Seemannspastor

Seemannspastor
Seemannsheim der Deutschen Seemannsmission in Lübeck, An der Untertrave

Die Deutsche Seemannsmission (German Seaman's Mission) ist eine christliche Sozialeinrichtung für Seeleute.

Die Deutsche Seemannsmission betreibt Stationen in 17 deutschen Städten und 20 Städten außerhalb Deutschlands mit über 700 haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Ihren Hauptsitz hat sie in Bremen. Sie ist in der International Christian Maritime Association organisiert und besteht seit 1898.

Ziele der Mission sind das Anbieten eines Anlaufpunkts für in- wie ausländische Seeleute in den Häfen sowie Seelsorge und das Entgegenwirken gegen die soziale Isolierung der Seemänner. Sie ist dabei besonders der evangelischen Kirche verbunden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Initiative zur Gründung der Deutschen Seemannsmission entsprang einer flammenden Rede des damals jungen Pastors Johann Hinrich Wichern auf dem ersten Kirchentag 1848 in der Lutherstadt Wittenberg. Darin forderte er die Kirche auf sich der Notleidenden auf allen Gebieten anzunehmen. Aus diesem Impuls entstand die Innere Mission. Wichern sprach auch von der sittlichen Verwahrlosung in deutschen und überseeischen Häfen. Die eigentliche Initiative zur Gründung einer Deutschen Seemannsmission ging jedoch von deutschen Auswanderergemeinden in Großbritannien aus, die in den dortigen Industriegebieten und Hafenstädten eine neue Heimat gefunden hatten. Zurückgekehrte Seeleute berichteten von ihren Begegnungen mit der Seemannsmission in England und forcierten so die Gründung einer Seemannsmission auch im Inland. Bald danach reiste ein deutscher Pastor nach England, um von der britischen Initiative missions to seaman zu lernen.

Das erste Seemannsheim , welches jedoch kein Heim der Deutschen Seemannsmission war, weihte am 18. Oktober 1854 das Handelshaus Friedrich M. Vitor aus Bremen ein. In der Hausordnung hieß es: "Dieses Haus ist dazu gebaut, um dem ehrenwerten Stand der Seeleute, wenn sie nach einer beschwerlichen Fahrt glücklich zurückgekehrt sind, eine angenehme und ruhige Zuflucht während ihres Aufenthaltes an Land zu gewähren und sie davor zu bewahren, ihren sauer erworbenen Verdienst leichtsinnig zu vergeuden. So wird von jedem Insassen ein nüchternes und anständiges Betragen erwartet." Der Ausschank von Spirituosen war untersagt. Die Teilnahme an den Morgen- und Abendandachten war freiwillig. "Es wird aber gehofft, dass jeder Hausgenosse daran teilnimmt, da ein Tag mit Gott angefangen und mit ihm beschlossen, nicht ohne Segen bleiben kann..."

30 Jahre hat das Haus mit seiner segensreichen Arbeit bestanden. 1889 wurde es geschlossen, da der Schiffsverkehr sich nach Geestemünde, dem heutigen Bremerhaven, verlagerte. Das Haus in Bremen wurde im 2. Weltkrieg durch Bomben zerstört.[1]

Um die Seeleute aus der ausbeuterischen Abhängigkeit der Reeder und Wirtsleute zu befreien gründete die Kirche die erste unabhängige Heuerstelle. Es folgte die Errichtung von Missionen in Kiel, Hamburg (Mission Duckdalben) und Bremerhaven. In den zwanziger Jahren wurden Missionen in Valparaíso, New York (Germans Seafarers' Mission auf der 15. Straße) und Rotterdam eingerichtet und es wurde ein Verband gegründet.

In den 50err Jahren folgten Stationen in Lomé, Istanbul, Alexandria, Bilbao, Dublin, Kapstadt. Teilweise wie in Douala, 1966 vom deutschen Bundespräsident Heinrich Lübke eingeweiht, wurden die Baukosten vom deutschen Auswärtigen Amt getragen. In den siebziger Jahren Jahren wurden Missionen in New Orleans, Piräus, im Irak, im Iran und in Durban sowie im finnischen Kotka errichtet.

Infrastruktur

Seemannmissionen sind auch Sozialeinrichtungen. Typische Angebote sind billige Telefonkarten, wegen der Kontakte, Deponierung von Geld, Erledigung von Geldgeschäften (Überweisungen etc.), Aufenthaltsräume mit kostenlosen Heißgetränken, Kickern, Billard und der Möglichkeit zur Nutzung von E-Mail, kleine Bibliothek. Freie Zimmer in den vielfach vorhandenen Seemansheimen werden oft auch an Rucksacktouristen vermietet.

Personal, Seemannspastoren, Diakone

Die Missionen werden von Seemannspastoren (port chaplain) oder Diakonen bzw. Diakoninnen geführt. Häufig arbeiten in den Einrichtungen auch Sozialarbeiter und verwandte Berufsgruppen mit, außerdem Zivildienstleistende. Das Personal in den Auslandsstationen besteht meist aus Einheimischen. Ein großer Teil der Arbeit, insbesondere in den Inlandsstationen, kann nur durch ehrenamtliches Engagement durchgeführt werden. Alle Pastoren und Diakone treffen sich alle vier Jahre in Deutschland zum Erfahrungsaustausch.

