommen oder auch im Nominalwert gesetzlich höher gesetzt. Siehe Greshamsches Gesetz.
Die Begriffe „Scheide- und Kurantmünze“ wurde mit Einführung der Mark-Währung ab 1871 im deutschen Sprachraum zunehmend vermieden. Im österreichischen Bundesrecht werden die Euro-Münzen weiterhin als Scheidemünzen bezeichnet.[1]
Einzelnachweise
Literatur
- Heinz Fengler: transpress Lexikon Numismatik. Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1988, ISBN 3-344-00220-1.
- Verein Gelehrter und praktischer Kaufleute: Handels-Lexikon oder Encyclopädie der gesamten Handelswissenschaften für Kaufleute und Fabrikanten. Verlag Ernst Schäfer, Leipzig 1847.
- Rudolf Hilferding: Das Finanzkapital. Verlag JHW Dietz Nachfolger, Berlin 1947. (unveränderter Nachdruck von 1910)
- C. Schaeffer, H. Brode: Allgemeine Volkswirtschaftslehre. Verlag C. L. Hirschfeld, Leipzig 1927.
- Wolfgang Trapp: Kleines Handbuch der Münzkunde und des Geldwesens in Deutschland. Verlag Reclam, Stuttgart 1999, ISBN 3-15-018026-0.
Siehe auch
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