Schiffbruch mit Tiger

Schiffbruch mit Tiger

Life of Pi (deutsch Schiffbruch mit Tiger) ist ein im Jahre 2001 erschienener Roman des kanadischen Schriftstellers Yann Martel. Die deutsche Übersetzung von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié erschien 2003 im Verlag S. Fischer. 2002 erhielt Yann Martel für diesen Roman den Booker Prize.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Piscine Molitor Patel, genannt Pi, ist der Sohn des Zoodirektors im indischen Pondicherry. Er ist bereits ein gläubiger Hindu, als er das Christentum kennen lernt und zusätzlich zum Christen konvertiert. Später nimmt er als dritte Religion noch den Islam an. Als sein Vater beschließt, nach Kanada auszuwandern, begibt sich die Familie mit dem halben Zoo auf einen japanischen Frachter. Dieser sinkt. Als Einzige können sich in einem Rettungsboot ein Zebra, ein Orang-Utan, eine Tüpfelhyäne, ein bengalischer Tiger und Pi retten. Die nun folgende Dezimierung der Tiere beginnt damit, dass die Hyäne zunächst das gebrochene Bein des Zebras abreißt und dann den Rest des Zebras verspeist. Als nächstes kommt der Orang-Utan an die Reihe. Der Tiger hatte sich bis dahin bewegungslos verhalten, da er seekrank war. Als er sich erholt hat, frisst der Tiger die Hyäne.

Pi rettet sich auf ein Floß, das er aus Rudern und Schwimmwesten gebaut hat und das er ans Rettungsboot anhängt. Er zähmt nun den Tiger, der ihm gehorcht, zumal er von ihm mit Fischen gefüttert wird, die Pi angelt. Pi, der Vegetarier war, isst nun selbst das Fischfleisch roh.

Es vergehen Monate und die beiden werden immer schwächer. Pi wird vorübergehend blind, seine Augen trocknen aus. Da erscheint in einem zweiten Rettungsboot ein französischer Schiffbrüchiger, der gesteht, dass er schon einmal einen Mann und eine Frau umgebracht hat. Als er in Pis Boot hinüberklettert, greift er Pi an, wird aber sofort vom Tiger gefressen. Schließlich landen sie an einer Insel aus Algen, die ein Schlaraffenland zu sein scheint, und auf der lediglich Erdmännchen leben. Der Tiger frisst Erdmännchen, Pi außerdem noch süße Algen. Für reichlich Süßwasser sorgen die Algen auch noch. Jäh zu Ende ist es mit dem Paradies, als Pi merkt, dass die Algen bei Nacht zu fleischfressenden Pflanzen werden. Pi zieht mit dem Rettungsboot weiter, den Tiger nimmt er mit.

Sie werden an der mexikanischen Küste angeschwemmt, der Tiger verschwindet im Dschungel. Niemand sieht ihn jemals wieder. Als Pi im Krankenhaus liegt, besuchen ihn zwei Angestellte des japanischen Verkehrsministeriums, um etwas über den Untergang des Frachters zu erfahren. Sie glauben ihm die Geschichte nicht: Weder der Tiger noch der französische Schiffbrüchige oder die fleischfressende Algeninsel seien plausibel. „Wenn Sie nur wahrhaben wollen, was Sie glauben können, wofür leben Sie dann überhaupt?“, entgegnet ihnen Pi. Als sie ihn auffordern, keine Geschichte zu erzählen, sondern was wirklich geschehen ist, entgegnet er ihnen, dass doch alles, was man berichtet, zu einer Geschichte wird. Aber er reagiert auf ihre Bitte und erzählt ihnen nun eine Geschichte ohne Tiere:

Auf dem Rettungsboot sind ein französischer Koch, ein Matrose, der sich beim Sturz ins Rettungsboot ein Bein gebrochen hat, Pis Mutter und Pi. Der Koch amputiert das Bein des Matrosen, um das Fleisch als Köder für die Fische zu benutzen. Langsam stirbt der Matrose und der Koch isst das Fleisch des Matrosen. Im Streit tötet der Koch auch Pis Mutter. Schließlich tötet Pi den Koch. In der Einsamkeit, die nun beginnt, wendet er sich Gott zu. Am Ende lässt Pi seine beiden Zuhörer wählen, welches die bessere Geschichte sei. Als die Japaner zugeben, dass die mit den Tieren die bessere Geschichte ist, antwortet er ihnen: „Und genauso ist es mit Gott“.

Interpretation

Die Stärke des Romans liegt darin, dass er auf verschiedenen Ebenen verstanden werden kann: Als Abenteuergeschichte ist er spannend zu lesen. Man folgt den aufregenden Erlebnissen des Jungen, die in einer leichten, eingängigen Sprache geschildert sind. Zum zweiten kann man ihn als gelehrten Roman verstehen. Der Autor, der Zoologie studierte und als Diplomatensohn bereits als Kind viele Länder kennenlernte, breitet eine Fülle an zoologischem und geographischem Wissen vor dem Leser aus. Als weitere Möglichkeit ist es naheliegend, den Text auf der symbolischen Ebene, d. h. als philosophisch-religiöse Parabel aufzufassen. Besonders das reflektierende Gespräch, das Pi(!) am Schluss mit den Japanern führt, weist Parallelen zu Gotthold Ephraim Lessings Ringparabel auf.

Von der Kritik ist der Roman unterschiedlich aufgenommen worden. Da er im Vorfeld hochgelobt wurde, musste er manche Rezensenten enttäuschen. So meinen die Freunde der Abenteuergeschichte, dass der Autor am Schluss durch die zweite Erzählung der Handlung das Buch „verwässere“ und ihm den Sinn, an den sie glaubten, entziehe. Theoretiker werfen dem Buch eine gewisse „Plattheit“ vor, da die eigentlichen philosophischen Inhalte nicht etwa zum Nachdenken anregen, sondern von vornherein feststehen würden. Das Buch enthalte somit nichts, was Lessing nicht längst und besser gesagt hätte. Diejenigen, die Lessing aus ihrer Bewertung heraushalten, sehen in Martels Form, sich mit Religion auseinanderzusetzen, eine leere „postmoderne Remix-Religiosität“ [1] – eine Lesart, die sich aktuellen Werte-Debatten anschließt und von ihnen geprägt ist und dem Begriff der Postmoderne nicht gerecht wird. Das gelehrt ausgebreitete Wissen wiederum – also die Beschreibungen in theologischen, zoologischen und nautischen Fachtermini – wird zu bestenfalls „bezaubernden Natur- und Tierschilderungen“ [2]. Am Ende greift man zum Vorwurf der Trivialität.
Der Roman macht eine klare Deutung schwierig. Auf diese Weise führt er die selbst gestellte philosophische Frage nach Wahrheit konsequent zu Ende: Wahr ist, was zwischen Dir, dem Leser und dem Buch passiert.

Hintergrund

In Edgar Allan Poes Roman Der Bericht des Arthur Gordon Pym, der ebenfalls von einem Schiffbruch handelt, wird der Hund des Ich-Erzählers „Tiger“ genannt und einer der vier Überlebenden des Schiffbruchs, der im späteren Verlauf von seinen Leidensgenossen verspeist wird, trägt den Namen „Richard Parker“.

Anmerkungen

  1. Ilija Trojanow, Neue Zürcher Zeitung, 20. Februar 2003
  2. Tilmann Spreckelsen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. Februar 2003

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