Motto

Lange wurde die Werbung "Lass fallen Anker!" als Motto verwendet. Inzwischen ist die Hauptsorge der Mission, dass auf den immer größer werdenden Schiffen, besonders den Containerschiffen und Tankern, die Seeleute zunehmend isoliert sind. Anders als früher, als das Be- und Entladen der Schiffe zu langen Liegezeiten in den Häfen führte, sind die Liegezeiten heute auf z.T. nur wenige Stunden reduziert. Dies nimmt den Seeleuten die Möglichkeit, das Schiff zum Landgang zu verlassen. Zudem wird der Landgang aufgrund der Angst vor terroristischen Angriffen seit Erlassen des International Ship and Port Facility Security Code 2002 sehr restriktiv gehandhabt, was die Isolation deutlich erhöht hat. Hinzu kommt, dass in den weitläufigen Hafenanlagen mit schlechter Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel das Verlassen des Schiffes - etwa für Telefonate oder Besorgungen - oft praktisch unmöglich ist. Aus der Sorge heraus, dass die Würde der Seemänner zusehends verloren geht, lautet das neue Motto der Deutschen Seemannsmission "Support of the seafarers' dignity" (Unterstützung der Würde der Seeleute).

New York

In New York in den Containerhäfen von Hoboken und Newark besteht nicht nur das Problem der kurzen Liegezeiten, sondern seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 dort dürfen die Seeleute auch nur noch mit Sondergenehmigung von Bord. Deshalb besuchen täglich drei Missionare mit deutschen Zeitschriften, englischen Bibeln, Büchern, Videos, Post- und Telefonkarten, die Mannschaften auf den Schiffen. Sie nehmen auch Bestellungen auf und besorgen Kleidung, Schuhe oder Getränke. In den Gesprächen geht es dann um Wetter, Familie, Urlaub und Stürme auf See.

Finanzierung

Die Missionen im Ausland werden zur Hälfte von den evangelischen Landeskirchen getragen, der Rest muss durch Einnahmen, vor allem der Seemannsheime, und eigene Spenden aufgebracht werden.

In Lomé und Douala werden der Unterhalt der Häuser und das einheimische Personal durch die Einnahmen des eigenen Restaurants und Zimmervermietungen erzielt. In Hongkong hilft ein jährliches Spendendinner. In Finnland unterstützen die Städte die Missionen. In Rotterdam und Durban leisten die Reeder einen Beitrag. In London existiert noch der "Kaiser-Wilhelm-Fond für notleidende Deutsche".

In Deutschland sind die Missionen als gemeinnützige Vereine organisiert, werden aber letztlich von evangelischen Landeskirchen unterhalten, die in zunehmenden Finanznöten sind und kürzen (Stand 2006).

Ungewöhnliches

Die Mission im kleinsten Ort ist die in Mäntyluoto. In dem 500-Seelen-Ort in Finnland existiert ein Hafen, in dem mitten in der Einöde etwa 1000 Schiffe im Jahr Holz, Zellulose und Papier umschlagen. Die Infrastruktur des Ortes besteht für Seeleute neben der kleinen Mission aus einem Friseur und einer Kneipe, die um neun Uhr schließt. Im Winter bei minus 30 Grad, wenn die Wellen auf der Seeseite von Stürmen gepeitscht über die Reling schlagen, vereisen die Schiffe. Dann besteht die Hauptbeschäftigung der Seemänner darin, das Eis abzuschlagen, damit das Schiff von der einseitigen Eislast keine Schlagseite bekommt. Der Besuch der missionseigenen Sauna und danach ein Bier stellen nach solchen Einsätzen eine unwiderstehliche Verlockung dar. Kaum erträglich ist der Aufenthalt in Mäntyluoto im Winter für Inder, die zuvor oft noch nie eine Schneeflocke gesehen haben. Wegen der Internationalität der Seeleute bietet die Mission auch einen Raum der Stille an, der neben der Bibel auch einen Koran sowie ein Bild von Buddha und Shiva enthält.

Der langjährige Seemannspastor der Deutschen Seemannsmission in Genua (ab 1955), Walter Panzlau, war in Genua bereits als Marinesprengmeister der Deutschen Wehrmacht während des zweiten Weltkriegs stationiert. Am Ende des Krieges erhielt er den Befehl, die mehr als 1000 Jahre alte Hafenmole von Genua, die Mole Vecchio, zu sprengen. Er verminte die Mole zwar, verweigerte aber den Sprengbefehl. Als ein Marinesoldat Jahre später den Magistrat der Stadt über diese Geschichte informierte, wollte dieser Walter Panzlau zum Ehrenbürger von Genua machen, was dieser aber ablehnte.

Weblinks

englischsprachige Links:

Quelle

Helmut Kuhn: Die Seele des Hafens, S. 122-131, in mare, die Zeitschrift der Meere, No.49, April/Mai 2005

Einzelnachweise

  1. "Werden und Wachsen der Deutschen evangelischen Seemannsmission" von Seemannspastor I.R. Thun; erschienen im Selbstverlag der Deutschen Seemannsmission 1959, Seite 13.

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